Zinsstillstand in Deutschland

Zinsstillstand in Deutschland
© PotapovaYuliya – stock.adobe.com

Bei den Zinsen spüren Bankkunden, dies betrifft Privatkunden wie Geschäftskunden, in Deutschland noch keine Erleichterung. Im Vergleich zum Vormonat herrscht nahezu Stillstand.

WeltSparen analysiert regelmäßig europaweit die Zinssätze und die neuesten Daten der Europäischen Zentralbank (EZB). Dafür werden die aktuellen Top-Zinsangebote mit den Zinssätzen der drei größten Banken jedes Landes verglichen.

Angesichts der zweiten Coronawelle sanken die Spitzenzinssätze für einjährige Festgelder in West- und Südeuropa leicht, während die Zinssätze der größten Banken in nahezu allen Ländern stabil blieben.

Obwohl die besten Angebote meist unter einem Prozent liegen, sind sie weiterhin um ein Vielfaches rentabler als die Angebote der größten Banken. In Deutschland erzielen Kunden bei den drei besten Angeboten mit einer Verzinsung von 0,7 Prozent im Schnitt das bis zu Hundertfünffache von den durchschnittlich 0,007 Prozent bei den drei größten Geldinstituten.

Die größte Zinsdifferenz weisen die Länder Polen, Schweden, Italien und Norwegen auf – allesamt gleichzeitig mit deutlich über einem Prozent Zinsen bei den Top-3-Angeboten.

  • Abwärtstrend: In den großen Volkswirtschaften Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien fallen die Zinsen für einjährige Festgelder.
  • Kaum Änderungen bei Großbanken: Die Zinsangebote der Großbanken bleiben unverändert. Lediglich in Schweden und Norwegen sind sie leicht gefallen.
  • Wenig Veränderungen bei den Zinsen: Laut Bundesbank liegen 1,88 Billionen Euro der Deutschen in Bargeld und Sichteinlagen vor. Das entspricht 28,4 Prozent des Gesamtvermögens. Würde dieser Betrag fiktiv bei einem einjährigen Festgeld bei WeltSparen mit aktuell bis zu einem Prozent angelegt, lassen sich in 12 Monaten fast 19 Milliarden Zinsen erzielen.

Deutschland: Zinsen am unteren Ende im Ländervergleich

Die Festgeldzinsen in Deutschland, Frankreich, Belgien und Spanien treten nahezu auf der Stelle oder sinken sogar weiter. Obwohl gerade die Deutschen und Spanier im Europavergleich eine der höchsten Sparquoten haben, liegen die Zinsen mit am unteren Ende.

Für deutsche Sparer bedeutet das eine durchschnittliche Verzinsung von 0,7 Prozent für einjähriges Festgeld und 0,867 Prozent für dreijähriges Festgeld bei den Top-3-Angeboten des Landes.

Der irische Bankenmarkt bietet Sparern mit hoher Sparquote europaweit die niedrigsten Zinsen für einjähriges und dreijähriges Festgeld. In Italiens strapazierter Wirtschaft gibt es trotz eines leichten Rückgangs in den letzten Monaten weiterhin vergleichsweise hohe Zinsen.

  • Die Ökonomie kurz- und langfristiger Zinssätze zeigt sich beim Vergleich der Zinsdifferenzen von 0,17 Prozent in Deutschland bei niedrigem Risiko und relativ stabilen Aussichten gegenüber einer Zinsdifferenz von 0,75 Prozent in Italien, einer angespannten Volkswirtschaft bereits vor Corona-Pandemie.
  • In Mittel- und Südeuropa gibt es noch attraktive Angebote mit Zinsen zwischen 0,57 bis zu 1,85 Prozent.
  • Norwegens Spitzenzinssätze sinken weiter von rund 1,5 Prozent auf 1,42 Prozent beim dreijährigen Festgeld. Im Vereinigten Königreich setzen die Top-Angebote kurz vor dem Brexit ihren Höhenflug fort.

