Neben Sturm, Hagel, Schneelast und Hochwasser haben auch Waldbrände, Erdrutsche und Hitzetage in Deutschland in den zurückliegenden drei Jahrzehnten stark zugenommen und vermehrt Schäden an Immobilien verursacht.
Damit hat der Klimawandel konkrete Auswirkungen auf die Immobilien und ihre Wertentwicklung. Das ist ein zentrales Ergebnis der Studie „Naturgefahren und Immobilienwerte in Deutschland“, die Prof. Dr. Sven Bienert, IREBS International Real Estate Business School, auf Initiative der BF.direkt AG erstellt hat.
Auch wenn Elementarschadensversicherungen Schutz bieten, werden sie mittelfristig teurer werden. Indirekte Schäden durch Miet- und Nutzungsausfälle und erhöhten Materialverschleiß können kaum bis gar nicht versichert werden.
So muss die Immobilienwirtschaft zusätzlich zu den Maßnahmen zur Emissionsreduktion künftig auch stärker in die Widerstandsfähigkeit beziehungsweise Resilienz der Gebäude gegen Naturgefahren investieren.
Obwohl die Folgen der globalen Erwärmung auch hierzulande immer sichtbarer werden, wird bei vielen Immobilieninvestitionen und Immobilienfinanzierungen der Risikofaktor Klimaveränderung noch nicht beziehungsweise nicht ausreichend berücksichtigt.
Francesco Fedele, CEO der BF.direkt AG, dazu:
„Obwohl die Folgen der globalen Erwärmung auch hierzulande immer sichtbarer werden, wird bei vielen Immobilieninvestitionen der Risikofaktor Klimaveränderung nicht berücksichtigt. Meiner Meinung nach ist dies ein großer Fehler. Alle Aufmerksamkeit fokussiert sich derzeit auf das Thema ESG. Aber der Klimawandel ist nicht einfach eine Brüsseler Regulierung, die es zu erfüllen gilt, er wird à la longue konkrete Auswirkungen auf alle Immobilien haben. Daher freue ich mich, dass die Studie auch konkrete Handlungsoptionen aufzeigt.“
Regionale Unterschiede
Das Gefahrenpotenzial für Immobilien durch Extremwetterereignisse und Naturkatastrophen ist in Deutschland regional unterschiedlich: Im Süden kommt es häufiger zu Starkregen, Hagelschlag und starken Schneefällen.
Waldbrände und Wasserknappheit infolge von Trockenheit treten überwiegend in den neuen Bundesländern, aber auch in Schleswig-Holstein und Niedersachsen auf.
Hochwassergefahren bestehen entlang der großen Flüsse und an der Küste können Sturmfluten große Schäden anrichten.
Institutionelle Immobilieninvestoren können entsprechende regionale Vorkehrungen treffen oder ihre Investitionsschwerpunkte an die regionale Gefahrenlage anpassen. Für den Einzelnen ist dagegen die Risikoexposition am Mikrostandort wichtiger, also das Gefahrenpotenzial innerhalb der Stadt, in der er seinen Lebensmittelpunkt hat.
Bautechnische Lösungen gegen Naturgefahren
Eine fundierte Kosten-Nutzen-Abwägung von bautechnischen Lösungen gegen Naturgefahren ist allerdings schwierig: Die Prognosen zum Klimawandel und seinen Folgen sind mit Unsicherheiten behaftet und der Nutzen teurer bautechnischer Vorkehrungen zeigt sich teilweise unter Umständen erst in ferner Zukunft.
Preisentwicklungen sind hinsichtlich der Risikobewertung ebenfalls nur begrenzt aussagekräftig.
Prof. Dr. Sven Bienert erklärt:
„Der Markt tendiert dazu, Schäden, die in kürzeren Abständen auftreten, überzubewerten. Seltener eintretende Schadensfälle werden, auch wenn sie einen größeren Umfang haben, eher unterbewertet und mit der Zeit sogar vergessen oder ignoriert.“
Beispielsweise brachen die Immobilienpreise in Hochwassergebieten nach dem Hochwasserereignis deutlich ein, kehrten dann aber wieder auf das Ausgangsniveau zurück.
„Je kürzer aber die Abstände zwischen den Extremwetterereignissen werden – und das ist eine absehbare Entwicklung –, desto unwahrscheinlicher wird ein solcher Bounce Back.“
Risikofaktor Klima noch wenig beachtet
Insbesondere für institutionelle Immobilieninvestoren ist es bereits jetzt mehr Pflicht als Kür, sich mit physischen Klimarisiken professionell im Rahmen des Risikomanagements auseinanderzusetzen. Der Risikofaktor Klima wird allerdings in der Immobilienbranche zu wenig bedacht.
Francesco Fedele kommentiert:
„Kreditgeber und institutionelle Investoren sollten sich zunehmend mit der die Frage beschäftigen, welche Extremwetterereignisse für ihre Objekte ein Risiko darstellen und wie sie die Resilienz – also die Widerstandsfähigkeit – der Gebäude stärken können. Auf diese Fragen liefert die Studie auch erste Antworten: Beispielsweise empfiehlt die Studie eine regionale Einschätzung bei jeder Immobilie. Dabei soll das aus dem Klimawandel resultierende lagespezifische Risiko erfasst werden. Ein Beispiel für solche Risiken ist die Lage in einem Gebiet, das von Hochwasser bedroht ist oder das in den vergangenen Jahren häufig Schauplatz von Hagelereignissen war.“
Immobilienfinanzierung und Klimawandel
Laut einer Sonderumfrage von BaFin und Bundesbank haben knapp zwei Drittel der befragten Institute Klimarisiken bislang nicht in die Risikobewertung integriert, so Prof. Dr. Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung der IREBS Universität Regensburg. Eine Berücksichtigung der Klimarisiken müsse aber in allen Phasen des Kreditgeschäftes stattfinden. Denn Werthaltigkeit und Stabilität der Sicherheit „Immobilie“ spielten eine zentrale Rolle bei der Finanzierung.
Bei der Zinsgestaltung könnten laut Prof. Steffen Sebastian die Kreditinstitute beispielsweise das klimabezogene Risikomanagement des Kunden in Form von Zu- und Abschlägen miteinfließen lassen. Weitere Stellschrauben bei der Berücksichtigung des Klimarisikos seien Beleihungshöhe sowie die Kreditlaufzeit und geforderte Tilgungen.
Francesco Fedele erläutert:
„Die Finanzierungskonditionen werden sich in Zukunft stärker daran orientieren, ob und wie die Kreditnehmer die Risiken durch Extremwetterereignisse in ihren Immobilienprojekten berücksichtigen. Wer hier gut aufgestellt ist, wird in Zukunft bessere Finanzierungskonditionen bekommen.“
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