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In jüngster Vergangenheit haben sich einige Finanzinstitute, die sich als nachhaltige Unternehmen positioniert haben, die Finger verbrannt. Neben den Fällen der DWS und der Stuttgarter Lebensversicherung, listet die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zehn verschiedene Gerichtsverfahren mit Greenwashing-Vorwürfen gegen Finanzinstitute auf. Die Finanzdienstleistungsbranche kämpft in Deutschland grundsätzlich schon länger mit einem Vertrauensproblem.
Ein Beitrag von Oliver Bentz, Fachkoordinator Nachhaltigkeit der Assekurata Rating-Agentur GmbH
Im Vergleich zu anderen Ländern scheint das Vertrauen der Deutschen in Versicherungen und Banken eher gering zu sein, wie etwa das Edelman Trust Barometer aufzeigt. Um Greenwashing-Vorwürfen vorzubeugen, ist für Versicherungsunternehmen eine glaubwürdige und transparente Kommunikation somit noch wichtiger als in anderen Branchen.
In unserer diesjährigen Verbraucherbefragung haben wir uns daher unter anderem der Frage gewidmet, wie gut sich Verbraucherinnen und Verbraucher über die Nachhaltigkeitsbemühungen von Versicherern informiert fühlen und wie glaubwürdig sie diese einschätzen. Die Befragung wurde im Juli 2023 durchgeführt und von 1.012 Menschen beantwortet.
Ratings als vertrauenswürdigste Informationsquelle
Zunächst wollten wir von den Befragten wissen, welche Informationsquellen sie hauptsächlich nutzen, um die Nachhaltigkeit ihres Versicherers einzuschätzen. Das Ergebnis zeigt, dass sich Verbraucherinnen und Verbraucher am ehesten auf externe Bewertungen wie Nachhaltigkeitsratings oder -siegel setzen (40,0 Prozent der Befragten gaben dies an). Auf dem zweiten Platz folgt die Berichterstattung, die von Versicherungsunternehmen selbst bereitgestellt wird, wie Geschäfts- oder Nachhaltigkeitsberichte (36,5 Prozent). Dem Werbematerial der Versicherer schenken die Menschen im Vergleich das geringste Vertrauen (30,2 Prozent).
Auch wenn die Abstände zwischen den Informationsquellen relativ gering sind, zeigt diese Rangfolge dennoch eine gewisse Skepsis gegenüber der (werblichen) Kommunikation der Versicherungsunternehmen. Aus Sicht der Verbraucher ist es daher ratsam, dass die Unternehmen ihre Kommunikation bezüglich der Nachhaltigkeit in ihren Marketingunterlagen verbessern.
Hilfreich wäre es hierbei sicherlich, transparenter über konkrete Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens und ehrlich über deren Erfüllungsgrad zu berichten. Ein weiteres Potenzialfeld sehen wir in der Information zur Nachhaltigkeit der Kapitalanlage der Versicherer, da Aspekte der Kapitalanlage sehr relevant für die Wahrnehmung eines Versicherers als nachhaltiges Unternehmen sind. Unserer Ansicht nach könnten Versicherungsunternehmen in diesem Segment noch transparenter und verständlicher über ihre Maßnahmen in diesem Bereich berichten.
Wahrnehmung von Nachhaltigkeit
Bei der Frage, wie gut sich Verbraucherinnen und Verbraucher zur Nachhaltigkeit ihres Versicherers informiert fühlen, ergibt sich ein gemischtes Bild. Immerhin knapp die Hälfte der Befragten (47,5 Prozent) gibt an, sich über die Nachhaltigkeit des eigenen Versicherers gut informiert zu fühlen. Dies deutet darauf hin, dass einige Versicherer erfolgreich in der Kommunikation ihrer Nachhaltigkeitsinitiativen sind.
Demgegenüber steht, dass nur wenige Befragte Aussagen über die Nachhaltigkeit anderer Versicherer im Markt treffen können (19,4 Prozent). Dies zeigt, dass die allgemeine Wahrnehmung der Nachhaltigkeitsbemühungen in der Branche möglicherweise noch nicht ausreichend verbreitet ist. Dies könnte darauf hinweisen, dass Versicherungsunternehmen ihre Bemühungen zur Information und Aufklärung über Nachhaltigkeitsaspekte verstärken sollten.
