Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 13.05.2020 (Az.: I 20 U 266/19) klargestellt, welche Anforderungen an die Beratungspflichten des Versicherungsvertreters im Zusammenhang mit der Aufklärung über den Inhalt des Versicherungsschutzes gestellt werden können.
Das OLG Hamm entschied, dass den Versicherungsvertreter keine generelle Hinweispflicht bezüglich einer Tresor- /Verschlussklausel trifft. Dennoch bedarf es stets einer Berücksichtigung des Einzelfalles.
Aufgrund der konkreten Kundensituation war nach Ansicht der Richter ein Beratungsanlass der Versicherungsnehmerin für den Versicherungsvertreter erkennbar. Dies führte dazu, dass eben in diesem Einzelfall doch von einer Beratungspflicht des Versicherungsvertreters auszugehen war.
Rechtsanwalt Jens Reichow erklärt den Sachverhalt und das Urteil.
Erhöhung der Wertsachengrenze & Tresor-/ Verschlussklausel
In dem Verfahren machte die Versicherungsnehmerin Ansprüche gegenüber einem Versicherer wegen Verletzung von Beratungspflichten des Versicherungsvertreters im Zusammenhang mit der Vermittlung einer Hausratversicherung geltend.
Der Versicherer hatte in dem Vertrag eine Wertsachengrenze auf Wunsch der Versicherungsnehmerin von 20 Prozent auf 50 Prozent der Versicherungssumme in Höhe von 104.000,00 Euro erhöht und somit für den Fall eines Einbruchsdiebstahls diese Wertsachengrenze festgelegt. Darüber hinaus enthielt der Vertrag eine sog. Tresor-/ Verschlussklausel.
Nach dieser Klausel waren bestimmte Wertsachen nur dann über 21.000,00 Euro versichert, wenn sie in einem Tresor verwahrt werden.
Der Versicherungsvertreter hatte jedoch die Versicherungsnehmerin auf diese Tresorklausel nicht hingewiesen.
Der Versicherungsnehmerin wurde in der Folgezeit bei einem Einbruch Schmuck im Wert von 52.000,00 Euro gestohlen, welche sie nicht im Tresor gelagert hat.
Als Entschädigung zahlte die Versicherung für den gestohlenen Schmuck lediglich 21.000,00 Euro und lehnte zusätzliche Zahlungsverpflichtungen ab. Als Grund hierfür hat sich der Versicherer auf die Nichtlagerung der Wertsachen im Tresor berufen und bezog sich dabei auf die im Vertrag enthaltene Klausel.
Die Versicherungsnehmerin berief sich auf eine Verletzung von Beratungspflichten des Versicherungsvertreters, da sie nicht über die Klausel belehrt wurde und erhob Klage.
Anlassbezogene Beratungspflichten des Versicherungsvertreters
Das OLG Hamm entschied hinsichtlich der Beratungspflichten des Versicherungsvertreters, grundsätzlich kein Anlass für einen Hinweis auf diese Klausel für den Versicherer oder seinen Versicherungsvertreter besteht. Allerdings bestand im geschilderten Fall ausnahmsweise eine Beratungspflicht des Versicherungsvertreters über den Inhalt und das Ausmaß der Tresor- /Verschlussklausel.
Die Versicherungsnehmerin hatte dem Versicherungsvertreter schließlich ausdrücklich erklärt, dass die ursprünglich festgesetzte Wertsachengrenze nicht ausreichend sei, da sie Schmuck besaß, welche über dieser Wertgrenze läge. Auf Wunsch der Versicherungsnehmerin wurde die Wertsachengrenze danach erhöht.
In einer solchen Konstellation hat der Versicherungsvertreter die Versicherungsnehmerin darüber zu informieren, dass diese Erhöhung nichts bringt, wenn sie den Schmuck nicht im Tresor lagert. Indem der Versicherungsvertreter diesen Hinweis unterlassen hat, genügte er – so das OLG Hamm – nicht den an ihn zu stellenden Beratungspflichten.
Aufgrund der Angaben der Versicherungsnehmerin bestand seitens des Versicherungsvertreters ein konkreter Beratungsanlass. Im vorliegenden Einzelfall musste sich jedem Versicherungsvertreter aufdrängen, die Versicherungsnehmerin auf die Tresorklausel hinzuweisen.
Weitere Informationen zu den Pflichten des Versicherungsvertreters finden Sie unter: Die Haftung des Versicherungsvertreters.
Themen:
LESEN SIE AUCH
BU-Urteil zur formell wirksamen Einstellungsmitteilung im Nachprüfungsverfahren
Die Klauselersetzung in der Krankentagegeldversicherung
Das OLG Köln entschied zur Wirksamkeit einer Klauselersetzung in der Krankentagegeldversicherung, dass der Versicherer auf dieser Grundlage das Krankentagegeld reduzieren konnte. Zuvor hatte das LG Köln zu Gunsten des Versicherungsnehmers erklärt, die Herabsetzung des Krankentagegelds sei unwirksam.
Pflegetagegeld: Urteil gegen die INTER bestätigt
Das OLG Hamm bestätigt ein erstinstanzliches Urteil des LG Münster zur spontanen Anzeigeobliegenheit bei der Kindernachversicherung in der Pflegetagegeldversicherung, in dem die INTER Krankenversicherung unterlag.
Nürnberger unterstützt Kunden, die Geflüchtete aus der Ukraine aufnehmen
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Recyclingbranche unter Feuer: Warum Entsorger kaum noch Versicherungsschutz finden
Brände in Recyclinganlagen nehmen wieder zu – und mit ihnen die Prämien. Für Vermittler stellt sich die Frage: Wer bietet überhaupt noch tragfähigen Versicherungsschutz für diese Hochrisiko-Branche? Die Hübener Versicherung bleibt eine der letzten Adressen mit Branchenspezialisierung.
Insolvenzverfahren bei ELEMENT Insurance AG: Wie über 300.000 Verträgen abgewickelt werden sollen
Die ELEMENT Insurance AG muss nach Überschuldung und Rückversicherer-Aus abgewickelt werden. Über 300.000 Verträge wurden bereits beendet, die Schadenbearbeitung läuft weiter. Insolvenzverwalter Friedemann Schade setzt auf digitale Tools und konstruktive Lösungen – auch im Streit mit einem ehemaligen Dienstleister.
PKV bleibt 2025 stabil – doch Prävention bleibt politische Baustelle
Die private Krankenversicherung (PKV) zeigt sich zum Wahljahr 2025 widerstandsfähig und finanziell solide. Das geht aus der aktuellen SFCR-Studie von Zielke Research hervor: Die durchschnittliche Solvency-II-Quote liegt bei beachtlichen 515,55 Prozent. Kein einziges der untersuchten Unternehmen unterschreitet die gesetzlichen Kapitalanforderungen – ein Signal für Stabilität und Verlässlichkeit in unsicheren Zeiten.
Wüstenrot & Württembergische trotzt Krisenjahr – starker Auftakt 2025 nährt Gewinnhoffnungen
Trotz massiver Unwetterschäden und steigender Kfz-Kosten hat die W&W-Gruppe 2024 mit einem Gewinn abgeschlossen – und startet 2025 mit starkem Neugeschäft optimistisch ins neue Jahr. Vorstandschef Junker sieht die Gruppe auf stabilem Kurs.