Zwei Drittel der gesetzlich krankenversicherten Bundesbürger wollen den Großteil ihrer Krankenkassen-Angelegenheiten zukünftig auf digitalem Wege regeln. Das sind acht Prozent mehr als noch 2018. Ganz auf den zwischenmenschlichen Kontakt zu ihrer Krankenkasse verzichten, wollen die meisten GKV-Versicherten aber nicht: Für 61 Prozent bleibt ein persönlicher Ansprechpartner weiterhin wichtig. Verstärkt gilt dies für die GKV-Mitglieder unter 30 Jahren. Insgesamt ist die digitale Affinität wenig altersabhängig. Vielmehr zeigen sich unterschiedliche digitale Einstellungstypen.
Dies zeigt die aktuelle Ausgabe des Techmonitor GKV des Marktforschungs- und Beratungsinstituts HEUTE UND MORGEN aus Köln. 1.500 gesetzlich krankenversicherte Bundesbürger ab 18 Jahren mit Zugang zum Internet wurden ausführlich zu ihren digitalen Kontaktpunkten mit ihrer Krankenkasse sowie zu ihren präferierten Kontaktkanälen befragt. Im Fokus der aktuellen Studie steht zudem das Thema Telemedizin
Jeder Vierte wünscht zusätzliche Digitalangebote
Generell zeigt sich: Jeder zweite GKV-Versicherte steht der fortschreitenden Digitalisierung in der GKV ausdrücklich aufgeschlossen und positiv gegenüber. Jeder Vierte fordert sogar eine Ausweitung der bestehenden Digitalangebote seiner Krankenkasse.
Gewünscht werden dabei vor allem Service-Apps, die zentrale Service- und Kommunikationsbereiche miteinander verknüpfen und vereinfachen. 12 Prozent der gesetzlich krankenversicherten Bundesbürger stehen der Digitalisierung in der GKV hingegen explizit ablehnend gegenüber. Weitere 34 Prozent zeigen sich hierzu verhalten. Insgesamt wurden unter den GKV-Mitgliedern vier verschiedene „Digitalisierungstypen“ identifiziert: Digital Fordernde (24 Prozent), Digital Selbständige (25 Prozent), Digital Verhaltene (34 Prozent) und Digitale Ablehner (12 Prozent).
SBK ist Vorreiter in puncto digitaler Kontaktstärke
Digital besonders kontaktstark zeigt sich – gemessen an der digitalen Kontakthäufigkeit auf Basis der eigenen Mitglieder – aktuell insbesondere die Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK), gefolgt von AOK PLUS, Techniker Krankenkasse (TK), Barmer und hkk Krankenkasse. Krankenkassen, die bisher eher wenige digitale Kontakte zu ihren Mitgliedern realisieren, sind beispielsweise IKK classic und Knappschaft. Demzufolge sprechen diese Krankenkassen aktuell stärker die Kundentypen „Digital Verhaltene“ und „Digitale Ablehner“ an.
Digitale Sichtbarkeit und Erreichbarkeit ist ein wichtiger Treiber der Kundenzufriedenheit – reine Digitalstrategien führen in der Kundenbeziehung aber in die Sackgasse Übergreifend zeigen die Ergebnisse des aktuellen «Techmonitor GKV» einen signifikant positiven Zusammenhang zwischen der Anzahl der digitalen Kontakte der GKV-Versicherten zu ihrer Krankenkasse und der Kundenzufriedenheit.
Kurz: Digitale Sichtbarkeit und Erreichbarkeit ist mittlerweile ein zentraler Treiber der Kundenzufriedenheit in der GKV. Aus „Nice-to-have“ wird schrittweise ein „Must-have“. Zugleich zeigen die Ergebnisse aber auch: Rein digitale Strategien der Krankenkassen in der Gestaltung der Beziehungen und der Kommunikation zielen am Bedarf und den Wünschen der meisten GKV-Versicherten vorbei – und bleiben auf absehbare Zeit zum Scheitern verurteilt.
In der Einzelbewertung der digitalen Angebote der Krankenkassen schneiden medizinische und gesundheitsfördernde Apps aktuell am besten ab. Online-Mitgliederbereiche und die Homepages der GKVen werden hingegen nur eingeschränkt positiv bewertet. Insbesondere Interessenten (= bisherige Nicht-Mitglieder) fühlen sich vom Informationsangebot der GKV-Homepages nicht gut abgeholt.
Verschiedene Anlässe erfordern unterschiedliche Kanäle
Mit Blick auf die Zukunft zeigen sich unter den GKV-Versicherten je nach Kontaktanliegen zudem deutliche Unterschiede in der Präferenz der Kontaktkanäle: Fordert man beispielsweise Unterlagen und generelle Informationen an, sind E-Mail und Post die favorisierten Kanäle. Rückfragen werden am liebsten per E-Mail oder telefonisch gestellt. Geht es darum, Rechnungen oder andere Unterlagen einzureichen, ist heute schon die App das favorisierte Medium – hier mit Ausnahme der der über 60-Jährigen.
