Herzlichen Glückwunsch zur Silberhochzeit

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Mein ältester Sohn ist seit gut zehn Jahren in unserer faszinierenden Branche tätig. Ich selbst bin vor mehr als 30 Jahren als typischer Nebenberufler eingestiegen und wenn wir uns über die guten alten Zeiten unterhalten, schaut er mich mit einem Blick an, als ob Opa vom Krieg gegen die Russen erzählt. Für jemanden, der nur die heutigen Zeiten kennt, sind die Geschichten von damals nahezu unfassbar: Auf zum Gewerbeamt der Wohngemeinde, 20 D-Mark opfern und das Gewerbe „Vermittlung von Versicherungen und Bausparen“ anmelden! Fertig. Das war an formalen Voraussetzungen alles und man konnte loslegen. Im Strukturvertrieb wurde vorher ein Karriere-Meeting besucht, in der fachlich versierteren Assekuranz wurde zumindest in Grundzügen das Thema „Was ist eine Versicherung?“ vor dem ersten Kundenbesuch behandelt.

Fleißige Menschen, die ihr Verkaufsgespräch beherrschten und in der Lage waren, die eine oder andere Empfehlung zu generieren, konnten als Ein-Mann-Wohnzimmeragentur in dieser Zeit völlig problemlos ein sechsstelliges Jahreseinkommen erzielen. Der Ehemann im Außendienst, die Ehefrau zu Hause, den Rücken freihaltend und das Telefon bewachend, war ein echtes Erfolgsmodell, mit dem ansehnlicher wirtschaftlicher Wohlstand aufgebaut werden konnte.

Götz Wache, Mentor und Übungsleiter
Götz Wache, Mentor und Übungsleiter

Wer im Bereich Lebensversicherung tätig war, erinnert sich noch gerne: 3,5 Prozent oder 4 Prozent Garantiezins, ca. 7 Prozent Überschussbeteiligung und 24 Monate Stornohaftung. Die erste Mitteilung über den Vertragsstand erreichte den Kunden deutlich nach Ablauf der Stornohaftungszeit und wer gut reden konnte, dem reichte in der Regel ein Termin für Vorstellung und Abschluss des Produktes. Gemessen an dem Standard, den mein Sohn heute erfüllen muss, bin ich reiner Amateur gewesen,der sehr gutes Geld verdient hat.

In den letzten 25 Jahren ist in unserer Branche kein Stein auf dem anderen geblieben. Nichts ist, wie es war. Manche Bereiche haben zugenommen, andere sind weniger geworden. Zugenommen haben: Beratungspflichten, Dokumentationspflichten, Qualifizierungspflichten, Anforderungen an die Vermögensschadenhaftpflicht, die Fülle der Unterpunkte des § 34 GewO mit allem, was sich daraus ergibt, Stornohaftungszeiten, allgemeiner Verwaltungsaufwand und rein administrative Tätigkeiten.

Prämien sind effektiv gesunken

Der Preiskampf ist gewaltig, die Transparenz maximal und die Komplexität der Produkte überfordert regelmäßig sogar professionelle Tester und Vergleicher. Abgenommen haben dagegen zum Beispiel die Beiträge für die meisten Sachversicherungen. Betrachten wir das heutige Prämiengefüge im Sachversicherungsbereich, rechnen die gestiegenen Versicherungssteuern raus und bereinigen die Beiträge um die Inflation, können wir feststellen, dass die Prämien effektiv gesunken sind im Verhältnis zum Niveau von 1994. Wenn es dumm für Sie lief, mussten Sie in den vergangenen Jahren zusätzlich Abrieb bei den ursprünglich vereinbarten Courtagehöhen hinnehmen. Unterm Strich also deutlich weniger Geld pro Abschluss.

Die erheblichen Änderungen bezüglich der Vergütung von Leben und Kranken seien nur am Rande gestreift, die sind hinlänglich bekannt. Die Niedrigzinsphase mit ihren massiven Auswirkungen auf die Produkte im Personenversicherungsbereich erschwert den Absatz der sehr komplex konstruierten Produkte zusätzlich und es dauert inzwischen bis zu zehn Jahre, bis die vereinnahmten Provisionen auch tatsächlich verdient sind. Keiner anderen Branche wird so lange rückwirkend für bereits geleistete Arbeit in die Tasche gegriffen.

Deregulierung der Märkte verändert Branche

Seit der Deregulierung der Märkte hat sich das Verhältnis von Aufwand zu möglichem Ertrag extrem zu unseren Ungunsten verschoben. Die reine Feststellung ist das eine, die Kernfrage aber lautet: „Was schließe ich für mich daraus?“ Diejenigen, die aufgeben, sich aus der Branche zurückziehen, und diejenigen, die versuchen, sich mit „Augen zu und weiter so“ für die letzten paar Jahre durchzuwurschteln, lassen wir an dieser Stelle mal außen vor. Welchen zwingenden Schluss müssen die anderen ziehen? Die Männer und Frauen, die hier ihre Zukunft sehen und noch ein, zwei oder drei Jahrzehnte Arbeitsleben vor sich haben? Aus meiner persönlichen Sicht kann die Schlussfolgerung nur lauten: zunehmende Unternehmensgröße und Professionalisierung!

