map-report 915 analysiert Berichte zu Solvabilität und Finanzlage nach Solvency II

map-report 915 analysiert Berichte zu Solvabilität und Finanzlage nach Solvency II
© jirsak – stock.adobe.com

Aufgrund der Corona-Pandemie mussten die Versicherer in diesem Jahre die Berichte zur Solvenz- und Finanzlage für 2019 nicht bis zum 7. April 2020 veröffentlichen, sondern die Frist wurde bis 2. Juni 2020. Der map-report 915 von Franke und Bornberg hat nun zum vierten Mal die aktuellen Berichte zu Solvabilität und Finanzlage („SFCR-Berichte“) nach Solvency II analysiert. 

Bei der Berechnung der Solvenzquote dürfen die Versicherer anstatt der Standardformel auch ein internes, gesellschaftsindividuelles Modell zur Berechnung der SCR-Quote anwenden. Zudem sind Übergangsmaßnahmen sowie Erleichterungen bei den Rückstellungen zulässig.

Somit können die aufsichtsrechtlich relevanten Solvency-II-Quoten einschließlich aller Übergangsmaßnahmen nicht direkt verglichen werden:

Reinhard Klages, Chefredakteur des map-reports, erläutert:

„Quote ist nicht gleich Quote. Je nachdem, wie die Quote ermittelt wurde, kann das Ergebnis leicht um mehrere hundert Prozent abweichen.“

Der map-report 915 bildet die Solvabilitätsquote sowohl mit Volatilitätsanpassung (VA) und Übergangsmaßnahmen (ÜM) als auch ohne jegliche Hilfsmaßnahmen ab.

In den Grafiken werden immer nur jene Gesellschaften berücksichtigt, bei denen die jeweiligen Übergangshilfen auch angewendet wurden. Auf diese Weise wird deutlich, wie groß der Einfluss einer Maßnahme auf die Bedeckungsquote ist.

Die Solvenzquote der Lebensversicherer

Von insgesamt 81 untersuchten Lebensversicherern nutzten 71 Gesellschaften die Standardberechnung SCR, die übrigen zehn ein internes System. 51 Versicherer machten von Übergangsmaßnahmen für versicherungstechnische Rückstellungen gemäß § 352 VAG und Volatilitätsanpassung nach § 82 VAG Gebrauch.

Acht Lebensversicherer nutzten ausschließlich die Übergangsmaßnahme für versicherungstechnische Rückstellungen. Weitere acht Unternehmen setzten ausschließlich auf Volatilitätsanpassung. Die WWK nutzte die Übergangsmaßnahme für risikofreie Zinssätze gemäß § 351 VAG in Kombination mit der Volatilitätsanpassung.

Die Solvenzquote der Lebensversicherer im Überblick

Trendumkehr bei Solvenzquote

Im Gesamtmarkt Leben hat sich die Solvenzquote rückläufig entwickelt. Ohne Übergangsmaßnahmen beträgt sie mittlerweile 249,1 Prozent (Vorjahr 269,6 Prozent). Ganz oben platzieren sich Europa mit 823,2 Prozent und Dialog mit 784,0 Prozent. Am anderen Ende der Skala verfehlen aktuell ein Dutzend Versicherer die 100 Prozent-Marke.

Zu den entscheidenden Faktoren für die insgesamt niedrigere Eigenmittelausstattung zählt Reinhard Klages vor allem den drastischen Zinsrückgang im Jahresverlauf 2019:

„Scheinbar konnte auch die garantiereduzierte und somit eigenmittelschonenderen Produktpolitik der Lebensversicherer dem fallenden Trend nicht entgegenwirken. Mittelfristig ist davon auszugehen, dass die marktweite Zunahme an Produkten ohne nennenswerte Garantien die Kennzahlen tendenziell weiter stabilisiert. Denn die Kapitalanforderungen werden unter Solvency II risikobasiert ermittelt. Sinkt also das Risiko, wird auch der Kapitalbedarf reduziert. Doch das könnte auch bloße Kaffeesatzleserei sein. Wie dramatisch sich alles binnen kürzester Zeit ändern kann, haben nicht zuletzt die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen eindrucksvoll bewiesen.“

