Immobilienmarkt: Abreißen ist die schlechteste aller Klimaoptionen

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Vor dem Hintergrund der grünen Transformation im Gebäudesektor steigen die Anforderungen an Immobilien. Viele ältere Bestandsgebäude können auf den ersten Blick ökologisch nicht mehr mithalten – und werden Opfer des Abrisses. Doch Klima und Umwelt wird dabei deutlich mehr geschadet als gedacht. Welche Alternativen gibt es?

Ein Beitrag von Gastautor: Hendrik Richter, Geschäftsführer bei ohne-makler.net

Hendrik Richter, Geschäftsführer, ohne-makler.net © Nina Witte

Der kompromisslose Abriss eines 370 Jahre alten Reetdachhauses auf der Nordseeinsel Sylt, sorgte bundesweit Ende 2022 für Aufreger. Der illegale Abbruch des Gasthauses war nicht nur mit einer 30.000 Euro-Geldstrafe für den Bauherrn verbunden. Die breite Empörung erstreckte sich weit über das Urlaubsparadies hinaus.

Auch das geplante Ende eines größeren Wohnblocks im sächsischen Riesa, der gerade für die stark steigende Zahl von Asylsuchenden in Sachsen eine neue Heimat auf Zeit hätte abgeben können, soll ebenfalls verschwinden.

Angesichts der immens steigenden Auflagen und Erwartungen an die Klimaeffizienz von Immobilien lassen Behörden und private Immobilienbesitzer schneller die Abrissbirne schwingen. Statt auf eine zeitaufwendige und preislich nicht immer leicht zu kalkulierende energetische Kernsanierung einer Bestandsimmobilie, setzen sie lieber auf Neubau.

Viele ältere Gebäude auf dem Land und in den neuen Ländern

Der vergleichsweise alte Immobilienbestand, gerade in Mittelstädten und im ländlichen Raum spielt ihnen dabei in die Karten. Laut einer Analyse der Immobilienplattform CHECK24 aus dem Jahr 2019 sind Immobilien im Durchschnitt aller Bundesländer 36 Jahre alt. Auch der Neubauboom der vergangenen Jahre bis zur Zinswende, hat daran nichts geändert. Die Regel gilt: Je älter das Gebäude, desto schlechter ist meistens auch der energetische Zustand.

55 Prozent des gesamten Abfalls ist Abrissschutt

Doch eine Tatsache wird dabei bislang verschwiegen oder zumindest übersehen: Ein zu intensiv betriebener Abriss verschärft nicht nur die Probleme am Miet- und Wohnungsmarkt und kostet Milliarden. Er belastet auch das Klima massiv.

Bei den aktuell mehr als 14.000 Abrissen von Gebäuden in Deutschland fallen jährlich 230 Millionen Tonnen Schutt an – das sind 55 Prozent des gesamten Abfalls in Deutschland. Dadurch entstehen riesige Mengen an Staub und Feinstaub, ferner waren im zerstörten Stahl oder Beton auch immense Mengen an Kohlendioxid „verbaut“. Experten schätzen die Kosten, die pro Quadratmeter durch Abbrüche entstehen, auf bis zu 185 Euro. Doch die externen ökologischen Kosten, etwa durch die Abgabe der Lastwagen, die den Schutt von den Abrissstellen wegtransportieren, sind dort noch gar nicht einkalkuliert.

Übergreifende Initiative fordert vehement und berechtigterweise ein „Abrissmoratorium“

Als konkrete Maßnahmen sollte vor dem Abbruch stets das Nutzungspotential eines Objektes geprüft werden. Kann beispielsweise eine Fabrikhalle in Wohnkomplexe umgewandelt werden, bevor es zum Abbruch kommt?
Auch sollte das Kosten/Nutzenverhältnis gewissenhaft vor Abrissen geprüft werden: Bauherren und Eigentümer müssen sich hier fragen, ob sich vermeintlich hohe Kosten für energetische Sanierungen durch Förderungen auffangen lassen oder ob das Abreißen unvermeidbar ist. Kommt es schließlich dazu, sollte sämtliches Material, das beim Abriss verwendet wird, recycelt und wiederverwendet werden.

Heißt im Fazit: Zu wenige Bestandsimmobilien werden auf ihr Potenzial hin untersucht. Wir sollten kritisch die Standards hinterfragen, die wir an Bestandsgebäude stellen: Unerreichbare Messlatten für ältere Gebäude, die nicht erreicht werden, können nicht das Ziel sein. Wir müssen ressourcenschonender mit den begrenzten Baumaterialien wirtschaften.

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