Mit dem Hochwasser in Süddeutschland, eingestuft als weiteres Großschadenereignis, werden die Wohngebäudeversicherer innerhalb von nur einem halben Jahr ein weiteres Mal mit massiven Schäden durch Extremwetter konfrontiert. Allein in Süddeutschland werden Schadensummen in Höhe von zwei Milliarden Euro erwartet. Doch abseits dieser Großereignisse mit der entsprechenden medialen Aufmerksamkeit führen Leitungswasserschäden regelmäßig zu einem hohen Schadenaufkommen.
Die SHB-Versicherung hatte deshalb schon beim Relaunch ihrer Wohngebäudeversicherung ankündigt, Schadenprävention künftig noch stärker zu unterstützen. Seit Kurzem kooperiert der Versicherer aus Königswinter dafür mit dem Heidelberger Start-up Enzo. Dessen Mitbegründer Sascha Wolf ist der Branche als ehemaliger Produktchef von Getsafe nicht unbekannt.
Herr Riecke, erlauben Sie uns vorweg eine Frage zu den vielfältigen Diskussionen um eine Elementarpflichtversicherung. Obwohl der Bundestag dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion eine Absage erteilt hat, ebben sie nicht ab. Welche Lösungswege wären in dieser Causa darstellbar?
Ich bin auch weiterhin kein Freund von Pflichtversicherungen, da gerade hier die Frage nach der Versicherbarkeit von bestimmten Zürszonen in den Hintergrund gerückt wird. Vielmehr muss man sich fragen, warum in bekannten Gebieten überhaupt noch Neubauten zugelassen werden. Wenn Überlaufflächen zu Bauland gemacht werden, sollte die Folgewirkung gegebenenfalls auch im kommunalen Bereich angesiedelt sein.
Meiner Meinung nach ist hier die Politik gefragt und nicht die Überlegung, das sensible Thema einer Pflichtversicherung auf die Versicherungsbranche abzuwälzen. Deshalb ist für den Vertrieb und damit in der Kundenberatung unverzichtbar, auf die Risiken der Naturgefahren deutlich einzugehen und auf die Notwendigkeit aufmerksam zu machen. Das gilt auch, wenn sich das Gebäude auf den ersten Blick nicht in einer gefährdeten Region befindet. Für die meisten Objekte ist die Prämie für die Erweiterung gegen Elementarschäden auch recht günstig, sodass wir mit einer Opt-out-Lösung auch für den Vertrieb eine haftungssichere Lösung darstellen.
Der Antrag der Bundestagsfraktion der CDU/CSU „Elementarschadenversicherung fit für die Zukunft machen“, der bereits aus dem Oktober 2023 stammt, wäre ein wichtiger Schritt gewesen, denn dieser beinhaltet folgende Punkte:
- einen Gesetzentwurf vorzulegen, der versicherungsvertragsrechtlich sicherstellt, dass
- a. im Neugeschäft die Wohngebäudeversicherung nur noch mit einer Elementarschadenabsicherung angeboten wird, die nach Belehrung über die Konsequenzen abgewählt werden kann (Opt-out), und
- b. im Bestandsgeschäft sämtliche Wohngebäudeversicherungen zu einem Stichtag um eine Elementarschadenversicherung erweitert werden, die innerhalb einer gewissen Frist nach Belehrung über die Konsequenzen abgewählt werden kann;
- eine staatliche Rückversicherung für Elementarschäden mit Prämienkorridor einzuführen und
- Planungsträger in den Ländern für ihre Verantwortung bei einer Bauleitplanung in besonders schadensgefährdeten Gebieten zu sensibilisieren und eine Konkretisierung der Staatshaftungsregeln der planenden Körperschaften, die neue Baugebiete in bisher unbesiedelten Arealen trotz dieser Risiken ausweisen, zu prüfen.
Wiederkehrend hohe Schadensummen belasten die Wohngebäudeversicherer. Der Ruf nach mehr Prävention wird regelmäßig lauter. Die SHB hat sich für eine Kooperation mit Enzo entschlossen. Welche Gründe waren ausschlaggebend?
