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GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen betont die Bedeutung von Solvency II für den nachhaltigen Wirtschaftsumbau, warnt jedoch vor zu strengen Anforderungen, die Investitionen in die Transformation behindern könnten.
Zum Start der Verhandlungen zwischen den EU-Institutionen über die europäischen Aufsichtsregeln für den Versicherungssektor hat GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen die Bedeutung von Solvency II für den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft hervorgehoben: „Solvency II hat sich seit seiner Einführung bewährt. Zu hohe Anforderungen lassen aber kaum Luft für Investitionen in die so wichtige Transformation.“
Der Trilog biete die Chance, den Vorschlag der EU-Kommission gezielt zu verbessern, vor allem die Extrapolation und die Volatilitätsanpassung der Zinskurve. „Solvency II muss in jedem Zinsumfeld funktionieren, daher sind Anpassungen zur Berücksichtigung negativer Zinssätze, wie von der Kommission vorgeschlagen, grundsätzlich sinnvoll“, so Asmussen. „Die Verschärfungen an der Extrapolation der risikofreien Zinsen schießen aber deutlich über das Ziel hinaus.“
Belange kleinerer Versicherer kaum berücksichtigt
Enttäuscht zeigt sich der Verband vom neuen Rahmen für kleinere Versicherer. Dieser sei vor allem für den deutschen Markt wenig praxistauglich. „Der Vorschlag der Kommission, Versicherern mit geringem Risikoprofil Erleichterungen zuzugestehen, ist ein richtiger Impuls”, sagt Asmussen. Allerdings seien die Kriterien, mit denen diese Versicherer bestimmt werden sollen, für größere Märkte viel zu restriktiv.
„Wir erwarten, dass nur eine sehr kleine Zahl von deutschen Versicherern von diesen Erleichterungen profitieren wird“, so Asmussen. Leider habe kein Trilog-Partner diesen Punkt aufgegriffen. Der Verband setze sich deshalb dafür ein, dass alle fünf Jahre eine Überprüfung der Richtlinie in Bezug auf die Proportionalität durchgeführt wird.
Doppelte Berichtspflichten vermeiden
Hingegen unterstützt und bekräftigt der GDV den Vorschlag, dass Unternehmen mit geringem Risikoprofil erleichterten Nachhaltigkeitsberichtspflichten unterliegen sollen. Die Versicherer befürworten ausdrücklich auch die Vorschläge zur stärkeren Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken in Solvency II.
Es sollten aber keine Vorgaben gemacht werden, die bereits in anderen europäischen Initiativen verankert sind, wie zum Beispiel Transitionspläne. „Eine Doppelung von ganz ähnlichen Vorgaben in unterschiedlichen Regelwerken führt nur zu Verwirrung, unnötigem Zusatzaufwand und Bürokratie“, sagt Asmussen
Mit dem Start der Trilog-Verhandlungen finalisieren die EU-Kommission, der Europäische Rat und das Europäische Parlament den Review-Prozess der 2016 verabschiedeten Aufsichtsregeln Solvency II. Deren Einführung ging auch mit einem festgelegten Evaluierungszeitraum einher, um die Auswirkungen der Regeln zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Das geschieht nun im Rahmen des laufenden Überprüfungsprozesses. Derzeitig ist noch unklar, ob der Trilog-Prozess vor den Europawahlen im Juni 2024 abgeschlossen sein wird.
Sanierungs- und Abwicklungspläne: Keine Pauschallösungen
Neben dem Trilog-Start zu Solvency II blicken die Versicherer gespannt auf die anstehenden Verhandlungen zur Insurance Recovery and Resolution Directive, die unter anderem verpflichtende Sanierungs- und Abwicklungspläne für die Versicherungswirtschaft vorsehen. Die Vorbereitung auf zukünftige Krisen ist aus GDV-Sicht eine sinnvolle Maßnahme für Unternehmen und Aufsichtsbehörden. Pauschale Regelungen, die das konkrete Risiko eines einzelnen Unternehmens für die Finanzstabilität außer Acht lassen, hält der Verband jedoch für nicht hilfreich.
Zudem sollte den in den Mitgliedsstaaten bereits vorhandenen Sicherungsvorkehrungen angemessen Rechnung getragen werden, findet Asmussen: „Es gibt bereits nationale Sicherungseinrichtungen, zum Beispiel Protektor für Lebensversicherungen in Deutschland, die sich im System etabliert haben.“
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