Für eine Fahrtenbuchauflage muss der Betroffene nachweisbar über seinen Verkehrsverstoß rechtzeitig informiert worden sein und die Polizei muss ihrer Ermittlungspflicht nachgekommen sein. Dies urteilte das Verwaltungsgericht Hamburg.
Mit dem Auto des Klägers wurde ein Geschwindigkeitsverstoß begangen. Außerhalb einer geschlossenen Ortschaft war das Fahrzeug 44 km/h zu schnell unterwegs. Auf dem Blitzerfoto ist eine Frau mit langen blonden Haaren und Brille zu sehen.
Keine Reaktion des Klägers auf Zeugenfragebögen
Nach Auskunft der Behörde wurden an den Kläger Zeugenfragebögen übersandt, auf die dieser aber nicht reagierte. Über den Versand der automatisiert erstellten Schreiben gab es keine Dokumentation.
Daraufhin bat die Polizei den Mann schriftlich zur Vernehmung als Zeuge. Das Fahrerfoto fügte sie nicht bei. Die Polizei suchte mehrfach die Adresse des Betroffenen auf. Eine Ladung wurde persönlich in den Briefkasten geworfen. Der Mann entschuldigte sich, er sei im Urlaub gewesen. Dann sollte soll ein neues Gespräch stattfinden. Strittig blieb dabei, ob die Polizei darauf hingewiesen hatte, dass die Ermittlungsakte bereits wieder zurückgesandt worden war. Dem zweiten Termin kam der Mann nicht nach.
Da zu schnelles Fahren eine der Hauptunfallursachen ist, wurde der Kläger dazu verpflichtet, zwölf Monate lang ein Fahrtenbuch zu führen. Dagegen wehrte sich der Mann.
Fahrtenbuchauflage muss begründet sein
Das Gericht urteilte, dass die Auflage, ein Fahrtenbuch zu führen, rechtswidrig war. Die Behörde konnte nicht nachweisen, dass sie die Anhörungsbögen tatsächlich verschickt hat. Eine Fiktion des Empfangs der Schreiben ist nur möglich, wenn tatsächlich auch der Versand der Schreiben in der Akte dokumentiert wurde. Deswegen hat der Mann nicht rechtzeitig von dem Verkehrsverstoß erfahren und konnte also auch nicht rechtzeitig an der Aufklärung mitwirken.
Das Gericht konnte auch nicht nachvollziehen, warum die Polizei die Fahrerin nicht vor der Verfolgungsverjährung hätte feststellen können. Zunächst einmal hätte mindestens der zweite Anhörungsbogen mit Zustellungsnachweis versendet werden können.
Da der Kläger sich mit seinem Urlaub entschuldigt hat, hat er auch nicht die Mitwirkung verweigert. Zudem reicht das alleinige Aufsuchen der Wohnanschrift nicht aus, insbesondere nicht bei berufstätigen Personen. Eine Recherche hätte ergeben, dass der Betroffene nur 200 Meter entfernt sein Sachverständigenbüro habe. Man hätte ihn dort aufsuchen können.
Auch bei einer einfachen Internetsuche hätte die Polizei außerdem feststellen können, dass ein Zeitungsfoto der Frau des Fahrzeughalters dem Blitzerfoto ähnelt. Da all dies nicht erfolgte, muss der Mann kein Fahrtenbuch führen.
Urteil vom 27. Februar 2019 (Verwaltungsgericht Hamburg, Az: 15 I 127/17)
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