Die neue FinVermV: was bleibt, was ändert sich?

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Nachdem aufgrund vieler Medienberichte sich wahrscheinlich schon jeder, den die Änderungen der FinVermV betreffen, mit den eingetretenen Neuerungen mehr oder weniger auseinandergesetzt hat, wird nachfolgend lediglich noch einmal kurz auf die aus unserer Sicht wichtigsten praxisrelevanten Neuerungen der FinVermV kurz eingegangen.

Boris-Jonas Glameyer, Rechtsanwalt, Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte erläutert in seiner Artikelserie, dass vieles bestehen bleibt oder sich lediglich Details ändern. Bei anderen Punkten ist eine Angleichung an die Regelungen zur Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten in §§ 7 b und c VVG erfolgt, womit die Regelungen zur Vermittlung von Kapitalanlageprodukten und die Regelungen zur Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten weiter aneinander angeglichen worden sind. Lesen Sie heute den Teil 1 Allgemeines sowie in Teil 2 über Kosten und Zuwendungen.

Teil 1: Allgemeines

Wahrscheinlich schon fast nicht mehr erwähnenswert aber für den Fall eines Schadenfalles möglicherweise doch von ganz erheblicher versicherungsrechtlicher Relevanz ist die in § 9 FinVermV (neu) vorgegebene Mindestabsicherung in der Vermögensschaden-Haftpflicht-Versicherung je Versicherungsfall in Höhe von 1.276.000,- Euro und mindestens 1.919.000,- Euro für alle Versicherungsfälle eines Jahres.

Boris-Jonas Glameyer, Rechtsanwalt, Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte

Soweit Sie also Ihre Vermögensschadenhaftpflichtversicherung noch nicht auf die neuen Mindestversicherungssummen angeglichen haben, sollten die Sie dies umgehend tun um in einem etwaigen zukünftigen Schadenfall keinerlei Nachteile zu erleiden.

Neu in der FinVermV findet sich die Vorgabe, dass die Tätigkeit des Vermittlers oder Beraters im „bestmöglichen Interesse“ des Anlegers ausgeübt werden muss, vgl. § 11 Fin-VermV (neu). Dieser auf der einen Seite sehr absolute und auf der anderen Seite zugleich auch

wieder vollkommen unbestimmte Begriff birgt auf der einen Seite einen weiten Interpretationsspielraum in sich und verlangt auf der anderen Seite die Vereinigung von Interessengegensätzen. Wie die Gerichte diesen Begriff später auslegen und definieren werden, ist derzeit nicht absehbar. Die Problematik dieses Begriffs erschließt sich einem am besten am praktischen Beispiel.

So dürfte es grundsätzlich im bestmöglichen Interesse des Anlegers sein, wenn die Tätigkeit des Anlagevermittlers oder Anlageberaters vollkommen kostenfrei erfolgt, da dann das gesamte zur Verfügung stehende freie Kapital des Kunden der Erzielung einer Rendite zur Verfügung stehen würde.

Der Anlagevermittler oder Anlageberater hingegen lebt nun einmal gerade davon, dass er für die sowohl zeitaufwendige als auch haftungsträchtige Tätigkeit der Anlagevermittlung oder Anlageberatung Geld erhält, sei es direkt vom Kunden oder indirekt über Provisionen aus dem zu investierenden Kapital des Kunden.

Dies ist ein grundsätzlicher nicht wegzudiskutierender Interessengegensatz der einer haftungs-sicheren Lösung bedarf. Hier darf mit Spannung erwartet werden, wie die Gerichte zukünftig mit diesem schwammigen Begriff umgehen.

Gerade vor dem Hintergrund der hier bestehenden Ungewissheit ist es unseres Erachtens extrem wichtig, den Kunden ordnungsgemäß und umfassend über die Kosten und Zuwendungen der Anlagevermittlung aufzuklären, damit er selbst beurteilen kann, ob diese seinem Investitionsinteresse möglicherweise entgegenstehen.

Teil 2: Information über Kosten und Zuwendungen

Die in der bisherigen FinVermV seit 2013 bereits geltenden Regelungen zur Information des Kunden über Kosten und Zuwendungen sind durch die Neufassung der FinVermV noch einmal konkretisiert und verschärft worden. Für all diejenigen, die auch bisher schon sauber und vollständig über alle Kosten und Zuwendungen ordnungsgemäß aufgeklärt haben, ergeben sich hier keine allzu großen neuen Anforderungen.

Aus der Praxis heraus werden aber immer wieder Fälle bekannt, in denen die Produktgeber den Vermittlern erklären, dass speziell dieses Produkt nicht unter die Anforderungen der FinVermV falle und deshalb keine ordnungsgemäße saubere und umfassende Aufklärung über erhaltene Kostenzuwendungen erforderlich sei.

Oftmals ein Trugschluss und eine ganz erhebliche Haftungsfalle für den Vermittler oder Anlageberater. Nach unserer Auffassung sollte ein Vermittler oder Anlageberater – ganz losgelöst von der Frage, ob die-se unter den Anwendungsbereich der FinVermV fallen oder nicht – grundsätzlich bei der Vermittlung jeglicher Kapitalanlagen sauber und vollständig über alle Kosten und Zuwendungen aufklären, dies dokumentieren und vom Kunden gegenzeichnen lassen.

In diesem Punkt ist bei einem späteren Rechtsstreit mit einem früheren Kunden heute mit keinerlei Nachsicht seitens der Gerichte mehr zu rechnen. Eine unterlassene oder fehlerhafte Aufklärung oder Information über Kosten und Zuwendungen reicht oft bereits für die vollumfängliche Haftung des Vermittlers oder Anlageberaters hinsichtlich einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage. Ein hohes Haftungsrisiko, dass einfach vermeidbar ist.