Die Tatsache, dass nur eine Minderheit (22,2 Prozent) der Befragten eine gestiegene werbliche Positionierung von Versicherern im Bereich Nachhaltigkeit wahrnimmt, könnte darauf hindeuten, dass die bisherigen Marketingbemühungen nicht ausreichend sind. Es ist möglich, dass die Zielgruppenansprache optimiert werden muss, um Menschen mit verschiedenen Nachhaltigkeitsinteressen besser zu erreichen.
Dennoch überrascht uns das Antwortverhalten, da wir in den vergangenen Monaten und Jahren beobachten konnten, dass sich viele Versicherer stärker zum Thema Nachhaltigkeit positioniert haben. Zudem deckt sich dieses Ergebnis nicht mit dem Selbstanspruch vieler Anbieter, als nachhaltige Unternehmen wahrgenommen zu werden. Versicherer, die diesen Anspruch haben, sollten daher über bessere Kommunikationsmaßnahmen nachdenken.
Glaubwürdig grün?
Wie steht es nun um die Glaubwürdigkeit der nachhaltigkeitsbezogenen Informationen, die bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommen? Die Ergebnisse sind eher ernüchternd. Weniger als ein Drittel der Befragten (31,0 Prozent) sagt aus, beim Thema Nachhaltigkeit ein hohes Vertrauen in ihren Versicherer zu haben. Knapp ein weiteres Drittel widerspricht dieser Aussage, während der Rest unentschieden ist. Das Misstrauen wird vom Antwortverhalten bei der zweiten Frage zur Glaubwürdigkeit untermauert.
Hier wollten wir von den Befragten wissen, inwieweit sie der Aussage „Die meisten Versicherer sind gar nicht wirklich nachhaltig und betreiben Greenwashing“ zustimmen würden. Erschreckenderweise liegt die Zustimmungsrate bei 53,8 Prozent der Befragten. Lediglich ein kleiner Anteil von 12,0 Prozent widerspricht der Aussage, während etwas mehr als ein Drittel (35,2 Prozent) unentschieden ist. Somit bestehen eindeutig Defizite bei der Glaubwürdigkeit von Versicherern in puncto Nachhaltigkeit.
Unsere Untersuchung zeigt auf, dass Versicherungsunternehmen insbesondere noch großes Verbesserungspotenzial haben, was ihre Kommunikationsmaßnahmen sowie ihre öffentliche Wahrnehmung im Kontext Nachhaltigkeit angeht.
Die Einschätzung der Häuser variiert dabei mitunter, wie eine andere von unseren Online-Befragungen zeigt. Die Nachhaltigkeitskommunikation bringt somit einige Herausforderungen mit sich, aber es gibt konkrete Schritte, die Versicherer unternehmen können, um diese zu bewältigen. Unserer Meinung nach ergeben sich fünf wesentliche Anknüpfungspunkte:
- Positionierung: Verbraucher verlangen Erklärungen dazu, welche Haltung Versicherer zu welchen Themen einnehmen und wie ihre nachhaltige Vision aussieht.
- Transparenz und Nachvollziehbarkeit: Nachhaltigkeitskommunikation sollte transparent und glaubhaft darstellen, was ein Unternehmen unter nachhaltigem Handeln versteht und mit welchen Maßnahmen sie dies umsetzt.
- Zahlen, Daten, Fakten: Eine glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation sollten möglichst mit harten Fakten unterlegt werden. So kann Vergleichbarkeit und eine Messung des Fortschritts im Zeitverlauf geschaffen werden.
- Ganzheitliches Denken und Handeln: Nachhaltigkeit muss im gesamten Unternehmen gelebt werden – sowohl bei allen Geschäftsprozessen als auch an allen (internen und externen) Schnittstellen.
- Digitaler Auftritt: Nachhaltigkeitskommunikation ist immer auch digital. Voraussetzung sind digitale Kanäle, über die regelmäßig und zielgruppengerecht kommuniziert wird.
Für die Studie „Nachhaltigkeit der Versicherer aus Kundensicht 2023“ ging Assekurata zum zweiten Mal gezielt der Frage nach, welchen Stellenwert Versicherungskunden dem Thema Nachhaltigkeit beimessen.
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