Die EZB hat es geschafft, sich aus ihrem Korsett der vergangenen Wochen zu befreien: Bislang hatte sie stets klar signalisiert, ihren geldpolitischen Kurs im kommenden Jahr in jedem Fall beizubehalten. Jetzt hat sie den Grundstein für das Auslaufen ihrer Kaufprogramme gelegt.
Ein Marktkommentar von Dr. Otmar Lang, Chefvolkswirt der TARGOBANK
Dabei geht sie so defensiv vor, dass man - anders als bei der Bank of England oder der amerikanischen Notenbank FED - höchstens von einem „Richtungswechsel light“ sprechen kann. Vielmehr hält sich die EZB weiterhin alle Optionen offen.
Mit der Anpassung ihrer Ankaufsprogramme reagiert sie nur sehr vorsichtig auf die jüngste Preisentwicklung. In Europa ist die Inflation auf 4,9 Prozent gesprungen, aber sie könnte 2022 bereits im Januar den Rückwärtsgang einlegen. Hinzu kommt: Die Auswirkungen der Coronamutation Omikron kann derzeit niemand verlässlich einschätzen. Das hält die konjunkturelle Unsicherheit hoch.
Mit seinen heutigen Formulierungen hat der EZB-Rat Zeit gewonnen, um zu einem späteren Zeitpunkt eine Nachschärfung – in die eine oder andere Richtung – beschließen zu können. So macht er es innerhalb der EZB aktuell Tauben und Falken gleichermaßen Recht – und ist dabei geldpolitisch noch nicht so festgelegt wie die Kollegen bei der britischen oder der amerikanischen Notenbank.
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