  1. Vergütung und Interessenkonflikte – § 11a FinVermV (neu)

Der Anlagevermittler beziehungsweise Anlageberater hat nach der neuen Regelung des § 11a FinVermV angemessene Maßnahmen zu treffen, um Interessenkonflikte zu erkennen und zu vermeiden die zwischen ihm und den bei der Beratung und Vermittlung mitwirkenden Beschäftigten einerseits und dem Anleger andererseits auftreten können.

Zusammen mit der Pflicht zur Empfehlung im bestmöglichen Interesse des Anlegers ergibt sich daraus ein klares Verbot zur Anreizschaffung für die Empfehlung bestimmter Finanzanlagen für den Vermittler bzw. Berater selbst als auch für dessen Beschäftigte.

Es dürfen keine Vereinbarungen mehr mit Mitarbeitern über Vergütung und Verkaufsziele getroffen werden, die Mitarbeiter dazu verleiten könnten, einem Anleger bestimmte Finanzanlagen zu empfehlen. Gegebenenfalls sind hier bestehende Vergütungsmodelle anzupassen und organisatorische Vorkehrungen zur Schaffung klar dokumentierter Strukturen im Vertrieb zu schaffen.

Nach § 17 FinVermV (neu) dürfen sich Zuwendungen nicht nachteilig auf die Qualität der Vermittlung oder Beratung auswirken und dürfen nicht die Verpflichtung beeinträchtigen, im bestmöglichen Interesse des Anlegers ehrlich, redlich und professionell zu handeln.

Interessenkonflikte sind vor Geschäftsabschluss offenzulegen. Damit dürfte der Rechtfertigungsdruck mit zunehmender Provisionshöhe erheblich steigen und der Vermittler bzw. Berater darzulegen und zu erklären haben, weshalb die Vermittlung eines bestimmten Produktes trotz hoher Provisionen im bestmöglichen Interesse des Anlegers ist.

  1. Kosteninformation – § 13 FinVermV (neu)

Die Vorschriften zur Offenlegung von Kosten und Provisionen sind noch einmal verschärft und konkretisiert worden. Dies ist jedoch nicht nur nachteilig, sondern bringt dem Vermittler bzw. Berater auch mehr Klarheit über Art und Umfang der Offenlegung der Kosten.

Nach § 13 Abs. II Nr. 3 FinVermV (neu) ist über alle Kosten und Nebenkosten der Anlagevermittlung, Anlageberatung sowie die Kosten der Finanzanlage selbst aufzuklären. Hierbei ist folgendes unbedingt zu beachten!

Die Informationen über Kosten und Nebenkosten Anlagevermittlung und Anlageberatung sind vom Anlagevermittler bzw. Berater zur Verfügung zu stellen – diese Kosteninformation ist nicht durch eine pauschale Information des Produktanbieters möglich!

Der Vermittler hat hier den Anleger ganz individuell über seine konkreten Kosten aufzuklären.

Aus § 13 Abs. IV FinVermV (neu) ergibt sich, dass die Kosten der Anlagevermittlung bzw. Anlageberatung sowie auch die Kosten der Finanzanlage selbst in zusammengefasster Weise dargestellt werden können und zwar so, dass der Anleger sowohl die Gesamtkosten als auch die kumulative Wirkung der Kosten auf die Rendite verstehen kann.

Die Offenlegung aller Kosten hat dabei gem. § 17 Abs. I FinVermV nach folgenden Kriterien zu erfolgen: Existenz, Art, Umfang, wenn Umfang noch nicht bestimmbar, Art und Weise der Berechnung aus der sich der Umfang ergibt, in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise.

Eine Aufstellung der Kosten die nach einzelnen Posten aufgegliedert ist, ist dem Anleger nach § 13 Abs. IV FinVermV zwar nur auf Verlangen auszuhändigen, jedoch dürfte jeder Vermittler und Berater gut daran tun, eine solche aufgegliederte Aufstellung grundsätzlich zu fertigen und dem Anleger auszuhändigen.

Zum einen kann damit im Wege der Selbstkontrolle sichergestellt werden, dass nichts vergessen worden ist, zum anderen dürfte auf diesem Wege am ehesten sichergestellt werden, dass der Anleger so-wohl die Gesamtkosten als auch die kumulative Wirkung der Kosten auf die Rendite verstehen kann.

Denn es ist bereits jetzt absehbar, dass in zukünftigen Haftungsprozessen wegen angeblich fehlerhafter Anlagevermittlung oder -beratung darum gestritten werden wird, ob die Aufstellung der Gesamtkosten so übersichtlich gewesen ist, dass der Anleger auch die kumulative Wirkung der Kosten auf die Rendite verstehen konnte.

Um einem solchen Streitpunkt und damit auch potentiellen Haftungsrisiko vorzubeugen, empfiehlt es sich unseres Erachtens bereits aus Eigeninteresse, grundsätzlich eine sauber aufgegliederte Aufstellung zu fertigen und dem Anleger auszuhändigen.

Neu ist auch § 13 Abs. V FinVermV (neu) demzufolge der Berater bei einer laufenden Vertragsbeziehung dem Anleger regelmäßig, aber mindestens einmal im Jahr einen Nachweis über die Höhe der damit verbundenen Kosten zur Verfügung zu stellen hat.

Grundsätzlich stellt sich allerdings im Bereich der Anlageberatung die Frage, ob eine solche laufende Vertragsbeziehung wegen der daraus resultierenden ganz erheblichen laufenden Aufklärungs- und Beratungspflichten sowie der daraus resultierenden erheblichen Haftungsrisiken seitens des Anlageberaters überhaupt wünschenswert ist.

 

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FinVermV neu: Anlageberatung und Geeignetheitserklärung

 

 

 

 

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