Auch nach vier Leitzinserhöhungen profitieren längst nicht alle Sparer von der Zinswende. Eine deutliche Mehrheit der Banken zahlt noch immer keine Zinsen für Guthaben auf dem Tagesgeldkonto. Von 626 ausgewerteten Banken und Sparkassen weisen 397 einen Tagesgeldzinssatz von 0,00 Prozent aus. Das zeigt eine aktuelle Analyse des Vergleichsportals Verivox. Zeitgleich nimmt der Wettbewerb an der Spitze des Marktes immer mehr Fahrt auf.
Knapp sechs Monate nach der ersten Zinserhöhung durch die Europäische Zentralbank (EZB) gehen Tagesgeldsparer immer noch bei rund zwei Dritteln aller Banken leer aus. Von 626 Kreditinstituten in der Verivox-Auswertung bieten 397 keine Verzinsung auf dem Tagesgeldkonto. „Es ist paradox – an der Spitze des Marktes überbieten sich die Banken im Wettbewerb um neue Kunden mit immer höheren Tagesgeldzinsen. Auf der anderen Seite zahlen viele Institute nach wie vor überhaupt keine Zinsen“, sagt Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH.
Die regionalen Kreditinstitute knausern besonders häufig beim Zins. Bei drei von vier (74 Prozent) örtlichen Sparkassen werfen Tagesgeldanlagen keine Zinserträge ab. Unter den genossenschaftlichen Kreditinstituten wie den lokalen Volks- und Raiffeisenbanken und den Sparda-Banken ist dieser Anteil etwas geringer.
Von den regionalen Genossenschaftsbanken zahlen 65 Prozent keine Tagesgeldzinsen. Bei den Banken mit einem bundesweit verfügbaren Tagesgeldangebot sind Nullzinsen seltener: Von ihnen bieten 15 Prozent ihren Kundinnen und Kunden keine Verzinsung.
Zinsen bundesweiter Angebote haben sich verzehnfacht
Auch beim durchschnittlichen Zins-Niveau klafft die Schere weit auseinander: Bei den bundesweit verfügbaren Tagesgeldangeboten steigen die Zinsen seit Monaten kontinuierlich an; aktuell liegt der Durchschnittszins bei 0,54 Prozent. Damit haben sich die Zinsen in diesem Marktsegment seit der ersten EZB-Leitzinserhöhung in etwa verzehnfacht. Noch Anfang August brachten bundesweite Tagesgeldangebote im Schnitt nur 0,05 Prozent Zinsen.
Der regionale Sektor hinkt dieser Entwicklung hinterher. „Zwar haben fast alle Geldhäuser ihre Negativzinsen nach dem Wegfall der EZB-Strafzinsen auf Bankeinlagen zügig abgeschafft, doch eine positive Verzinsung in nennenswerter Höhe bieten bislang nur wenige Regionalbanken“, sagt Oliver Maier. Sowohl bei den örtlichen Sparkassen (0,05 Prozent) als auch bei den genossenschaftlichen Kreditinstituten (0,06 Prozent) liegen die durchschnittlichen Zinsen nur knapp über der Nulllinie.
Deutsche Banken zahlen bis zu 1,25 Prozent aufs Tagesgeld
Wer Angebote vergleicht, kann sich deutlich höhere Erträge sichern: Top-Banken mit Sitz im europäischen Ausland zahlen bis zu 2,20 Prozent. EU-weit sind Guthaben bis 100.000 Euro pro Bank und Kunde durch die gesetzliche Einlagensicherung geschützt. Im Falle einer Bankenpleite würden Sparer aus dem Einlagensicherungsfonds des Mitgliedstaates entschädigt, in dem ihr Kreditinstitut seinen Sitz hat. Unter den deutschen Kreditinstituten bietet die Ford Bank mit 1,25 Prozent derzeit den höchsten Tagesgeldzins, der für Neu- und Bestandskunden gleichermaßen gilt. Bei diesen Konditionen bringen 10.000 Euro Anlagesumme Zinserträge von 125 Euro im Jahr.
Banken locken Neukunden mit Sonderkonditionen
„Bei steigenden Zinsen ist das Einlagengeschäft für Banken wieder attraktiv. Viele Institute locken neue Sparer deshalb mit Sonderkonditionen“, sagt Oliver Maier. Bei solchen Aktionsangeboten erhalten Neukunden, die ein Tagesgeldkonto eröffnen, für einige Monate einen Zinsaufschlag. Nach Ablauf der Frist wird das Guthaben dann zu den regulären Bestandskundenkonditionen weiter verzinst.
Das zinsstärkste Neukundenangebot macht aktuell die Consorsbank. Sie zahlt 2,1 Prozent aufs Tagesgeld und garantiert diesen Zinssatz für 6 Monate. Wer zusätzlich Wertpapiere über die Bank kauft oder einen Sparplan einrichtet, erhält den Aktionszins weitere 6 Monate. Bestandskunden bietet die Bank aktuell 0,3 Prozent Zinsen.
„Solche befristeten Aktionsangebote lohnen sich insbesondere für Sparer, die bereit sind, ihr Geld regelmäßig umzuschichten“, sagt Oliver Maier. „Sobald der Zinsaufschlag wegfällt, wechseln sie einfach zum nächsten Anbieter mit einem Neukunden-Sonderangebot.“
Methodik
Verivox recherchiert fortlaufend die ausgewiesenen Konditionen auf den Websites von rund 1.300 Banken und Sparkassen. In die aktuelle Analyse flossen sämtliche 626 Banken mit Tagesangeboten ein, die ihre Zinsen frei zugänglich online veröffentlichen. Ausgewertet wurden die Konditionen für 10.000 Euro Anlagesumme. Zinssätze wurden auf die zweite Nachkommastelle gerundet.
Banken mit einem Tagesgeldzinssatz von 0,001 Prozent wurden also den Instituten mit Nullzins zugerechnet. Im regionalen Sektor wird zwischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken unterschieden. In beiden Institutsgruppen gibt es einzelne Häuser, die ihr Tagesgeld deutschlandweit anbieten und deshalb den bundesweit verfügbaren Angeboten zugeordnet wurden. Stichtag der übrigen Auswertung ist der 17.01.2023.
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