Privatkundenzinsen bleiben niedrig

Auch wenn zum Ende des Sommers die durchschnittlichen Zinsen für Privatkunden in den meisten europäischen Ländern anstiegen, verharren sie im Durchschnitt in der Eurozone weiterhin bei 0,17 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verzeichnen sogar fast alle Länder der Europäischen Union niedrigere Zinssätze.

In den fünf größten Volkswirtschaften zeigt sich ein geteiltes Bild. Während die Durchschnittszinssätze in Deutschland und Spanien zum Herbstbeginn prozentual stark sanken, belief sich der Rückgang in Großbritannien auf lediglich sieben Prozent. In Frankreich und Italien kletterten die bereits hohen Zinssätze hingegen weiter auf 0,56 beziehungsweise 0,64 Prozent.

Euroraum: Unternehmen müssen weiter Strafzinsen zahlen

Die Zinsen stiegen oder fielen in der Hälfte der untersuchten Länder um maximal drei Basispunkte. Dementsprechend zahlen Unternehmen in neun EU-Ländern im Mittel weiterhin Strafzinsen. In neun weiteren Staaten erzielen sie im Mittel weiter weniger als 0,10 Prozent Zinsen pro Jahr.

  • Unternehmen in der Eurozone – konkret in Belgien, Deutschland, Irland, Luxemburg, Niederlande, Österreich und Spanien – leiden weiter unter Strafzinsen, die sie auf ihre Einlagen entrichten müssen. Bei den Ländern mit Fremdwährungen sind Unternehmer in Bulgarien und Dänemark (stattliche minus 0,48 Prozent und damit Negativrekord in Europa) von Negativzinsen betroffen.
  • In Italien (plus 85 Basispunkte) und Malta (plus 35 Basispunkte) hingegen stiegen die Zinsen für Geschäftskunden. Sie erhalten zumindest 0,86 Prozent beziehungsweise 0,70 Prozent Zinsen auf ihre Einlagen.

Benedikt Voller, Vice President Vice President Business Clients & Partnerships bei Raisin, erklärt die Hintergründe für den Handlungsdruck von Banken aufgrund von Überliquidität. Auch zeigt er Wege auf, wie Sparer und Banken durch neue Wege dennoch einen Win-Win erzielen können.

„Im aktuellen Umfeld von anhaltenden Niedrig- und Negativzinsen erhalten europäische Banken Unterstützung von der Europäischen Zentralbank, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Mit umfangreichen Corona-Hilfsprogrammen pumpt die EZB Liquidität in die gebeutelten Märkte, so dass sich viele Banken mittlerweile mit einer Einlagenflut und Überschussliquidität konfrontiert sehen. Oft können Banken diese aber nicht mehr vollständig in Kredite umlegen und die überschüssige Liquidität bleibt in ihren Büchern.

Dadurch entstehenden den Banken signifikante Kosten:

  • Zahlungen von Bankabgaben und Beiträgen zu Einlagensicherungssystemen,
  • erhöhte Eigenkapitalanforderungen aufgrund der gehaltenen Einlagenhöhe,
  • Strafzinsen für Liquidität, die beispielsweise bei der EZB anfallen.

Um diesen Kostendruck zu reduzieren, sind Privatkundenbanken häufig gezwungen, die Liquidität der Kunden in andere eigene Finanzangebote oder sogar zu anderen Anbietern zu lenken. Sie senken massiv die Zinssätze für ihre Kunden – teilweise sogar unter Null. Daraus entsteht für Kunden wie Banken ein Dilemma. Kunden fehlen Ertragspotenziale für ihre Ersparnisse, so dass sie zum Teil ihre Hausbank verlassen. Finanzinstitute wiederum verlieren schlimmstenfalls langjährige Kunden, wenn es ihnen nicht gelingt, niedrige oder negative Zinssätze mit attraktiven alternativen Produkten oder Dienstleistungen auszugleichen. Die aktuelle Liquiditätssituation setzt die Banken unter Druck, innovative Lösungen für die aktuelle Zinskrise zu finden.“