Die Versicherungsbranche steht unter Effizienzdruck und muss ihre Produktwelt im Sinne der Kunden neu arrangieren. Zudem stehen angesichts seltener Kundenkontakte und tendenziell austauschbarer Produkte Customer Experience und digitale Mehrwerte im Vordergrund.
Um das bestehende Ökosystem entsprechend anzupassen, werden die Systeme verstärkt in Container migriert und in der Cloud betrieben – ob beim Hyperscaler oder im eigenen Keller. Auch eine weitere Automatisierung auf Basis von mit Künstlicher Intelligenz gesteuerten Prozessen wird die Abläufe in der Branche nachhaltig verändern.
Dr. Eike Schmidt, Chief Technology Officer der auf Software-Lösungen für die internationale Versicherungswirtschaft spezialisierten Adcubum AG, mahnt zur Eile und einer mutigen Adaption neuer Technologien. Andernfalls würden digitalaffine Newcomer die etablierten Unternehmen aus dem Markt drängen.
Versicherungsunternehmen unterliegen strengen Compliance-Regeln. Zeitgleich steige der Druck, die Effizienz- und Leistungsvorteile der Digitalisierung an die Kunden weiterzugeben, so der Adcubum CTO. Dies wirke sich auf die großen Technologie- und IT-Trends in diesem Jahr aus. Die Branche konzentriere sich deshalb darauf, mit Hilfe der Digitalisierung das bestehende Leistungsangebot anzureichern und ergänzend dazu Künstliche Intelligenz (KI) schrittweise einzuführen.
Schwierig dabei: "Das Business Model hinter der KI unterscheidet sich von der klassischen Software und ist für die Versicherungs-Industrie untypisch. In Bezug auf Regulatorik, Daten-Compliance und Fürsorgepflichten gibt es ein Spannungsfeld zwischen dem technisch Möglichen und Erlaubten beziehungsweise Sinnvollen", erklärt Schmidt.
Der bereits angestoßene Paradigmenwechsel von virtuellen Maschinen auf eine Container-basierte Software-Architektur werde sich auch 2023 fortsetzen. IT-Experte Schmidt geht davon aus, dass die Container- und Cloud-Technologie zunehmend in die Versicherungswelt drängen werde. Die Unternehmen setzen dabei jedoch lieber auf die Private oder Hybrid Cloud statt auf die Public Cloud.
IT wird das Zünglein an der Waage
Adcubum-Manager Schmidt zufolge laufen die etablierten Player der Versicherungs-Industrie Gefahr, von branchenfremden Unternehmen aus dem Markt gedrängt zu werden:
Es droht ein Verdrängungswettbewerb, denn viele IT-Unternehmen wollen den Versicherungsmarkt verändern.
Natürlich empöre sich die traditionsreiche Assekuranz darüber und wähne sich mit ihrer jahrelangen Erfahrung auf der sicheren Seite. Aber viele Branchen haben lernen müssen: Tradiertes Business-Wissen verliert im Kampf gegen Digitalisierungseffekte. Und die Versicherungsbranche hänge, so Schmidt, noch eine gute Dekade hinterher,.
Als Spezialist für die Risikobewertung habe die Versicherungsbranche neue Geschäftsmodelle oder Technologien bislang skeptisch bewertet. Diese Zurückhaltung könne nun zum Problem werden, so Eike Schmidt: «Wenn ein Newcomer den Markt aufmischen kann, bedeutet dies: Das Kerngeschäft ist etabliert, IT wird jetzt das Zünglein an der Waage.»
Unternehmen, bei denen die IT nur als technischer Dienstleister fungiert und nicht als strategisch wichtiger Bereich in der Geschäftsleitung verankert ist, würden daher künftig nicht mehr in der Lage sein, angemessen auf neue Anforderungen zu reagieren. Für die Versicherer sei es deshalb entscheidend, ihr bestehendes Geschäftsmodell schnell zu digitalisieren, um im nachfolgenden Schritt eine umfassende Automatisierung umzusetzen.
