Den richtigen Ton treffen – Eine passende Pflegefallabsicherung ist existenziell

Den richtigen Ton treffen – Eine passende Pflegefallabsicherung ist existenziell
© Brian Jackson / fotolia.com (2) © Glöckler Business Consulting GmbH

Ein Pflegefall zu werden, kann nicht nur ältere Menschen treffen. Die Anzahl der Pflegebedürftigen in der Altersgruppe 15 bis unter 60 Jahre lag zum Jahresende 2017 laut Statistischem Bundesamt bei fast 400.000 Personen von insgesamt über 3,4 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland. Dies kann neben der psychischen Belastung auch eine finanzielle bedeuten, wenn keine ausreichende Absicherung vorhanden ist.

Der experten Report hat mit Mike Glöckler von der Glöckler Business Consulting GmbH darüber gesprochen, wie wichtig die finanzielle Absicherung im Pflegefall ist und wie er dieses Thema bei seinen Kunden anspricht.

Herr Glöckler, wie thematisieren Sie das Pflegefallrisiko und die Absicherung der finanziellen Folgen in Ihren Gesprächen?

Mike Glöckler: Ich bringe meinen Kunden die Pflegefallvorsorge mit konkreten Beispielen aus der Praxis näher. Da der Datenschutz immer an oberster Stelle steht, verwende ich anonymisierte Daten und berichte nur über Situationen, mit denen ich privat oder beruflich konfrontiert wurde.

Eine Altersgrenze gibt es nicht: Das sind leider Kinder, die als Pflegefall geboren wurden, und Menschen mit über 90 Jahren. Durch diese Beispiele will ich aufzeigen, dass jeder dieser Pflegefälle emotionale Auswirkungen auf sein Umfeld hat. Und im Regelfall auch eine erhebliche finanzielle Auswirkung mit sich bringt.

Mike Glöckler, Geschäftsführer, Glöckler Business Consulting GmbH

Ich berate meine Mandanten grundsätzlich ganzheitlich zum Einkommens-, Vermögens- und Existenzschutz.

Dadurch fällt es meinem Gegenüber wesentlich leichter, sich eine entsprechende finanzielle Belastung vorzustellen. Im Rahmen dieser Vorgehensweise kann ich anschaulich berechnen, wie groß eine Pflegelücke für stationäre oder ambulante Pflege vor Ort sein kann.

Erleben Sie bei den verschiedenen Altersgruppen eine abweichende Akzeptanz?

Definitiv. Für den 23-Jährigen, der sich als Berufseinsteiger günstig gegen das finanzielle Risiko absichern könnte, zeigt sich im ersten Moment nicht die Nähe oder Brisanz des Themas, verglichen mit einem 58-Jährigen, dessen eigene Eltern gerade im Pflegeheim sind.

Nur weil das so ist, dürfen wir nicht nachlassen, die Pflegefallvorsorge in den Gesprächen zu thematisieren. In meinem Beratungskonzept für werdende Familien ist die Pflegefallvorsorge seit vielen Jahren standardmäßig mit dabei. Mithilfe meiner Checkliste „Geburt“ gebe ich den jungen Eltern alles an die Hand, was sie wissen müssen. Und ich rate hier immer, dass sich mindestens ein Elternteil versichert und das Kind im Rahmen der ereignisbezogenen Nachversicherungsoption nach der Geburt ohne Gesundheitsfragen nachversichert wird.

Nur leider kenne ich auch Fälle, bei denen das Baby schon bei Geburt ein Pflegefall war und die Familie keine Pflegefallvorsorge getroffen hatte. Eine extreme Situation, weil die Pflegedauer sehr lange und die finanzielle Belastung dadurch extrem hoch ist.

Welchen Argumenten stehen Kunden offener gegenüber?

Realität und das Wunschdenken differieren sehr stark. Es wird häufig verdrängt, dass das Pflegefallrisiko einen selbst oder Angehörige jederzeit treffen kann. Obwohl sich die Bereitschaft werdender Eltern, sich mit Krankheit, Tod und Pflegebedürftigkeit eines Kindes zu beschäftigen, verständlicherweise in Grenzen hält, sichern in den Beratungen 85 bis 90 Prozent mindestens einen Elternteil mit einer Pflegetagegeldversicherung ab. Ob dies Mutter und/oder Vater ist, hängt vom jeweiligen Gesundheitszustand und Alter ab.

