Versicherungsmakler schätzen die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Kunden in einigen Aspekten falsch ein. Folglich schaffen sie es nicht, der Hauptansprechpartner ihres Kunden zu werden. Die aktuelle Studie „Kundenzentrierung im Maklerkanal“ der globalen Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners hatte 500 Personen verschiedener Alters- und Berufsgruppen, die eine oder mehrere Versicherungen über einen Makler abgeschlossen haben, online befragt.
Frank Gehrig, Versicherungsexperte und Partner bei Simon-Kucher findet deutliche Worte:
Die geringe Kundenbindung gepaart mit Fehleinschätzungen der Kundenbedürfnisse durch Versicherungsmakler ist für diese in einem derart umkämpften Markt ein großes Problem. Hier ist Nachsitzen angesagt.
Ansichten gehen auseinander
Die Studie bestätigt, dass bei der Maklerwahl die Beratung und Serviceleistungen die beiden relevantesten Kriterien für einen Versicherungsnehmer sind. Die Beratung schließt dabei eine individuelle Beratung aus einer Hand, umfangreiche Risiko- und Bedarfsanalysen und klare Produktempfehlungen mit ein. Rund um die Kategorie Service sind vor allem schnelle Schadensabwicklung, persönliche Verfügbarkeit des Maklers im Schadensfall und die Beratung zur Schadenprävention relevant.
Persönlichkeitsmerkmale des Maklers wie Auftreten, Empathie und Motivation spielen dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Makler scheinen das nicht zu wissen oder schätzen die Situation falsch ein. Nach wie vor vertrauen sie verstärkt auf ihre individuellen Eigenschaften, wie zum Beispiel den persönlichen Kontakt, ihre Kommunikationsstärke und Fach- sowie Themenwissen.
Doch viel persönlicher Kontakt führt nicht unbedingt oder zwingend zu mehr Kundenzufriedenheit. Die deutliche Mehrheit der zufriedenen Kunden ist maximal einmal pro Jahr mit ihrem Makler in Kontakt. Aktive Kontaktpflege besitzt im Vergleich zu anderen Bedürfnissen nur geringe Relevanz. „Hier schätzen die Kunden eindeutig Qualität mehr als Quantität“, so Maximilian Effing, Manager bei Simon-Kucher.
Zufriedenheit hoch, Loyalität niedrig
Trotz dieses Ergebnisses sind 92 Prozent der Befragten als Versicherungskunden insgesamt mit ihren Maklern zufrieden. Weniger als ein Fünftel der Versicherten haben mehr als 80 Prozent ihrer Policen nur bei einem einzigen Makler abgeschlossen. Knapp jeder vierte Kunde gab an, nur einen Vertrag in der Betreuung eines Maklers zu haben. Interessant ist, dass nur jeder dritte Kunde seinem eine Vollmacht aushändigt. Dies steht im deutlichen Gegensatz zur Selbstwahrnehmung der Versicherungsmakler und kann fatale Folgen nach sich ziehen. Die Makler schätzen den Anteil ihrer Kunden, die eine Vollmacht ausstellen, immerhin auf 65 Prozent.
„Damit Kunden mehrere Policen bei einem einzigen Versicherungsmakler abschließen, müssen Makler ihre Strategie entscheidend verbessern“, rät Gehrig. Systematische Kundensegmentierung helfe dabei, die Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen optimal zu bedienen. Dafür spielt nach Ansicht des Experten besonders digitale Beratung eine Rolle:
Digitale Vertriebswerkzeuge, etwa zum systematischen Bestandskundenmanagement, sorgen für eine bedarfsgerechte Betreuung auf gleichbleibend hohem Niveau. Das verbessert die Kundenzentrierung und sorgt für mehr Konversion im Verkauf.
Ergebnisse auch für Versicherungen anwendbar
Diesen stärkeren Fokus auf den Endkunden müssen sich jedoch nicht nur Versicherungsmakler, sondern auch Versicherungsunternehmen aneignen. Einerseits durch die Entwicklung von Produkten mit echtem Mehrwert für ihre Zielgruppe; andererseits indem sie für Makler eine stabile Infrastruktur schaffen. „Dazu gehört vor allem eine digitale Verkaufsunterstützung, die Beratung und Verkauf aus einer Hand abdeckt und gleichzeitig Schnittstellen zur gängigen Maklersoftware besitzt“, sagt Gehrig. „Dadurch erhalten Versicherungskunden das, was sie sich wünschen: einen reibungslosen und bedarfsgerechten Abschluss ohne Medienbrüche.“
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Höhere Kundenerwartungen an das Schadenmanagement
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