Grafik: Höchste SCR-Bedeckung

Grafik: Niedrigste SCR-Bedeckung

 

Sieben Lebensversicherer verfehlen 100 Prozent-Hürde

Das MCR (Minimum Capital Requirement) definiert die Kapitaluntergrenze, bei deren anhaltender Unterschreitung die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb entzogen wird. Wenn eine Unterdeckung bereits vorliegt oder diese in den folgenden drei Monaten wahrscheinlicher ist als die Erfüllung, muss das betroffene Unternehmen die Aufsichtsbehörde informieren und einen Finanzierungsplan vorlegen. Zudem verlangt § 135 VAG, die Eigenmittel aufzustocken und/oder das Risikoprofil zu verändern.

Die MCR-Bedeckungsquote der Lebensversicherer (inklusive VA und ÜM) schwankt noch stärker als die SCR-Variante. Die Bandbreite reicht von 3.292,9 Prozent (Europa) bis 353,7 Prozent (Rheinland). Ohne Übergangshilfen verfehlen insgesamt sieben Lebensversicherer die 100 Prozent-Hürde deutlich. Von diesen Gesellschaften zeichnen drei Anbieter kein Neugeschäft mehr.

Krankenversicherer: gut gerüstet für Solvency II

Anders als die Lebensversicherer können private Krankenversicherer ihre Beiträge bei Bedarf erhöhen. Deswegen zeigen sie sich für Solvency II vergleichsweise gut gerüstet. Das schlägt sich in hohen SCR-Quoten nieder. Dabei liegt die Bandbreite zwischen 1.497,8 Prozent (Landeskrankenhilfe) und 193,7 Prozent (Ergo). Im Gesamtmarkt sank die SCR-Bedeckung ohne VA und ÜM leicht von 551,2 Prozent (2018) auf 538,7 Prozent (2019). Einzelne Unternehmen veränderten ihre Position teils erheblich.

Von 37 Krankenversicherern ermitteln vier Unternehmen ihre SCR-Quote nach einem internen Verfahren. Fünf setzen auf Volatilitätsanpassung, eines auf Übergangsmaßnahmen für versicherungstechnische Rückstellungen und ein weiteres Unternehmen auf beide Maßnahmen. Dadurch, dass kaum Hilfsmaßnahmen angewendet wurden, zeigt die MRC-Quote mit und ohne Erleichterungen kaum Unterschiede.

Corona-Krise: Prognosen schwer möglich

Die Einschätzung von BaFin-Präsident Felix Hufeld auf der kürzlich abgehaltenen Jahrespressekonferenz stimmt zuversichtlich. Seiner Einschätzung nach setzen die Corona-Maßnahmen den Lebensversicherern in der Kapitalanlage zwar zusätzlich zu, existenzbedrohend sei die Situation aber aus heutiger Sicht nicht. Eine Abfrage bei ausgewählten Unternehmen habe gezeigt, dass die Solvenzquoten zwar sinken, es komme aber bei keinem dieser Unternehmen zu einer Unterdeckung. Vor allem die Flexibilität des Regelwerks Solvency II mit den Übergangsvorschriften wäre für die Branche sehr hilfreich.

Allerdings blicken viele Versicherer eher skeptisch in die Zukunft: So werden Gewinnziele zurückgenommen und von erheblichen Beeinträchtigungen ausgegangen. Diese Auffassung ist nach dem bisherigen Informationsstand seitens der Gesellschaften eher die Regel als die Ausnahme.

Reinhard Klages sagt:

„Wenig verwunderlich wäre auch, wenn die ganze Corona-Geschichte die anhaltende Marktkonsolidierung noch beschleunigt und vor allem kleinere Anbieter aufgeben.“

 

Bilder: (1) © jirsak – stock.adobe.com (2-4) © Franke und Bornberg Research GmbH