Vergrößert sich eine Familie, haben Eltern alle Hände voll zu tun. Deshalb stimmen wir uns im Vorfeld dazu rechtzeitig ab und bereiten alles vor, damit nach der Geburt nur noch die Unterschrift zu leisten ist.

Klar, es gibt auch Mandanten, die keine Horrorgeschichten hören und sich nicht mit möglichen Risiken beschäftigen wollen. Das berücksichtige ich selbstverständlich, doch ich sehe es als meine Aufgabe an, freundlich und deutlich auf dieses Risiko hinzuweisen.

Wird die Beratung dazu abgelehnt, ist dies Teil der ausführlichen Dokumentation, die der Kunde ja bestätigt. Im Rahmen der Standard- oder der Generationenberatung berate ich Familienverbünde ganz unterschiedlicher Strukturen. Hierbei geht es dann um eine umfassende Beratung, das heißt Kinder, Eltern, deren Eltern und soweit möglich die nähere Verwandtschaft. Hier zeigen meine Erfahrungen, dass es wichtig ist, den Gesprächsverlauf dem Gegenüber anzupassen.

Vor allem bei Familien der mittleren Generation wird die Frage in Verbindung mit den eigenen Eltern oft gestellt. Mittlerweile ist bekannt, dass Kinder im Pflegefall für ihre Eltern haften, und damit sind sie sich der möglichen finanziellen Belastungen und Risiken häufig bewusst.

Steht die Pflegefallvorsorge in Konkurrenz zu anderen Absicherungen?

Nicht selten höre ich die Frage bei Erstgesprächen, ob das nicht alles schon durch die bestehenden Versicherungen abgesichert sei. Dabei geht es um Berufsunfähigkeitsschutz, Unfallversicherung, Krankenversicherung und auch das Krankentagegeld. Teilweise herrscht die Meinung vor, einiges wäre doppelt oder dreifach abgesichert. Insofern ist es wichtig, die unterschiedlichen Eintrittskriterien und Abgrenzungen nochmals zu erklären, und dazu zählen auch die Leistungen einer gesetzlichen und privaten Pflegeversicherung.

In meinen Augen ist in der Beratung entscheidend, wie gut es gelingt, sich auf die jeweilige finanzielle Situation des Kunden und seine Bedürfnisse einzustellen. Anhand einer konkreten Einnahmen-Ausgaben-Rechnung können wir sehr schnell auf Basis der bestehenden Fixkosten aufzeigen, wie hoch eine Belastung im Pflegefall oder vergleichsweise bei einem Unfall wäre. Und diese Kosten können sich drastisch unterscheiden.

Ich weiß aber auch, dass jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann. Vorsorge und Versicherung steht regelmäßig im Wettbewerb mit dem Konsumverhalten. Hier ist deshalb auch ein Kunde gefordert, offen darüber zu sprechen, worauf er Wert legt und welche Risiken für ihn Priorität haben. Diese Entscheidung muss der Kunde treffen, wenn wir ihm dafür alle nötigen Unterlagen an die Hand gegeben haben.

Empfinden jüngere Zielgruppen alternative Vorsorgemodelle oder einen BU-Schutz mit Optionstarifen für die Pflegefallvorsorge als interessanter?

Für mich ist dies – sowohl in Bezug auf Flexibilität als auch auf die Qualität – immer nur die zweitbeste Lösung, weil mit den Optionsmodellen ein bestimmtes Produkt über einen Zusatzbaustein ergänzt wird. Allerdings ist dieser Weg besser als gar keiner. Wenn das Budget klein ist und ein junger Selbstständiger auf eine Krankentagegeldversicherung oder auch eine Pflegeversicherung verzichtet, kann natürlich ein Berufsunfähigkeitsschutz mit einer Pflegeoption ein Weg sein.

Keinesfalls sollte vergessen werden, die jüngeren Zielgruppen auf eine Pflegetagegeldversicherung ohne Alterungsrückstellungen aufmerksam zu machen. Das ist zwar keine Dauerlösung, aber für junge Leute, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, eine sehr gute Lösung für den Einstieg. Für später besteht bei vielen Anbietern dann die Möglichkeit, in einen Tarif mit Alterungsrückstellungen zu wechseln.