Geplatzte Rohre, undichte Leitungen und veraltete Versorgungsnetze, das sind einfach gesagt unsere Beweggründe. Leitungswasserschäden sind mit über 50 Prozent am Schadenaufwand in der Wohngebäudeversicherung beteiligt. Dies ist bei den Verbrauchern und Verbraucherinnen nicht immer bekannt, da Leitungswasserschäden deutlich weniger mediale Aufmerksamkeit erhalten als Sturm- und Hagel- oder wie aktuell die Elementarschäden. Auf Wohngebäude allein bezogen, konnte der Markt einen Anstieg des Schadenaufwands 2023 gegenüber 2022 im Bereich des Leitungswassers um 17 Prozent von 3,8 Milliarden Euro auf 4,5 Milliarden Euro verzeichnen.
Sie sprechen die immensen Summen an, die jährlich durch Leitungswasserschäden verursacht werden. Dabei wird kaum über die Wassermengen gesprochen, die verloren gehen. Von den Kosten und dem Nachhaltigkeitsfaktor ganz zu schweigen. Liegen Ihnen auch dazu Zahlen vor?
Wirft man einen Blick auf die Daten, die Focus bereits am 9.8.2023 veröffentlicht hat, wird dort von Mengen berichtet, die Kopfzerbrechen bereiten. Jeden Tag versickern in Deutschland laut diesem Artikel etwa 1,3 Milliarden Liter Trinkwasser ungenutzt im Boden.
Die öffentlichen Statistiken zu diesem Thema sind erschreckend, denn aufgrund des gealterten Versorgungsnetzes haben wir es mit einem strukturellen Problem zu tun. Denkwürdig ist auch: Im Jahr 2020 betrug der Wasserverlust in der öffentlichen Wasserversorgung in Deutschland 4,9 Prozent vom gesamten Bruttowasseraufkommen.
Kunden mit einer SHB-Wohngebäudeversicherung können künftig auf den one.drop Sensor von Enzo zurückgreifen. Wie dürfen wir uns das vorstellen?
Nach Vertragsabschluss über die Homepage der SHB bekommt der Kunde im Rahmen der digitalen Kommunikation einen Link zugesendet, mit dem der Leckage-Sensor des Heidelberger Start-ups angefordert werden kann.
Welche Leistung erbringt der one.drop Sensor, unterscheidet er sich auch von anderen Tools im Markt?
Der Sensor wird vom Versicherungsnehmer einfach auf dem Hauptwasserrohr im Keller selbstständig angebracht. Das ist ein richtig großer Vorteil, denn es müssen keine Wände aufgestemmt oder Rohrleitungen unterbrochen werden.
Das System aus Heidelberg unterstützt alle Rohrgrößen und Materialien. Bei dem All-in-one-Kit von Enzo wird somit nichts weiter benötigt, er ist sofort nach der Anbringung aktiv und schützt vor unangenehmen Wasserschäden im Haus.
Der Sensor von Enzo nutzt eine künstliche Intelligenz zur präzisen Messung des kontinuierlichen Wasserdurchflusses. Selbst geringfügige Abweichungen in den Wasserdaten werden zeitgenau erfasst und analysiert. Im Falle einer signifikanten Abweichung wird automatisch eine Benachrichtigung generiert. Somit können die teuren „Allmählichkeitsschäden“ zeitnah erkannt werden.
Gibt es bei der Verwendung eventuell auch Einschränkungen?
Nein, denn der one.drop Sensor erfordert keine direkte Internetverbindung im Keller und im Bereich der Wasserzuleitung. Dank der fortschrittlichen IoT-Technologie ermöglicht der Sensor eine deutschlandweite Kommunikation über diverse Frequenzen. Selbst in den Regionen mit einer begrenzten bis keiner Mobilfunkabdeckung, wie beispielsweise in Kellerräumen, bleibt die Funktionalität des IoT-Sensors erhalten.
Was müssen Ihre Kunden bei der Installation beachten?
Bei der Installation ist nichts zu beachten, denn die Befestigung des Sensors erfolgt nicht invasiv; stattdessen wird er sicher mittels einer Schnalle an der Leitung angebracht. Die Batterie hält mindestens ein Jahr und danach kann der Sensor nachhaltig über die USB-Schnittstelle wieder aufgeladen werden.
Wie sieht Ihr Service aus, falls die Leckage-Ortung ein Leck identifiziert?
