Corona-Krise: Der Stresstest für die Employee Experience

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Im Zuge der Umstellung auf neue Arbeitsformen gewinnt die Employee Experience, das tägliche Arbeitserlebnis und die Summe der Berührungspunkte von Mitarbeitenden mit dem Unternehmen, für immer mehr Arbeitgeber an Bedeutung.

Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Willis Towers Watson zeigt, dass fast alle der befragten Unternehmen (91 Prozent in Westeuropa) die Employee Experience in den nächsten drei Jahren verbessern wollen (vor der Pandemie: 40 Prozent).

Die meisten westeuropäischen Befragten gaben ein positives Mitarbeitererlebnis als wichtigen Faktor für das Wohlbefinden der Mitarbeitenden (81 Prozent), das Engagement (74 Prozent), die Produktivität (68 Prozent) sowie die allgemeine Geschäftsentwicklung (Overall Business Performance – 67 Prozent) an.

Die Anpassung an die neue Realität braucht Zeit und erfordert ein hybrides Arbeitsmodell, viele Unternehmen sind jedoch noch nicht startklar.

„Unternehmen haben ihren Mitarbeitern seit Beginn der Pandemie mit Home-Office, Kurzarbeit und Restrukturierungen viel abverlangt. Jetzt sollten sie dringend einen Ausgleich dafür schaffen“, so Ariane Köhler, Leiterin Talent & Rewards bei Willis Towers Watson in Frankfurt.

„In den kommenden Wochen und Monaten wird sich der Wettbewerb um gute Mitarbeiter und Führungskräfte wieder verschärfen. Unternehmen, welche die Arbeitsbedingungen für ihre Mitarbeiter nur zögerlich oder gar nicht verbessern, werden dann wohl hart abgestraft – wenn Mitarbeiter sich anderweitig umsehen oder offene Stellen nur schwer besetzt werden können“, führt die HR-Expertin aus.

Home-Office, Kurzarbeit und Restrukturierung: Einschneidende Maßnahmen verändern Arbeitsalltag

Bedingt durch die Pandemie sind Mitarbeitende der Studie nach in Westeuropa zu 68 Prozent entweder ganz zu Hause oder nutzen hybride Arbeitsmodelle (vor drei Jahren: zwölf Prozent). Fast die Hälfte der befragten Unternehmen (46 Prozent) haben Arbeitskräfte oder Stunden reduziert.

Bei ebenso vielen wurden die Vergütung und/oder Nebenleistungen gekürzt. „Wie Mitarbeitende ihren Arbeitgeber wahrnehmen, hat sich im letzten Jahr erheblich gewandelt.

Einige Unternehmen reagierten schnell und unbürokratisch auf die Herausforderungen zu Gunsten der Mitarbeitenden. Für den Großteil war es jedoch schwierig, sich an die neue Situation anzupassen und dabei die
Mitarbeitenden mitzunehmen“, berichtet Köhler.

Abb. 1: Einschneidende Maßnahmen während der Pandemie prägen Employee Experience

 

Die HR-Expertin betont:

„Dies wird spätestens problematisch, wenn die Konjunktur anzieht und die Nachfrage nach Fachkräften steigt.“

Dann werde sich nicht nur zeigen, welche Unternehmen die besten Talente langfristig halten können.

Unternehmen, in denen das Verhältnis zwischen Mitarbeitenden und Arbeitgeber ‚stimmt‘, sind im Vergleich zu ihren Wettbewerbern zudem erfolgreicher und produktiver. Das spiegelt sich in verbesserten Finanzkennzahlen wider, denn eine positive Employee Experience prägt die Organisationskultur und das Mitarbeiterengagement.

Abb. 2: Employee Experience befördert Geschäftserfolg nachweislich

 

Fünf Maßnahmen für eine bessere Employee Experience

„Mit Blick auf die Zeit nach der Pandemie wird es für Unternehmen entscheidend sein, ob sie das Mitarbeitererlebnis verbessern können“, führt HR-Expertin Köhler aus. Um die Employee Experience zu verbessern, lohnt es sich, die Berührungspunkte von Mitarbeitenden und ihrem Unternehmen genauer zu betrachten.

Die Zusammenarbeit mit Kollegen und Führungskräften ist das Fundament, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Diese Ziele dienen einer übergeordneten Vision/Mission, sodass der Arbeit eine Sinnhaftigkeit verliehen wird.

Mitarbeitende leisten einen Beitrag durch ihre Arbeit und möchten diesen honoriert sehen. Diese Aspekte lassen sich in den vier Dimensionen Sinnhaftigkeit, Personalentwicklung, Arbeit und Total Rewards zusammenfassen. Hieraus leitet Köhler fünf Maßnahmen ab, welche die Employee Experience schnell und nachhaltig optimieren können.

Flexibilität und Work-Life-Balance fördern: Richten Sie flexible Arbeitsverhältnisse neu aus. Eine Anwesenheitspflicht von 09:00 Uhr bis 17:00 Uhr ist nicht mehr zeitgemäß. Mitarbeitende wollen selbst entscheiden, wann und wo sie arbeiten – zumindest bis zu einem gewissen Grad.

So erreichen sie eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Familienleben bzw. eine bessere Work-Life-Balance – Kriterien, die weiterhin sehr gefragt sein werden.

Faire Vergütung, Wertschätzung und Wellbeing ausbauen: Überprüfen Sie die Gesamtvergütung, Benefits und Regelungen, die einen Einfluss auf die Employee Experience haben. Besteht eine Gender-Pay-Lücke oder ist das Unternehmen bereits ein Fair-Pay-Employer?

Erleben Mitarbeitende ungeachtet ihrer Herkunft und Weltanschauung Wertschätzung und Förderung? Werden Mitarbeitende auch in Krisen unterstützt, zum Beispiel Employee-Assistance-Programme?

Führungskräfte für den Wandel schulen: Eine Employee Experience existiert in jedem Unternehmen, weil in jedem Unternehmen Mitarbeitende Tag für Tag etwa auf Kollegen, Führungskräfte, gute oder schlechte
Arbeitsbedingungen treffen.

Daher sollte hier nichts dem Zufall überlassen werden. Es ist Aufgabe der Unternehmensleitung, Führungskräfte mit den notwendigen Informationen, Vorgaben und Management-Tools
auszustatten, um Wandel erfolgreich vorantreiben zu können.

Nah an den Mitarbeitenden bleiben: Was treibt die Mitarbeitenden um? Unternehmen, die hierüber keine Kenntnis erlangen, agieren im Blindflug. Vielmehr gilt es, durch persönliche Gespräche und/oder
Mitarbeiterbefragungen zu verstehen, was die Mitarbeiter beschäftigt. Eine gute Kommunikation ist der Schlüssel für eine wirkungsvolle Employee Experience.

Employee Experience strategisch aufstellen: Bisher haben nur neun Prozent der Unternehmen die Employee Experience und die Geschäftsstrategie aufeinander abgestimmt. Gute und effektive Technologien (zum Beispiel für den Zugang zu Benefits, die Steuerung von Beurteilungs- und Gehaltsanpassungsprozessen oder Mitarbeiterbefragungen) können diese Prozesse vereinfachen – fehlen sie, werden die Prozesse sehr umständlich.

Abb. 3: Fünf Maßnahmen für eine bessere Employee Experience

 

Bilder: (1) © fizkes – stock.adobe.com (2–4) © Willis Towers Watson