Viele sind rund um den Leistungsbezug im Pflegefall unsicher, welche Pflegegrade abgesichert werden sollen …

Deswegen gehe ich klar und strukturiert auf die individuellen Gegebenheiten ein: Wo wohnt mein Kunde und was kosten die stationären Pflegeheime vor Ort oder in der näheren Umgebung? Unter Berücksichtigung der Leistungen aus der gesetzlichen Pflegepflichtversicherung und der Erfahrungswerte, ab welchem Pflegegrad zum Beispiel eine stationäre Pflegeversorgung in Anspruch genommen wird, errechnen wir mit folgenden Tools die Pflegelücke:

  • eine eigene Excel-Kalkulation mit allen Zahlungsströmen heute/im BU-Fall/Pflegefall,
  • die Vorsorgeinventur,
  • der Pflegeplan,
  • der BKK-Pflegefinder.

Zusätzlich wird noch eine Art Sicherheitspuffer für zusätzliche Ausgaben aufgeschlagen. Auf diese Art und Weise entsteht unsere konkrete Empfehlung auf Basis einer bedarfsgerechten Analyse.

Als Nächstes beschäftigen wir uns mit Gesundheitsfragen, bevor eine mögliche Anbieter- und Produktauswahl getroffen wird. Liegt zum Beispiel eine psychosomatische Erkrankung vor, reduzieren sich die Anbieter sehr schnell. Deswegen stehen in den Beratungen bei sämtlichen Biometriethemen die Gesundheitsfragen an erster Stelle. Es bringt nichts, ein tolles Produkt vorzustellen, das dann nicht angeboten werden kann.

Bieten Sie den Pflege-Bahr an?

Den Pflege-Bahr habe ich nur sehr selten angeboten, weil ich eine fünfjährige Wartezeit mit eingeschränkten Leistungen nicht mit gutem Gewissen empfehlen möchte. Bei kranken Menschen, die sonst keine Absicherung mehr bekommen, ist das selbstverständlich eine Lösung.

Glauben Sie, dass Pflegefallvorsorge über eine bKV besser zu verankern ist?

Die Durchdringungstiefe und auch -breite ist durch eine betriebliche Krankenversicherung in den Firmen natürlich gut. Aber bei existenziellen Produkten bin ich der Meinung, ist es sinnvoller, sich nicht an den Arbeitgeber zu binden, weil für diese Vorgehensweise noch Fragen offen sind. In meinen Augen fehlt eine rechtsverbindliche Bestätigung der Anbieter, dass bei einem Arbeitgeberwechsel der Kunde die Versicherung privat zu gleichen Konditionen weiterführen kann.

Bestünde bei mehreren Anbietern die Möglichkeit, den Versicherungsschutz mitzunehmen, dann wäre der Einkommensschutz über das Unternehmen ein interessanter Weg, da wir damit viele Menschen erreichen könnten. Insgesamt ist die Durchdringung im Markt schon besser als noch vor zehn Jahren. Vor allem bei den ab 40-Jährigen ist das Bewusstsein dafür, ein Pflegefall werden zu können, gewachsen.

Gibt es bei den monatlichen Beiträgen eine Art imaginäre Schallmauer?

Einen festen Betrag zu nennen, ist schwierig, da dies ja von vielen persönlichen Faktoren und natürlich vom Nettoeinkommen abhängt. Unsere Erfahrungswerte zeigen, dass die Generation 50 bis 60 plus bereit ist, etwas mehr als 100 Euro monatlich zu zahlen. Teilweise sind schon Vorerkrankungen vorhanden und es ist ein gutes Gefühl, wenn man sich noch absichern kann.

Hinzu kommt, dass es sich viele einfach leisten können. Auf der anderen Seite sind 15 Euro im Monat bei einem Anfang 30-Jährigen und einem Nettoeinkommen von etwas über 1.200 Euro schon kritisch. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns und letztendlich entscheidet der Kunde.

Vergleichen Ihre Kunden auch bei der Pflegevorsorge online?

Zum Thema Pflegetagegeld orientieren sich viele vorab „mal schnell im Internet“ – und bevorzugen aufgrund der Komplexität dann doch die individuelle Beratung bei uns – per Online-Beratung, telefonisch oder in der Kanzlei.

Herr Glöckler, vielen Dank für das interessante Gespräch.

Mehr zum Thema in der experten-Report-Ausgabe 05/19

 

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