DAX-Pensionswerke: Ausfinanzierungsgrad auf neuem Höchststand

© Pavel Kubarkov – stock.adobe.com

Die Zinspolitik der Notenbanken hat die Pensionswerke der DAX-Unternehmen im Geschäftsjahr 2022 wesentlich beeinflusst. Aufgrund mehrerer Zinsanhebungen stieg der internationale Rechnungszins auf aktuell 3,74 Prozent (das höchste Niveau seit fast zehn Jahren). Der Umfang der Pensionsverpflichtungen war in den Geschäftsberichten daher mit 308 Mrd. Euro (-25,4 Prozent) wesentlich niedriger anzusetzen als im Vorjahr. Gleichzeitig sorgten Turbulenzen an den Aktien- und Anleihenmärkten dafür, dass die Pensionsvermögen spürbar sanken (auf 245 Mrd. Euro, -17,8 Prozent).

Hanne Borst, Leiterin Retirement Deutschland, Willis Towers Watson GmbH © Willis Towers Watson GmbH

Weil der Wertverlust der Pensionsvermögen aber geringer war als der Rückgang der Pensionsverpflichtungen, steigt damit der Ausfinanzierungsgrad – das Verhältnis von Pensionsvermögen zu Pensionsverpflichtungen – auf einen bislang noch nicht erreichten Höchststand von 80 Prozent. Dies übertrifft sogar den historischen Höchststand aus 2021 (72 Prozent). Zu diesen Ergebnissen kommt die Studie „DAX-Pensionswerke 2022“ der Unternehmensberatung WTW.

Das Jahr 2022 sei durch außergewöhnliche ökonomische Rahmenbedingungen geprägt gewesen: der Ukraine-Krieg, die Energiekrise, Rezessionsängste, der rasante Anstieg der Inflation, schnelle, starke Zinsanhebungen der Notenbanken, und eine große Volatilität an den Kapitalmärkten, so Hanne Borst, Leiterin Retirement Deutschland bei WTW.

Erfreulich sei, so Borst weiter, dass die Unternehmen ihre Pensionswerke dennoch so robust managen konnten, dass heute sogar vier Fünftel der Pensionsverpflichtungen mit spezifisch reserviertem Vermögen bedeckt seien. So hoch sei der Ausfinanzierungsgrad noch nie gewesen.

Dr. Johannes Heiniz, Leiter General Consulting, Willis Towers Watson GmbH © Willis Towers Watson GmbH

„Die Unternehmen werden das herausfordernde wirtschaftliche Umfeld und dessen Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung weiterhin engmaschig überwachen“, ergänzt ihr Kollege Dr. Johannes Heiniz, Leiter General Consulting bei WTW.

Es bleibe abzuwarten, wie die Notenbanken und die Kapitalmärkte künftig auf die immer noch erhöhte Inflation, die Rezessionsängste und die aktuellen Herausforderungen im Finanzsektor reagieren, erläutert Heiniz. Der Rechnungszins und die Kapitalmärkte werden seines Erachtens wohl auch im Jahr 2023 volatil bleiben. Er fügt hinzu:

Die Pensionswerke sind jedoch auch für volatile Kapitalmärkte robust aufgestellt.

Rentenzahlungen steigen aufgrund der Inflation

Die aufgelaufene Inflation im Jahr 2022 bedeutet für die DAX-Unternehmen jährliche Mehrbelastungen in den Rentenzahlungen von etwa 110 Mio. Euro. Grund ist, dass Betriebsrentenzahlungen regelmäßig anzupassen sind und für die Bemessung der Anpassungen meist der Anstieg der Verbraucherpreise einbezogen wird. Angesichts weiterhin hoher Inflationsraten kommen für das Jahr 2023 geschätzt weitere 400-500 Mio. Euro an Rentenanpassungen hinzu.

„Abgesehen von den Rentensteigerungen wirkt sich die aktuell hohe Inflation auf die Pensionsverpflichtungen insgesamt eher moderat aus, weil die Trendannahmen für die Entwicklungen von Renten und Gehältern langfristig gewählt sind“ berichtet Aktuarin Borst.

