Noch immer Nullzinsen bei jeder fünften Bank

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Im Juli 2022 hat die Europäische Zentralbank nach über elfjähriger Talfahrt erstmals wieder die Leitzinsen erhöht. Dieser historische Zinsschritt markierte für Sparer das Ende des Negativzinszeitalters. Die Zinswende hat unter den Banken einen intensiven Wettbewerb um Spareinlagen entfesselt.

Doch ein Fünftel der Kreditinstitute zahlt noch immer gar keine Zinsen für Guthaben auf dem Tagesgeldkonto. Das zeigen aktuelle Analysen des Vergleichsportals Verivox.

Nullzinsen halten sich hartnäckig

„Fast alle Kreditinstitute haben ihre Negativzinsen nach dem Wegfall der EZB-Strafzinsen auf Bankeinlagen vor einem Jahr zügig abgeschafft“, sagt Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH. „Doch auch ein ganzes Jahr später und nach mittlerweile acht Leitzinserhöhungen in Folge bietet ein beträchtlicher Teil der Banken auf dem Tagesgeldkonto noch immer überhaupt keine Verzinsung.“

Von insgesamt 738 Banken in der Verivox-Auswertung zahlen 141 ihren Tagesgeldanlegern keine Zinsen. Das entspricht einem Anteil von 19 Prozent. Am weitesten verbreitet sind Nullzinsen unter den regionalen Genossenschaftsbanken, also den örtlichen Volks- und Raiffeisenbanken sowie den PSD- und Sparda-Banken. Von 350 ausgewerteten Instituten dieser Bankengruppe weisen 80 für eine Anlagesumme von 10.000 Euro einen Tagesgeldzins von 0,00 Prozent aus.

Somit bietet in diesem Sektor beinahe ein Viertel (23 Prozent) der Banken keine Zinsen. Aber auch bei 58 von 309 Sparkassen gehen Tagesgeldanleger leer aus, was einem Anteil von 19 Prozent entspricht. Von den insgesamt 79 ausgewerteten bundesweit aktiven Banken zahlen hingegen nur 3 keine Tagesgeldzinsen (4 Prozent).

Tages- und Festgeldzinsen haben sich seit der Zinswende vervielfacht

Auch wenn sich ein Teil der Banken immer noch zurückhält, sind die Tagesgeldzinsen im Marktdurchschnitt infolge der Zinswende deutlich gestiegen – insbesondere bei den Banken, die deutschlandweit tätig sind. Der Durchschnittszins bundesweit verfügbarer Tagesgeldangebote liegt aktuell bei 1,31 Prozent. Zum Zeitpunkt der ersten Leitzinserhöhung vor einem Jahr lagen die Zinsen nur knapp über der Nulllinie (bei 0,05 Prozent Anfang August 2022). Kundinnen und Kunden der Sparkassen und der örtlichen Volks- und Raiffeisenbanken müssen sich aktuell mit durchschnittlich 0,36 Prozent Tagesgeldzinsen begnügen.

„Bei den bundesweit verfügbaren Angeboten profitieren Sparer vom schärferen Wettbewerb unter den Marktteilnehmern“, sagt Oliver Maier. „Um sich im Konkurrenzkampf um Spargelder zu behaupten, sehen sich die Geldhäuser gezwungen, ihre Konditionen immer wieder nachzubessern. Sparkassen und Volksbanken spekulieren hingegen viel stärker auf die Treue ihrer Kunden.“

Auch bei den Festgeldern werden diese Unterschiede deutlich: Festgeld mit zwei Jahren Laufzeit bringt bei bundesweit aktiven Banken im Schnitt aktuell 2,96 Prozent. Im Jahresvergleich haben sich die Zinsen somit fast vervierfacht. Anfang August 2022 lagen sie noch bei 0,82 Prozent. Mit 2,20 Prozent bei den Sparkassen und 2,27 Prozent bei den örtlichen Genossenschaftsbanken fallen die Durchschnittszinsen der regionalen Kreditinstitute auch beim zweijährigen Festgeld spürbar niedriger aus.

Inverse Zinskurve: Ist die Rallye bald vorbei?

Im Marktsegment der bundesweit verfügbaren Angebote werden langfristige Festgelder mit fünf Jahren Laufzeit im Schnitt aktuell mit 2,89 Prozent verzinst – und damit niedriger als Festgelder mit einer nur zweijährigen Laufzeit. Wenn die langfristigen Zinsen niedriger ausfallen als die Zinsen für kürzer laufende Anlagen, spricht man von einer inversen Zinskurve. Sie könnte signalisieren, dass der Zenit des Zinsanstiegs womöglich bald erreicht ist.

„Wenn die Banken für langfristige Anlagen kaum noch Zinsaufschläge bieten, ist das ein Indiz dafür, dass sie mittelfristig von einem Abflauen der Zins-Rallye ausgehen“, sagt Oliver Maier. „Vor allem bei den mittel- und langfristigen Festgeldanlagen dürften sich die Zinsen nach unserer Einschätzung in nächster Zeit auf hohem Niveau stabilisieren. Bei kurzfristigen Festgeldern und auch beim Tagesgeld ist das Ende der Fahnenstange hingegen noch nicht erreicht und die Zinsen dürften in nächster Zeit weiter steigen.“

Top-Tagesgeld bringt über 300 Euro mehr Zinsen 

Aktuell bieten deutsche Banken bis zu 3,5 Prozent Zinsen auf dem Tagesgeldkonto. Wer 10.000 Euro zu diesen Konditionen ein Jahr lang anlegt, darf sich über Zinseinnahmen von 350 Euro freuen – 314 Euro mehr als bei einer Anlage zum aktuellen Durchschnittszins der Sparkassen und Volksbanken. 

„Auch für Bankkundinnen und -kunden mit einem Sparbuch kann der Umstieg auf ein gutverzinstes Tagesgeldkonto eine sinnvolle Option sein“, rät Oliver Maier. Laut Zahlen der Bundesbank haben die deutschen Privathaushalte derzeit insgesamt rund 460 Milliarden Euro auf Sparkonten mit dreimonatiger Kündigungsfrist (zum Beispiel Sparbüchern) deponiert und erhalten dafür im Schnitt nur 0,39 Prozent Zinsen. Wer 10.000 Euro von einem Sparbuch mit dieser Verzinsung auf ein Tagesgeldkonto mit Top-Konditionen umschichtet, kann aufs Jahr 311 Euro mehr Zinsen einstreichen.

Methodik

Für die Zinsanalysen hat Verivox die Konditionen von rund 800 Banken und Sparkassen für eine Anlagesumme von 10.000 Euro ausgewertet. Berücksichtigt wurden sämtliche Kreditinstitute mit Tages- und Festgeldangeboten, die ihre Zinsen frei zugänglich auf ihrer Website veröffentlichen – darunter befanden sich 738 mit mindestens einem Tagesgeldangebot.

Für die Nullzinsauswertung wurden die Zinssätze auf die zweite Nachkommastelle gerundet. Banken mit einem Tagesgeldzins von 0,001 Prozent wurden also den Instituten mit Nullzins zugerechnet. Einige Banken veröffentlichen ihre Zinsen nicht online – darunter möglicherweise auch weitere mit Nullzinsen. 

Im regionalen Sektor wird zwischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken unterschieden. In beiden Institutsgruppen gibt es einzelne Häuser, die ihre Sparprodukte deutschlandweit anbieten und deshalb den bundesweit verfügbaren Angeboten zugeordnet wurden. Stichtag der Auswertungen ist der 20.7.2023.