Die EU-Kommission will ein Viertel aller Berichtspflichten in der Europäischen Union abbauen. Die Versicherer beteiligen sich mit eigenen Vorschlägen am sogenannten Call for Evidence der EU-Kommission.
Mitte Oktober hatte die EU-Kommission erste Vorschläge zur Reduzierung der Berichtspflichten präsentiert. Es handelt sich um die Verschiebung der sektorspezifischen Nachhaltigkeitsberichtsstandards (ESRS) und eine „Inflationsanpassung“ bei den Schwellenwerten und Größenkriterien für kleine und mittlere Unternehmen. Für diese gelten bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung abgespeckte Standards.
Dazu sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV): „Diese Maßnahmen sind allenfalls erste Ansätze. Damit wird das 25 Prozent-Ziel nicht annähernd erreicht.“ Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen leiden besonders unter den überbordenden Berichtspflichten.
„Bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung sollte die Anwendbarkeit der Schwellenwerte für die vereinfachte Berichterstattung in der Finanzwirtschaft grundsätzlich überprüft werden. Bis dahin sollten kleine und mittlere Versicherer bis 500 Beschäftigte die vereinfachten Berichtsstandards nutzen dürfen. Aktuell werden diese Versicherungen wie große Konzerne behandelt“, so Asmussen.
Auch bei der Berichterstattung zum Aufsichtsregelwerk Solvency II regt die Versicherungswirtschaft Vereinfachungen an. So könnten etwa im Zuge der quartalsweisen Berichte an die Aufsichtsbehörden zur Solvenzlage die Berichte für das vierte Quartal ersatzlos wegfallen. Denn bereits wenige Tage nach dem Bericht für das vierte Quartal müssen die Versicherer den Bericht für das Gesamtjahr abgeben – in dem der Stand für das vierte Quartal ohnehin eingerechnet ist. Die im nächsten Jahr anstehende Überarbeitung der Delegierten Verordnung zur Solvency II wäre eine passende Gelegenheit, diese überflüssige Berichtspflicht zu streichen.
Die Versicherer mahnen seit längerem an, bei der Einführung neuer Berichts- und Verwaltungsaufgaben das Ziel der Maßnahmen nicht aus den Augen zu verlieren. „Sonst kann die Regulierung – wie gut sie auch immer gemeint ist – keinen Impact entfalten und wird für die Unternehmen zu einer reinen Complianceaufgabe“, so Asmussen.
Generell sollte aus Sicht der Versicherungswirtschaft Folgendes für Berichtspflichten gelten:
- Neue Berichtspflichten sollten nur eingeführt werden, wenn sie notwendig sind.
- Auch von den Aufsichtsbehörden initiierte Änderungen sollten überprüft und bewertet werden.
- Überschneidungen und Doppelungen mit anderen Vorschriften sollten vermieden werden.
- Proportionalität sollte als Grundprinzip in allen Berichtspflichten verankert sein. Ein kleines Unternehmen mit wenigen Beschäftigten hat im Vergleich zu großen Konzernen nur eingeschränkte Ressourcen, um Berichtspflichten nachzukommen.
- Den Unternehmen sollte ausreichend Zeit eingeräumt werden, um sich auf neue oder veränderte Berichtspflichten einzustellen.
- Offenlegungsvorschriften sollten durch Verbrauchertests auf ihre Praktikabilität und ihren Nutzen überprüft werden.
Die vollständige Stellungnahme für den Call for Evidence der EU-Kommission finden Sie hier.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Versicherer fordern Erleichterungen beim ESG-Reporting
Die EU-Kommission erarbeitet derzeit die European Sustainability Reporting Standards, die die Inhalte der Nachhaltigkeitsberichte festlegen. Es geht um konkrete ESG-Berichtsvorgaben, die ab 2024 umgesetzt werden sollen. So wäre jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um Vereinfachungen umzusetzen.
GDV regt Vertiefung der Kapitalmarktunion an
Die deutsche Versicherungswirtschaft appelliert an die künftige EU-Kommission, den Finanzsektor nicht mit weiteren Vorgaben zu belasten. Um Regulierungen effizienter zu gestalten, sollten diese auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene besser koordiniert werden.
Versicherer benötigen mehr Spielraum für Investitionen
Solvency II hat sich seit seiner Einführung für den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft bewährt. Der GDV warnt aber davor, dass zu strenge Anforderungen kaum Luft lassen für Investitionen in die so wichtige Transformation.
Solvency II: GDV begrüßt mehr Transparenz und Verständlichkeit für Verbraucher
Die Trilogeinigung zu Solvency II forciert, dass die Berichterstattung der Versicherer zur wirtschaftlichen Lage verständlicher werden soll. Der GDV sieht darin einen wichtigen Schritt, um die Transparenz für Verbraucher und Experten zu verbessern.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Lebensversicherung: ZZR-Rückflüsse bringen Spielraum
Zinsanstieg, ZZR-Rückflüsse und demografischer Wandel verändern das Geschäftsmodell der Lebensversicherer grundlegend. Die Branche steht finanziell stabil da – doch das Neugeschäft bleibt unter Druck.
Wiederanlage im Bestand: Versicherer verschenken Milliardenpotenzial
In Zeiten stagnierender Neugeschäftszahlen und hoher Leistungsabfüsse rückt der Versicherungsbestand zunehmend in den Fokus strategischer Überlegungen. Das gilt insbesondere für die Lebensversicherung: Dort schlummern ungenutzte Chancen, die Erträge stabilisieren und die Kundenbindung stärken könnten – wenn Versicherer systematisch auf Wiederanlage setzen würden. Der Text erschien zuerst im expertenReport 05/2025.
#GKVTag – Pflegeversicherung unter Reformdruck: Stabilität durch Solidarität
Drei Jahrzehnte Pflegeversicherung – eine sozialpolitische Erfolgsgeschichte mit strukturellen Rissen. Seit ihrer Einführung garantiert sie die Absicherung pflegebedürftiger Menschen und setzt dabei auf das Zusammenspiel von Solidarität und Eigenverantwortung. Doch mit wachsender Zahl Anspruchsberechtigter, einem Ausgabenvolumen von inzwischen 65 Milliarden Euro und einem Beitragssatz von 3,6 Prozent (zuzüglich Kinderlosenzuschlag) gerät das System an seine finanziellen Grenzen.
„Fünf Tierseuchen gleichzeitig – Tierhalter geraten weiter unter Druck“
Mit einem neuen Höchstwert von 96 Millionen Euro Schadenaufwand blickt die Vereinigte Tierversicherung (VTV) auf das bislang teuerste Jahr ihrer Geschichte zurück. Der Großteil der Schäden entstand durch Tierseuchen – allen voran durch die Blauzungenkrankheit, die allein 30 Millionen Euro kostete. Diese betraf 2024 vor allem Wiederkäuer-Bestände in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Hessen. Die VTV ist Marktführer in der landwirtschaftlichen Tierversicherung und Teil der R+V Gruppe.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.