Typischerweise wird hier ein Zeithorizont von 15 Jahren zugrunde gelegt. Mittelfristig geht man von einem deutlichen Rückgang der Inflation aus. Daher wurden die Erwartungen für die künftigen Rentensteigerungen im Mittel lediglich um 40 Basispunkte auf 2,15 Prozent angehoben.

Zinsanstieg entlastet Pensionswerke

Deutlich stärker als die Inflation beeinflusse allerdings der Rechnungszins die Pensionsverpflichtungen, erläutert Borst. Grundsätzlich gilt: Steigt der Rechnungszins um 100 Basispunkte, sinken die Pensionsverpflichtungen um rund 12,2 Prozent (36,1 Mrd. Euro). Da der Rechnungszins im Verlaufe des Jahres 2022 durch signifikante Leitzinserhöhungen der Notenbanken auf 3,74 Prozent (Vorjahr: 1,20 Prozent) stieg, wurden die Pensionswerke buchhalterisch wesentlich entlastet.

Ausfinanzierungsgrad auf neuem Höchststand

In Summe stieg der spezifische Ausfinanzierungsgrad – das Verhältnis des spezifisch für die Bedeckung von Pensionsverpflichtung reservierten Vermögens zum gesamten Verpflichtungsumfang – auf einen historischen Höchststand von 80 Prozent. Unabhängig vom jeweiligen Ausfinanzierungsgrad sind die zukünftigen Renten wirtschaftlich in jedem Fall vollständig bedeckt, sei es durch spezifisches Pensionsvermögen oder durch Pensionsrückstellungen.

Bedeutung der bAV wächst weiter

Angesichts enger Arbeitsmärkte setzen viele Unternehmen noch stärker auf die betriebliche Altersversorgung (bAV) als bislang. „Unternehmen suchen händeringend nach Fachkräften und sind bereit, dafür einiges in die Waagschale zu werfen. Es ist davon auszugehen, dass sie ihren Mitarbeitenden noch stärker als bislang den Wert ihrer Betriebspensionen nahebringen, um die Bindung an das Unternehmen zu stärken“, so Heiniz.

Wie in den vergangenen Jahren haben auch 2022 viele DAX-Unternehmen die Finanzierungsbasis ihrer Pensionswerke – trotz der aktuellen wirtschaftlichen Turbulenzen – weiter ausgebaut. Insgesamt wurden den Pensionsvermögen 6,7 Mrd. Euro zugeführt (Vorjahr: 9,0 Mrd. Euro). Das sei ein deutliches Zeichen für die Bedeutung, welche die Unternehmen der betrieblichen Altersversorgung beimessen, schlussfolgert Borst.

Langfristige und nachhaltige Kapitalanlage

Seit einigen Jahren ist zudem zu beobachten, dass in den Pensionsanlagen sowohl ESG-Kriterien als auch alternative Investments stärker berücksichtigt werden.

„Pensionsanlagen werden für einen Zeithorizont von vielen Jahrzehnten aufgestellt. Mit diesem langfristigen Anlagehorizont kommen Pensionsanleger an einer klimaneutralen und nachhaltigen Kapitalanlage nicht vorbei“, betont Heiniz.

Breit diversifizierte Portfolien schnitten 2022 deutlich besser ab, da insbesondere alternative Anlageklassen weniger Wertverluste als Aktien oder Anleihen verzeichneten.

Hintergrundinformationen zur Studie

Die Studie „DAX-Pensionswerke 2022“ basiert auf den Geschäftsberichten der 40 DAX-Unternehmen, einschließlich der Anhangangaben zu den Pensionsverpflichtungen sowie weiterer öffentlich zugänglicher Daten. Per 21. März 2023 hatten 32 Indexmitglieder ihre Zahlen für das Geschäftsjahr 2022 vorgelegt. Bei acht Unternehmen, deren aktuelle Daten noch nicht veröffentlicht sind, hat WTW die Vorjahreswerte berücksichtigt und damit Hochrechnungen durchgeführt.

Die aktuellen Zahlen zum DAX 40 beziehen sich auf den Stand des Index zum 31.12.2022. Die dargestellten Vorjahreszahlen stellen die tatsächlichen Ist-Werte des DAX 40 zum 31.12.2021 dar. Die der Auswertung zugrunde liegende WTW-Datenbank ermöglicht Vergleiche bis ins Jahr 1999.

Bilder (2–3): © Willis Towers Watson GmbH