Wenn die KI einen unregelmäßigen Wasserverbrauch ermittelt, bekommt der Versicherungsnehmer auf verschiedenen Wegen einen Alarm zugesendet. So kann der Sensor selbst das kleinste Leck identifizieren und unsere Dienstleister können unverzüglich reagieren. Selbstverständlich wird im Rahmen der Kooperation dem Kunden, im Fall der Fälle, auch die Hilfe von Spezialisten und Dienstleistern zur Leckage-Ortung angeboten.
Derzeit bietet die SHB den one.drop Sensor als Zusatzleistung für private Wohngebäude an. Gilt das für alle Gebäudearten und können Sie sich vorstellen, den Service auf gewerbliche Objekte zu erweitern?
Im nächsten Schritt werden wir gemeinsam mit Enzo unsere gewerblichen Kunden individuell vor Ort mit dem System ausstatten und im Rahmen eines Testfeldes Daten zum Verbrauch ermitteln. Im Anschluss soll der Sensor auch in unserer gewerblichen Gebäudeversicherung sowie der bekannten Multi-Risk-Police SBS-TOP eingeführt werden.
Herr Riecke, vielen Dank für das Gespräch.
Themen:
LESEN SIE AUCH
SHB startet mit neuer Wohngebäudeversicherung
Der Spezialist aus Königswinter bietet mit dem neuen Wohngebäudetarif Exclusiv 2023 ein komplett neues Produkt mit der Möglichkeit von individuellen Zusatzabsicherungen an. Dazu zählen unter anderem der Schutz von Haustechnik und Photovoltaikanlagen sowie eine Elementarversicherung.
VHB 2023 EXCLUSIV: nachhaltig plus optimales Preis-Leistungs-Verhältnis
Das neue Qualitätsprodukt richtet sich an Vertriebspartner, die das optimale Preis-Leistungs-Verhältnis suchen und gleichzeitig auf einen Rundumschutz für die Absicherung des Hausrats großen Wert legen, der Nachhaltigkeit auf vielfältige Weise integriert.
Starkregen-Schäden: Was jetzt zählt – und wann die Versicherung zahlt
Anhaltender Starkregen sorgt derzeit in Teilen von NRW für vollgelaufene Keller und durchnässten Hausrat. Was Betroffene sofort tun sollten, welche Unterlagen den Schadenersatz beschleunigen – und warum der Elementarschutz jetzt über alles entscheidet.
Leitungswasser häufigste Schadensursache im Haus – R+V registriert 46.000 Schäden in 2024
Defekte Rohre bleiben ein unterschätztes Risiko: In der Wohngebäudeversicherung der R+V Versicherung war Leitungswasser im vergangenen Jahr für rund 50 Prozent aller gemeldeten Schäden verantwortlich – und damit häufiger als Feuer, Sturm oder sonstige Naturgefahren zusammen.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Wohnungsbau im Aufschwung? Nur Einfamilienhäuser zeigen spürbare Erholung
Die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen eine leichte Erholung im Wohnungsbau – doch der Aufschwung bleibt fragil. Während Einfamilienhäuser zulegen, stagniert der Geschosswohnungsbau. Ohne politische Impulse droht eine gefährliche Kostenspirale.
Neubau oder Bestand? Worauf Immobilienkäufer achten sollten
Neubau oder Bestand? Wer eine Immobilie kauft, steht vor einer zentralen Weichenstellung. Energieeffizienz und moderne Technik treffen auf gewachsene Lagen mit möglichem Sanierungsbedarf – welche Wahl sich lohnt, hängt stark von Zielen, Budget und Zukunftsplanung ab.
Postbank Wohnatlas 2025: Neubauten in fast allen Regionen teurer als Bestandswohnungen
Nur eine Region in Deutschland verzeichnet im mittleren Preissegment günstigere Neubauten als Bestandswohnungen – in allen anderen zahlen Käufer deutlich mehr. Die Unterschiede reichen von moderaten Aufschlägen bis zu Preisexplosionen im sechsstelligen Bereich.
EZB unterbricht Zinssenkungsserie – Baufinanzierungszinsen bleiben stabil
Nach sieben Zinssenkungen in Folge tritt die EZB auf die Bremse – und Baufinanzierungszinsen verharren auf stabilem Niveau. Doch wie lange hält die Ruhe an, wenn globale Handelskonflikte und US-Politik wieder Bewegung in die Märkte bringen?
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.