Ein am 1. April 2022 veröffentlichtes Gutachten des IGES-Instituts zeigt, dass wesentlich mehr Behandlungen, die bisher im Krankenhaus erbracht wurden, auch ambulant möglich wären. Beauftragt wurde das umfangreiche Gutachten über das Ambulante Operieren im Krankenhaus (AOP) durch den GKV-Spitzenverband, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV).
Bereits heute erfolgen Leistungen aus dem sogenannten AOP-Katalog, sowohl ambulant als auch stationär. Nach Aussagen der Gutachter könnten die aktuellen Leistungen des AOP-Katalogs um fast 90 Prozent erweitert werden. Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband erklärt:
Die aktuell möglichen ambulanten Operationen könnten um fast 2.500 verschiedene Leistungen
ausgeweitet werden. Das entspräche 90 Prozent des bisherigen Leistungsumfangs.
Damit belege das IGES-Gutachten wie groß und dringend der Ambulantisierungsbedarf in Deutschland sei, so Stoff-Ahnis weiter. Das Gutachten stelle eine wertvolle Vorarbeit für die Erweiterung des AOP-Katalogs dar. Nur so können unnötige stationäre Krankenhausaufenthalte und die damit verbundenen Risiken für die Patientinnen und Patienten vermieden werden. Auch die Krankenhäuser, die Ärzteschaft und das Pflegepersonal werden dadurch entlastet, schließt die Vorständing des GKV-Spitzenverbands.
Der GKV-Spitzenverband werde sich in den Beratungen mit der KBV und DKG für eine substanzielle Erweiterung des AOP-Katalogs einsetzen. Ziel sei es, dass die Ambulantisierung in Deutschland Fahrt aufnehme. Das sei ein wichtiges Signal an die Politik, so Stoff-Ahnis.
Die Gutachtenergebnisse werden nun von DKG, KBV und dem GKV-Spitzenverband beraten. Erst nach der inhaltlichen Prüfung kann entschieden werden, welche Leistungen wann und unter welchen Voraussetzungen in den AOP-Katalog aufgenommen werden können.
Kernergebnisse des Gutachtens
Die Gutachter schlagen 2.476 Leistungen im Bereich der ambulanten Operationen und stationsersetzenden Eingriffe auf Basis des Katalogs der verschiedenen Operations- und Prozedurenschlüssel, den sogenannten OPS-Codes, vor. Mit diesen fast 2.500 zusätzlichen Leistungen würde der AOP-Katalog (Stand 2019) in einem Schlag um 86 Prozent erweitert.
Neu geschaffen wurde der Bereich der stationsersetzenden (zum Beispiel konservativen) Behandlungen. Hier empfiehlt das Gutachten, 65 Fallpauschalen (DRGs) in den AOP-Katalog aufzunehmen. Dazu gehören unter anderem strahlentherapeutische DRGs und DRGs im Bereich der nicht-komplexen konservativen Tumorbehandlungen. Für 108 OPS-Kodes aus dem bestehenden Katalog wird empfohlen, gezielt eine Herausnahme aus dem AOP-Katalog zu prüfen.
Die Empfehlungen basieren auf einer Potenzialanalyse von stationsersetzenden Leistungen der Krankenhäuser, die grundsätzlich in einem ambulanten Versorgungssetting durchgeführt werden können. Ergänzt werden die Vorschläge mit einem System fallindividueller Kontextprüfungen. Eine solche Kontextprüfung soll regelhaft auf Basis routinemäßig erhobener Daten umgesetzt werden und das Streitpotential in der Abrechnungsprüfung reduzieren.
Die vorgeschlagenen Kontextfaktoren berücksichtigen sowohl patientenbezogene Merkmale, zum Beispiel Nebendiagnosen, Pflegegrad und Behinderungsgrad, als auch leistungsbezogene Merkmale, zum Beispiel Beatmung, OP-Komplexität und stationärer Behandlungskontext. Zum einen schlägt das Gutachten vor, dass die Merkmale eine stationäre Durchführung von Leistungen rechtfertigen können. Zum anderen können die Merkmale aus Sicht des Gutachtens teilweise als Grundlage für eine Schweregraddifferenzierung in der Vergütung herangezogen werden.
Zum Hintergrund
Mit Inkrafttreten des MDK-Reformgesetzes (2020) erhielten der GKV-Spitzenverband, die DKG und die KBV den Auftrag, den AOP-Katalog substanziell zu erweitern, sowie eine einheitliche Vergütung für Krankenhäuser und Vertragsärzte zu vereinbaren. Grundlage der Katalogerweiterung war ein gemeinsames Gutachten, ausgehend vom aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse. Der Auftrag wurde am 9. Dezember 2020 an das IGES Institut vergeben. In dem nun vorliegenden Gutachten sind ambulant durchführbare Operationen, stationsersetzende Eingriffe und stationsersetzende Behandlungen konkret benannt sowie Maßnahmen zur Fall-Differenzierung nach dem Schweregrad analysiert
Themen:
LESEN SIE AUCH
136 Krankenhäuser im ländlichen Raum werden durch die Krankenkassen gefördert
Bedarfsnotwendige Landkrankenhäuser werden durch GKV und PKV mit eine, finanziellen Zuschlag gefördert, um die stationäre Versorgung der Bevölkerung wohnortnah zu sichern. 2024 erhalten 136 Krankenhäuser eine pauschale Förderung von insgesamt 67,2 Mio. Euro.
Pandemie beeinträchtigt Gesundheitsförderung
DRG ermöglicht Doppelfinanzierung der Pflegepersonalkosten
Krankenhausentgeltkatalog 2022 für Psychiatrie und Psychosomatik beschlossen
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Recyclingbranche unter Feuer: Warum Entsorger kaum noch Versicherungsschutz finden
Brände in Recyclinganlagen nehmen wieder zu – und mit ihnen die Prämien. Für Vermittler stellt sich die Frage: Wer bietet überhaupt noch tragfähigen Versicherungsschutz für diese Hochrisiko-Branche? Die Hübener Versicherung bleibt eine der letzten Adressen mit Branchenspezialisierung.
Insolvenzverfahren bei ELEMENT Insurance AG: Wie über 300.000 Verträgen abgewickelt werden sollen
Die ELEMENT Insurance AG muss nach Überschuldung und Rückversicherer-Aus abgewickelt werden. Über 300.000 Verträge wurden bereits beendet, die Schadenbearbeitung läuft weiter. Insolvenzverwalter Friedemann Schade setzt auf digitale Tools und konstruktive Lösungen – auch im Streit mit einem ehemaligen Dienstleister.
PKV bleibt 2025 stabil – doch Prävention bleibt politische Baustelle
Die private Krankenversicherung (PKV) zeigt sich zum Wahljahr 2025 widerstandsfähig und finanziell solide. Das geht aus der aktuellen SFCR-Studie von Zielke Research hervor: Die durchschnittliche Solvency-II-Quote liegt bei beachtlichen 515,55 Prozent. Kein einziges der untersuchten Unternehmen unterschreitet die gesetzlichen Kapitalanforderungen – ein Signal für Stabilität und Verlässlichkeit in unsicheren Zeiten.
Wüstenrot & Württembergische trotzt Krisenjahr – starker Auftakt 2025 nährt Gewinnhoffnungen
Trotz massiver Unwetterschäden und steigender Kfz-Kosten hat die W&W-Gruppe 2024 mit einem Gewinn abgeschlossen – und startet 2025 mit starkem Neugeschäft optimistisch ins neue Jahr. Vorstandschef Junker sieht die Gruppe auf stabilem Kurs.