Bain-Studie: Versicherte wünschen sich mehr Hilfe um Risiken zu vermeiden

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Die Erwartungen an Versicherungen ändern sich. Insbesondere die stark umworbenen Millennials, Familien, in Städten Lebende sowie Vermögende sehen Versicherungen nicht mehr nur in der Rolle als Schadenregulierer, sondern auch als Ansprechpartner für alle Themen rund um die Vermeidung und Verringerung von Risiken.

Dies stellt die internationale Unternehmensberatung Bain & Company in ihrer Studie „Customer Behavior and Loyalty in Insurance: Global Edition 2023“ fest, für die mehr als 28.000 Versicherte in 14 Ländern befragt wurden, darunter gut 1.000 in Deutschland. Darüber hinaus wird aufgezeigt, welche Chancen und Herausforderungen sich daraus für die Branche ergeben.

Einmalige Chance zur Neupositionierung

„Versicherungsunternehmen haben in den 2020er-Jahren die einmalige Chance, ihr Geschäftsmodell zu erweitern und sich neu zu positionieren“, erklärt Bain-Partnerin und Branchenexpertin Mareike Steingröver. „Weltweit sind Menschen bestrebt, bestehende Risiken für ihre Gesundheit sowie für ihr finanzielles, immobiles und mobiles Vermögen so weit wie möglich zu verringern.“

Im Rahmen der Bain-Studie geben in den meisten Ländern mehr als 60 Prozent der Befragten an, hierfür an entsprechenden Zusatzservices ihrer Assekuranz interessiert zu sein. In manchen Märkten wie Brasilien sind es sogar bis zu 90 Prozent. Selbst im traditionell eher zurückhaltenden Deutschland ist das Interesse groß. Gut 60 Prozent der Kfz-Versicherten würden zusätzliche Services begrüßen, noch mehr sind es, wenn es um Versicherungen rund ums Wohnen und die Gesundheit geht.

Dabei haben die Befragten hierzulande klare Vorstellungen, welche Services ihnen einen Mehrwert bringen würden. Kfz-Versicherte wünschen sich vor allem Belohnungen für sicheres Fahren, Inspektionen vor dem Kauf eines Gebrauchtwagens sowie Warnhinweise im Falle eines Fahrzeugschadens oder Diebstahls des geparkten Autos. Im Bereich Immobilien steht die Warnung vor etwaigen Schäden am Eigenheim besonders hoch im Kurs, gefolgt von umfassenden Beratungsleistungen, was das Thema Energieeffizienz anbelangt. Bei Krankenversicherten dominiert der Wunsch nach Unterstützung bei der Ärztewahl und der Vereinbarung eines Termins.

Hohe Bereitschaft zur Datenherausgabe

Bislang tun sich die Versicherungen allerdings schwer, die Erwartungen ihrer Kundschaft zu erfüllen. In der Folge geben gerade einmal knapp 3 Prozent der Deutschen an, solche Services bereits zu nutzen. Auch in anderen Ländern bewegt sich der Nutzungsgrad im einstelligen Prozentbereich. Dabei wären immerhin 62 Prozent der Befragten hierzulande bereit, Daten mit ihrer Versicherung zu teilen und so die Basis für zusätzliche digitale Services zu legen. „Wir stehen am Anfang eines tiefgreifenden Wandels“, stellt Dr. Tanja Brettel, Practice Executive Vice President Finanzdienstleistungen bei Bain und Co-Autorin der Studie, fest.

„Die Versicherungsunternehmen müssen mit Blick auf die bestehende Konkurrenz etwa durch Technologieanbieter sehr genau überlegen, in welchen Bereichen sie einen spürbaren Mehrwert für Kunden schaffen können.“ Allzu viel Zeit sollten sie sich damit indes nicht mehr lassen. „Der Markt für Services, mit denen Risiken vermieden und verringert werden können, wird jetzt verteilt“, betont Brettel. „Gebot der Stunde ist deshalb, möglichst schnell Pilotprojekte aufzusetzen und mit gezielten Angeboten für spezifische Kundensegmente die Chancen auszutesten.“

Digitale Schwächen ausmerzen

Eine zentrale Rolle in diesem Zukunftsmarkt spielen digitale Technologien, sei es in Form intelligenter Devices zum besseren Schutz von Immobilien oder für die Dokumentation des Fahrverhaltens oder sei es in Form von Apps für eine leichtere Terminvereinbarung mit Ärzten. Diese einzubinden wird Versicherungsunternehmen vor neue Herausforderungen stellen, zumal es auch bei der laufenden Digitalisierung noch Defizite gibt.

Dies offenbart das Benchmarkingtools NPS Prism® von Bain, mit dem regelmäßig Kundenerfahrungen und -verhalten in der Versicherungsbranche in Deutschland sowie zahlreichen weiteren Ländern erfasst werden. Danach werden derzeit noch rund zwei Drittel der Interaktionen mit Versicherungen im persönlichen Gespräch in einem Vermittlerbüro oder telefonisch abgewickelt.

„Die Versicherungen müssen mit Hochdruck noch bestehende Schwächen in ihrem digitalen Angebot ausmerzen, damit die Kundinnen und Kunden wie gewünscht einfache Interaktionen selbstständig erledigen können“, so Branchenexpertin Steingröver. „Dadurch erhalten das eigene Personal sowie die Vermittlerinnen und Vermittler auch mehr Zeit, um im persönlichen Gespräch noch intensiver beraten und neue Services zur Risikovermeidung erläutern zu können.“