Lebenshaltungskosten bremsen Investitionsneigung

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Eine*r von fünf (18 Prozent) Privatanleger*innen reduziert den investierten Betrag, um die Kosten für steigende Haushaltsrechnungen zu decken. Dennoch scheint die Stimmung für das vierte Quartal optimistischer zu sein, so der jüngste Retail Investor Report von der Social-Investing-Plattform eToro.

Die vierteljährliche Umfrage unter 10.000 Privatanleger*innen in 13 Ländern, verteilt auf drei Kontinenten, darunter 1.000 deutsche Investor*innen, ergab, dass zwei von fünf (41 Prozent) der weltweit Befragten in den letzten drei Monaten ihren Geldbetrag für Investitionen reduziert haben. Dies spiegelt sich in einem Rückgang des Vertrauens der Privatanleger*innen wider: In den letzten zwölf Monaten ist es um 17 Punkte von 81 Prozent im dritten Quartal 2021 auf 64 Prozent  im dritten Quartal dieses Jahres gesunken.

Deutsche investieren weniger wegen hoher Haushaltsrechnungen 

Weltweit schränkt jede*r fünfte Privatanleger*in (18 Prozent) Investitionen ein, um steigende Haushaltsrechnungen zu bezahlen; in Deutschland tun dies sogar über 23 Prozent. 16 Prozent tun dies, um Notgroschen anzusparen, gegenüber 20 Prozent der deutschen Umfrageteilnehmer*innen. 12 Prozent der weltweit Befragten gaben an, Bargeld zurückzuhalten, um zu investieren, sobald sich die Märkte erholen. Dies gilt ebenfalls für knapp 13 Prozent der Deutschen.

Trotz der sich verschlechternden Marktbedingungen, die sich auf das Vertrauen auswirken, wird erwartet, dass die Zahl derjenigen, die ihre Investitionen im vierten Quartal reduzieren wollen, auf 31 Prozent zurückgeht. Dies gilt für 37 Prozent der deutschen Befragten. 69 Prozent der weltweiten Umfrageteilnehmer*innen, und fast 63 Prozent der deutschen Anleger*innen, planen, in den nächsten drei Monaten gleich viel oder mehr Geld zu investieren – ein Hinweis darauf, dass sie das vierte Quartal weniger pessimistisch sehen.

Privatanleger*innen seien mit einem Mix aus schwierigen Marktbedingungen, steigenden Rechnungen und höheren Hypothekenzinsen konfrontiert, so dass es kein Wunder sei, dass viele ihre Prioritäten geändert haben, kommentiert Ben Laidler, Global Market Strategist bei eToro.

Es sei nicht überraschend, dass das Vertrauen im letzten Jahr einen Rückschlag erlitten habe, aber es sei bewundernswert, dass die Mehrheit positiv bleibe, was für die Widerstandsfähigkeit dieser Gruppe spreche, so Laidler weiter.

Der Strategist weiß: der Rückgang des Anlegervertrauens könne auch einen Silberstreif am Horizont bedeuten. Denn er könne ein wichtiger Kontraindikator sein, der oft signalisiere, dass man sich einem Markttief nähere. Wenn das Vertrauen bereits sehr niedrig sei, werden die Anleger*innen weniger von weiteren schlechten Nachrichten überrascht, und selbst eine kleine gute Nachricht könne das Marktinteresse wieder ankurbeln.

Angst vor Inflation, dem Zustand der Weltwirtschaft und internationalen Konflikte

Die Inflation bleibt das zweite Quartal in Folge die größte Sorge der Privatanleger*innen: 24 Prozent nannten sie als Hauptrisiko für ihre Portfolios, gefolgt von der Lage der Weltwirtschaft (22 Prozent). Bei den deutschen Befragten sehen 31 Prozent die Inflation als größtes externes Risiko, gefolgt vom Zustand der Weltwirtschaft und internationalen Konflikten an  zweiter (20 Prozent) beziehungsweise dritter Stelle (16 Prozent).

Angesichts dieser Risiken gehen viele Anleger*innen weltweit zu einer defensiven Haltung über: Die Zahl unter ihnen, die Bargeld halten, stieg innerhalb eines Jahres von 26 Prozent  auf 46 Prozent. Im Gegensatz dazu ist die Zahl der weltweiten Anleger*innen, die Energietitel halten, die traditionell eine Absicherung gegen die Inflation darstellen, dürfte in den nächsten drei Monaten um 4 Prozent auf 51 Prozent steigen.

Der Anteil der Privatanleger*innen, die ihr Geld in den Finanzdienstleistungs- und den Industriesektor, beide typischerweise zyklisch und nicht defensiv, investiert haben, wird dagegen von 65 Prozent auf 57 Prozent bzw. von 45 Prozent auf 41 Prozent zurückgehen.

Mehrheit der Befragten legt langfristig an

Die Daten zeigen auch, dass die Mehrheit der Privatanleger*innen langfristig denkt: Zwei Drittel (63 Prozent) wollen eine einzelne Anlage über Jahre oder Jahrzehnte halten, während nur 3 Prozent sich als Daytrader bezeichnen.

Ein vergleichbar ähnliches Bild zeigt sich auch unter den deutschen Umfrageteilnehmer*innen. Ein Drittel der Befragten gibt zudem an, dass ihr Hauptziel bei der Geldanlage die langfristige finanzielle Sicherheit ist. Bei deutschen Anleger*innen ist Altersvorsorge mit fast 46 Prozent das primäre Ziel.

Eine langfristige Perspektive beizubehalten, sei ein großer Vorteil auf volatilen Märkten und könnte den Befragten einen Vorteil gegenüber institutionellen Anleger*innen verschaffen, berichtet Laidler. Es zeige sich auch ein ganz anderes Bild als das oft von Privatanleger*innen gezeichnete, nämlich der FOMO-getriebene Spekulant*innen oder der dummen Privatanleger*innen, die hoch kaufen und niedrig verkaufen.

Die explosionsartige Zunahme von Privatanleger*innen im Jahr 2021 habe den Status dieses immer größer werdenden Teils des Marktes verändert. Dennoch halte sich der hartnäckige Irrglaube, dass Kleinanleger*innen kurzfristige Daytrader sind, die die Märkte nicht verstehen. Das sei eindeutig nicht der Fall, so Laidler weiter, denn die meisten halten jahrelang an ihren Vermögenswerten fest und reagieren bei Bedarf auf die Marktbedingungen, indem sie ihre Portfolios anpassen.