"Technologie ermöglicht es den Unternehmen, effizienter zu arbeiten, neue Dinge auszuprobieren und das Kerngeschäft um kreative Services zu erweitern. Dafür müssen sich die Unternehmen aber auch von überholten Legacy-Systemen verabschieden und sich trauen, alte Geschäftsmodelle neu zu denken", so Adcubum-CTO Eike
Themen:
LESEN SIE AUCH
InsurTechs: Zusammenarbeit statt Wettbewerb
InsurTechs können durch die gemeinsame Bewältigung von Herausforderungen und Ressourcenteilung Synergien nutzen und so insbesondere für kleinere Unternehmen Kosten senken. Mit ihrer Kooperation zeigen hepster und ELEMENT Insurance wie dies gelingen kann.
Hanseatische Tugenden im 21. Jahrhundert: Sinn oder Unsinn?
Der Versicherungsvertrieb ist seit jeher geprägt durch ein hohes Maß an Messbarkeit: Bestandsausschöpfungs-, Abschluss-, Terminquote und vieles mehr. Welchen Einfluss sollten Werte, Ethik oder Unternehmensphilosophie also (noch) für den Geschäftserfolg haben?
Wie digital ausgereift sind Versicherer im Jahr 2023?
Die Branche hat in den letzten Jahren bedeutende digitale Technologien eingeführt, doch wie steht es um die Versicherer im Branchenvergleich? Und wie gut sind sie darauf vorbereitet, die neuen Technologien rund um KI und Automatisierung in Angriff zu nehmen?
Cloud Push: So kollaborieren Versicherungen erfolgreich mit Start-ups
Ein neues Whitepaper gibt Einblicke in die transformative Kraft der Cloud und zeigt Handlungsoptionen für die Zusammenarbeit zwischen Versicherungen und Start-ups im Cloud-Umfeld auf. Chancen und Herausforderungen beim Einsatz von Cloud-Technologien werden aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Lebensversicherung: ZZR-Rückflüsse bringen Spielraum
Zinsanstieg, ZZR-Rückflüsse und demografischer Wandel verändern das Geschäftsmodell der Lebensversicherer grundlegend. Die Branche steht finanziell stabil da – doch das Neugeschäft bleibt unter Druck.
Wiederanlage im Bestand: Versicherer verschenken Milliardenpotenzial
In Zeiten stagnierender Neugeschäftszahlen und hoher Leistungsabfüsse rückt der Versicherungsbestand zunehmend in den Fokus strategischer Überlegungen. Das gilt insbesondere für die Lebensversicherung: Dort schlummern ungenutzte Chancen, die Erträge stabilisieren und die Kundenbindung stärken könnten – wenn Versicherer systematisch auf Wiederanlage setzen würden. Der Text erschien zuerst im expertenReport 05/2025.
#GKVTag – Pflegeversicherung unter Reformdruck: Stabilität durch Solidarität
Drei Jahrzehnte Pflegeversicherung – eine sozialpolitische Erfolgsgeschichte mit strukturellen Rissen. Seit ihrer Einführung garantiert sie die Absicherung pflegebedürftiger Menschen und setzt dabei auf das Zusammenspiel von Solidarität und Eigenverantwortung. Doch mit wachsender Zahl Anspruchsberechtigter, einem Ausgabenvolumen von inzwischen 65 Milliarden Euro und einem Beitragssatz von 3,6 Prozent (zuzüglich Kinderlosenzuschlag) gerät das System an seine finanziellen Grenzen.
„Fünf Tierseuchen gleichzeitig – Tierhalter geraten weiter unter Druck“
Mit einem neuen Höchstwert von 96 Millionen Euro Schadenaufwand blickt die Vereinigte Tierversicherung (VTV) auf das bislang teuerste Jahr ihrer Geschichte zurück. Der Großteil der Schäden entstand durch Tierseuchen – allen voran durch die Blauzungenkrankheit, die allein 30 Millionen Euro kostete. Diese betraf 2024 vor allem Wiederkäuer-Bestände in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Hessen. Die VTV ist Marktführer in der landwirtschaftlichen Tierversicherung und Teil der R+V Gruppe.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.