Bei vielen Versicherern liegt das Durchschnittsalter im Bestand bei weit über 50 Jahren. Um zukunftsfähig zu bleiben, müssen sie auch die Generation Z und die Millennials für sich gewinnen“, sagt Frank Gehrig, Partner in der Global Insurance Practice beim Beratungsunternehmen Simon-Kucher. Dass Versicherer dabei schnell sein sollten, zeigen Cross-Selling-Studien von Simon-Kucher.
Die meisten Kunden sind bis Mitte 30 zum größten Teil abgesichert und besitzen dann im Schnitt fünf Policen. Ab diesem Alter kommt oftmals nur noch eine weitere Versicherung hinzu. Versicherer sollten deshalb schon früh zum Ansprechpartner und Wegbegleiter der Nachwuchskunden werden.
Freunde und Familie werden zu Versicherungsbotschaftern
„Wer als Versicherer einen Draht zur Gen Z aufbauen will, der muss den Weg über das persönliche Umfeld gehen“, erklärt Gehrig. Immerhin haben mehr als Dreiviertel aller Umfrageteilnehmer bei einer aktuellen Simon-Kucher-Studie angegeben, dass der erste Impuls, sich um eine Versicherung zu kümmern, von ihren Freunden und der Familie kommt. Soziale Medien wie TikTok, Instagram und Snapchat spielen hingegen mit drei Prozent eher eine untergeordnete Rolle.
Auf den hinteren Plätzen tummeln sich darüber hinaus Berufsverkäufer, Online- sowie Offlinekanäle und Foren. Statt der herkömmlichen Marketingstrategie mit der Gießkanne kommt es also auf eine zielgenaue Nutzung der Kommunikations- und Marketingkanäle an, um Streuverluste zu vermeiden.
Auch bei der Informationssuche, die auf den ersten Impuls folgt, sind Freunde und Familie laut der Studie der wichtigste Ansprechpartner für die Gen Z. So befragten 42 Prozent ihr persönliches Umfeld, bevor sie eine Versicherung kauften. „Kampagnen sollten deshalb so ausgerichtet sein, dass die Eltern, die Lieblingstante oder der ältere Cousin zu den Botschaftern der eigenen Versicherungsleistung werden“, so Gehrig.
Noch lassen viele Versicherer und Vermittler die potenziellen jungen Kunden jedoch meist unbeachtet. Ein kurzes Beispiel macht dies deutlich: In 210 Fällen, in denen alle Produkte bei einem Verkäufer gekauft wurden, sind nur in sieben Fällen eben jene Verkäufer auf die Gen Z und Millennials während ihrer Ausbildungs-und Studienzeit zugegangen. Und diese Verkäufer suchten den direkten Weg, ohne über die Versicherungsbotschafter in der Familie zu gehen. „In einem Simon-Kucher-Projekt für Versicherer haben wir uns stattdessen darauf konzentriert, Familienverbünde anzuwerben. Das Ergebnis: Beim Verkauf der Versicherungsprodukte konnte über einen langjährigen Durchschnitt ein Plus von 1,8 Prozent erzielt werden“, berichtet Gehrig.
Customer Journey der Gen Z: Potenziale sehen, verstehen und heben
„Versicherer sollten jedoch auch Vergleichs- und Suchportale nicht vernachlässigen“, meint Gehrig. Denn was den Impuls zur Suche nach einer passenden Versicherung betrifft, liegen sie nur knapp hinter Freunden und Familie. Für Versicherer sei dies eine gute Möglichkeit, die Kundenbindung zu stärken und gleichzeitig kostengünstig organisches Wachstum zu erzielen.
„Wichtig dabei: Die verschiedenen Kanäle, on- wie offline bestmöglich miteinander zu verzahnen, um die jungen Kunden während der Customer Journey nicht zu verlieren“, betont Gehrig. Die Realität siehe momentan aber noch anders aus. Mehr als jeder Dritte der Gen Z, der seine erste Hausrats- oder KFZ-Versicherung über den Face-to-Face-Verkauf – persönlich oder per Videokonferenz – abgeschlossen hat, sei schon für den zweiten Versicherungsabschluss zu den Online-Kanälen gewechselt. Wohingegen über die Hälfte der Studienteilnehmer, die ihre erste Versicherung über ein Vergleichsportal abgeschlossen hat, dieser auch bei der zweiten Versicherung treu geblieben sei. Zum persönlichen Kauf wechselte nur jeder Fünfte. „Versicherer müssen daher sowohl ihre Customer Journey als auch Experience verbessern, um die Gen Z als Kunden zu behalten. Und das Potenzial ist immens: Über 90 Prozent der Kunden können sich unabhängig von ihrem Alter vorstellen, ihre Versicherungen bei einem Anbieter zu bündeln.“
Grundstein legen und Vertriebserfolg aufbauen
„Dabei kommt es auf Geschwindigkeit an: Mit 35 Jahren haben die meisten Kundinnen und Kunden bereits einen Großteil ihrer Versicherungen abgeschlossen“, berichtet Gehrig. Sinnvollerweise beginne die Kundenbindung mit dem ersten Versicherungsabschluss und sollte anschließend nicht durch eine schlechte Customer Journey verspielt werden. Denn die Neukundengewinnung sei mit wesentlich mehr Aufwand verbunden als der Ausbau des Geschäfts. Dafür müssen Versicherer allerdings die kundenzentriere Kommunikation der relevanten Produkte in der Beratung zum Dreh- und Angelpunkt machen, erklärt der Versicherungsexperte. Und fügt hinzu: „Im besten Fall verkaufen Versicherer im Erstgespräch gleich noch ein weiteres Produkt. Wie unsere Erfahrung zeigt, sind Kunden so generell offener, sich auch für ihre anderen Lebensbereiche mit Versicherungsprodukten zu befassen. Deshalb sollten Versicherungsmakler- und Verkäufer im Gespräch direkt ein weiteres, konkretes Bedürfnis ansprechen und das Interesse der jungen Kunden für ein zusätzliches Produkt wecken.“
Um Ansprechpartner und Wegbegleiter der Gen Z zu werden, müssen Versicherer also vom ersten Impuls über die Informationssuche bis zum Verkauf eine Rolle spielen und die Customer Journey immer wieder auf die Bedürfnisse der Gen Z anpassen. Andernfalls gehen die Kunden auf dem Weg verloren, wechseln zu Aggregatoren und die Chance, den Bestand zu verjüngen, ist verspielt.
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