Wenn ein Flug annulliert wurde oder erheblich verspätet war, kann der Fluggast die Zahlung der vom Unionsrecht vorgesehenen Ausgleichsleistung in der Landeswährung seines Wohnortes verlangen. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.
Laut dem Urteil ist es mit dem Erfordernis einer weiten Auslegung der Fluggastrechte sowie mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung der geschädigten Fluggäste unvereinbar, eine Zahlung in der Landeswährung zu verweigern.
Eine hatte bei einem Luftverkehrsunternehmen mit Sitz in Warschau eine bestätigte Reservierung für einen Flug von einer in einem Drittstaat gelegenen Stadt zu einer Stadt in Polen.
Am Tag des Fluges begab sie sich rechtzeitig zum Check-in für diesen Flug, allerdings war dieser Flug über drei Stunden verspätet.
Es wurde nicht festgestellt, dass die Frau im Abflugdrittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten hat. Sie hatte nach der Fluggastrechteverordnung Anspruch auf eine Ausgleichsleistung in Höhe von 400 Euro hatte. Diesen Anspruch trat sie an Delfly, eine Gesellschaft mit Sitz in Warschau, ab.
Delfly erhob on Warschau Klage mit dem Antrag, Travel Service zu verurteilen, ihr den Betrag von 1.698,64 polnischen Zloty (PLN) zu zahlen. Dieser Betrag entsprach gemäß dem von der Polnischen Nationalbank zum Zeitpunkt der Antragsstellung auf Ausgleichsleistung festgesetzten Wechselkurs 400 Euro.
Falsche Währung bei Antrag?
Travel Service beantragte, den Antrag auf Ausgleichsleistung zurückzuweisen. Dies wurde unter anderem damit begründet, dass dieser entgegen den Vorschriften des nationalen Rechts in der falschen Währung, nämlich in Zloty und nicht in Euro, beziffert worden sei.
Das polnische Gericht legte dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Vorabentscheidung vor. Es möchte wissen, ob ein Fluggast, dessen Flug annulliert wurde oder erheblich verspätet war, oder sein Rechtsnachfolger nach der Fluggastrechteverordnung die Zahlung der in dieser Verordnung genannten Ausgleichsleistung in der an seinem Wohnort geltenden Landeswährung verlangen kann, so dass diese Verordnung einer Regelung oder einer gerichtlichen Praxis eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach der zu diesem Zweck von einem solchen Fluggast oder seinem Rechtsnachfolger gestellte Antrag nur deshalb zurückgewiesen wird, weil dieser ihn in dieser Landeswährung beziffert hat.
Der Gerichtshof urteilte, dass es, den Anspruch auf Ausgleichsleistungen von der Voraussetzung abhängig zu machen, dass dem geschädigten Fluggast die geschuldete Ausgleichsleistung in Euro – unter Ausschluss jeder anderen, nationalen Währung – gezahlt wird, die Ausübung dieses Rechts beschränken würde.
Des Weiteren stellt der Gerichtshof fest, dass die Verordnung auf Fluggäste anwendbar ist, ohne zwischen ihnen aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnortes zu unterscheiden. Das einschlägige Kriterium ist nämlich der Ort, an dem sich der Flughafen befindet, von dem die Fluggäste abgeflogen sind. Die Fluggäste, die einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen haben, sind daher so anzusehen, dass sie sich alle in vergleichbaren Situationen befinden, da ihnen allen standardisiert und sofort der nach dieser Verordnung ersatzfähige Schaden wiedergutgemacht wird.
Ungleichbehandlung der geschädigten Fluggäste
Das Stellen der Bedingung, dass der Betrag der Ausgleichsleistung nur in Euro unter Ausschluss der Währung, die in einem nicht zur Eurozone gehörenden Mitgliedstaat gilt, geleistet werden könnte, kann somit zu einer Ungleichbehandlung der geschädigten Fluggäste oder ihrer Rechtsnachfolger führen, ohne dass eine objektive Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung vorgebracht werden kann.
Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass es mit dem Erfordernis einer weiten Auslegung der in der Verordnung enthaltenen Fluggastrechte sowie mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung der geschädigten Fluggäste und ihrer Rechtsnachfolger unvereinbar wäre, es einem Fluggast, der auf der Grundlage der Verordnung einen Ausgleichsanspruch hat, zu verweigern, dass er die Zahlung der betreffenden Ausgleichsleistung in der an seinem Wohnort geltenden nationalen Währung verlangen kann.
Schließlich setzt die Zahlung der geschuldeten Ausgleichsleistung in der am Wohnort der betreffenden Fluggäste geltenden nationalen Währung zwangsläufig eine Umrechnung aus dem Euro in diese Währung voraus. Da die Verordnung insoweit keine Angabe enthält, ist für die Modalitäten der Umrechnung einschließlich der Festlegung des dabei anzuwendenden Umrechnungskurses weiterhin das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten unter Beachtung der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität maßgeblich.
Der Gerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, dass ein Fluggast, dessen Flug annulliert wurde oder erheblich verspätet war, oder sein Rechtsnachfolger die Zahlung der in der Fluggastrechteverordnung genannten Ausgleichsleistung in der an seinem Wohnort geltenden Landeswährung verlangen kann, so dass diese Verordnung einer Regelung oder einer gerichtlichen Praxis eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach der zu diesem Zweck von einem solchen Fluggast oder seinem Rechtsnachfolger gestellte Antrag nur deshalb zurückgewiesen wird, weil dieser ihn in dieser Landeswährung beziffert hat.
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