Im Ganzen zeigen sich zwischen den unterschiedlichen Altersgruppen –entgegen mancher Vorurteile – aber nur geringe Unterschiede in den anlassbezogenen Kontaktkanal-Präferenzen. Deutlich stärker sind diese zwischen den überwiegend altersunabhängigen GKV-Digitalisierungstypen ausgeprägt.
„Bestehende wie zukünftige digitale Angebote der Krankenkassen müssen einerseits noch attraktiver und auch stärker miteinander verbunden werden. Zugleich gilt es, diese sorgfältig in ein ausbalanciertes Gesamtkonzept der Kundenbeziehungen einzubetten“, sagt Axel Stempel, Geschäftsführer bei HEUTE UND MORGEN. Er hält fest:
Klassische Kontaktwege, und insbesondere die persönliche Kontaktaufnahme, dürfen dabei nicht grundlegend erschwert oder versperrt werden.
Seines Erachtens greifen rein interne Nutzen- und Effizienzüberlegungen ohne Kundenfokus generell zu kurz – und erhöhen im Wettbewerb letztlich auch die Gefahr von Anbieterwechseln.
Telemedizin bleibt in Deutschland ein Stiefkind
Im Bereich der Telemedizin (Online-Sprechstunde) zeigen sich ein hohes Informationsdefizit und bisher auch erst marginale Nutzungszahlen: 82 Prozent aller GKV-Mitglieder wissen bisher nicht, ob ihre eigene Krankenkasse Telemedizin-Services anbietet beziehungsweise unterstützt.
Auch daher kaum verwunderlich: Tatsächlich genutzt wurden Telemedizin-Angebote von den GKV-Versicherten bisher erst in sehr geringem Umfang (2 Prozent). Grundsätzlich können sich aber 39 Prozent aller GKV-Versicherten eine Online-Sprechstunde beim Arzt vorstellen; die Altersgruppe der 30-39-Jährigen sogar zu 50 Prozent. Top 3 der möglichen konkreten Anlässe für Telemedizin-Angebote sind aus Sicht der GKV-Versicherten dabei: Rezepte ausstellen und zuschicken lassen (80 Prozent), Nachbesprechungen zum Abschluss von Behandlungen (69 Prozent) sowie der Kontakt zum eigenen Arzt bei Auslandsaufenthalten (64 Prozent).
Trotz der Corona-Zeit habe sich im Bereich der Telemedizin hierzulande nur wenig bewegt, so André Petras, Studienleiter bei HEUTE UND MORGEN. Nach wie vor scheine es an überzeugenden Konzepten zu fehlen, die für Patienten wie Ärzte (insbesondere Hausärzte) gleichermaßen attraktiv seien und im Alltag echte Mehrwerte schaffen. Oft bleibe der praktische Nutzen und Fortschritt noch unklar oder auf kleine Nischenfelder beschränkt.
Eine grundsätzliche Aufgeschlossenheit für Telemedizin-Angebote ist unter vielen GKV-Mitgliedern aber vorhanden.
Weitere Studieninformationen und Studienbestellung
Die komplette über 100-seitige aktuelle Ausgabe des «Techmonitor GKV» kann direkt über HEUTE UND MORGEN bezogen werden (kostenpflichtig). Die Studie enthält umfangreiche weitere Ergebnisse und Analysen zu einzelnen digitalen und personalen Kontaktwegen und Kontaktpräferenzen, zu den digitalen Kontaktstärken und Digitalprofilen von 13 einzelnen GKVen sowie zur Differenzierung verschiedener Kundensegmente und Digitalisierungstypen.
Für folgende GKVen liegen spezifische Einzelprofile zu ihren digitalen Kontaktstärken sowie zu den digitalen Kontaktfrequenzen und Kontaktpräferenzen ihrer Mitglieder vor (alphabetisch): AOK Baden-Württemberg, AOK Bayern, AOK Niedersachsen, AOK Plus, Barmer, DAK Gesundheit, hkk Krankenkasse, IKK classic, KKH Kaufmännische Krankenkasse, Knappschaft, SBK und Techniker Krankenkasse.
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Hohes Interesse an Krankenzusatzversicherungen
Nahezu analoge Beitragsentwicklung in GKV und PKV
Die Prämienbelastung je PKV- Versicherten stieg von 2004 bis 2024 durchschnittlich um 2,8 Prozent pro Jahr zu. Dieser Wert liegt unter dem Anstieg der Beitragsbelastung in der GKV von jährlich 3,2 Prozent. Im Zehnjahreszeitraum unterscheiden sich die Beitragssätze nur noch um 0,1 Prozentpunkte.
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