Der zugrunde liegende Gedankengang ist simpel. Nur in dem Augenblick, in dem der Kunde unterschreibt, wird Geld verdient. Ob das immer noch auf einem mehrseitigen Papierantrag erfolgt oder bereits in digitaler Form, ist völlig unerheblich. Sämtliche andere Tätigkeiten, sämtlicher anderer Zeitaufwand ist eine Umverteilung der in dieser Sekunde erzielten Erträge. Einnahmen in einer Größenordnung, wie sie früher von Amateuren erzielt werden konnte, werden heute und vor allem künftig nur noch von Profis erreicht, die in ihrem Unternehmen Rahmenbedingungen schaffen, unter denen sie so oft wie irgend möglich mit einem Kunden ein Beratungsgespräch führen.

Um es ganz platt auszudrücken: Es geht um die Schlagzahl der durchzuführenden Kundengespräche. Daran hat sich nichts geändert, doch während es früher ausreichte, den Verkäufer nur häufig genug vor die Tür zu jagen, müssen Sie heute als Unternehmer ein Umfeld schaffen, in dem der Verkäufer überhaupt die Zeit für eine ausreichende Anzahl von Beratungsgesprächen hat, und ihn von möglichst allen Nebentätigkeiten freihalten. Das funktioniert nur in Unternehmen mit einer gewissen Mindestgröße und mit Arbeitsteilung. Meine Coaching- und Beratungstätigkeit führt mich nahezu täglich zu Unternehmern, vorzugsweise in der Assekuranz, die diese Entwicklung genauso sehen und versuchen, ihre Unternehmen in dieser Richtung immer professioneller aufzustellen.

Ein Muss: Fähigkeiten in der Unternehmens- und Menschenführung

Während es früher ausreichte, mit der eigenen Ehefrau klarzukommen, sind heute Fähigkeiten in der Unternehmens- und Menschenführung gefragt. Überraschenderweise ist festzustellen, dass diese Fähigkeiten in den allermeisten Fällen nicht gottgegeben sind und genauso wenig im Laufe eines Berufslebens plötzlich vom Himmel fallen. Doch so wie der Verkauf eine erlernbare Fähigkeit ist, sind auch die betriebswirtschaftlich sinnvolle Unternehmensführung sowie die zielgerichtete und gleichzeitig faire Menschenführung Dinge, die man lernen kann. Im innerbetrieblichen Training on the Job sind diese Veränderungen gut zu transportieren und mit etwas gutem Willen nach einiger Zeit in Fleisch und Blut übergegangen.

Auf der unternehmerischen Seite geht es in den allermeisten Fällen primär darum, Zeit freizuschaufeln. Es ist ja bei Weitem nicht so, dass es an Fleiß mangelt. 60 und mehr Stunden in der Woche sind keine Ausnahme bei den unmittelbar im Vertrieb tätigen Menschen. Störfaktoren identifizieren, Engpässe im Ablauf ausmachen, Reibungsverluste innerhalb der Organisation erkennen sind die Punkte, die mit einem externen Coach auf einmal ganz einfach gehen, weil der professionelle Blick von außen eben nicht durch eine unter Umständen über Jahre gewachsene Betriebsblindheit getrübt ist.

Typische Stichworte:

  • ƒWie organisiere ich eine perfekte Arbeitswoche?
  • ƒWie steht es um die Arbeitsplatzorganisation?
  • ƒHaben wir eine klare Rollen- und Aufgabenverteilung?
  • ƒSind die Kunden klassifiziert und wie sprechen wir die einzelnen Kundengruppen an?

Auf der Seite der Menschenführung geht es im Kern um die Fragen der Weiterentwicklung der Menschen in meinem Unternehmen. Welche Werkzeuge gibt es, welche Führungsinstrumente gibt es, um in einem wertschätzenden und für alle Beteiligten angenehmen Prozess die Leistungsfähigkeit und den Spaß an der Arbeit zu steigern?

Typische Stichworte:

  • ƒWie verbessern wir das Selbstmanagement der Menschen im Unternehmen?
  • ƒWie gestalte ich ein Teammeeting, an dem alle gern teilnehmen und das wirkliche Ergebnisse liefert?
  • ƒWeiß ich wirklich, was meine Mitarbeiter motiviert, und wie gehe ich mit diesem Wissen sinnvoll um?
  • ƒWie geht Teamentwicklung?
  • ƒWie führe ich Einzelgespräche, die mich und den Mitarbeiter weiterbringen?

 

Wir erleben derzeit einen gewaltigen Umbruch. Die alten Zeiten sind vorbei und die neuen sind noch nicht ganz da. Für diejenigen, die die Anforderungen erkennen und sich professioneller aufstellen, sind die Zukunftsaussichten nach wie vor absolut rosig. Bei aller Digitalisierung gilt: Versicherungen werden nicht gekauft, sondern verkauft. Dazu brauchen wir auch in Zukunft Menschen, die auf einen anderen Menschen zugehen und ihm erklären, dass er einen Bedarf hat (über den er sich in den meisten Fällen nicht im Klaren ist), und für diese Problemstellung eine Lösung in Form eines adäquaten Produktes anbieten.

Kurz: Wir brauchen Verkäufer. Der Flaschenhals, der Engpass im System, ist wie immer die Frage, wie viele Gespräche Sie am Tag führen. Wenn die professionellen Rahmenbedingungen dafür sorgen, dass die Anzahl dieser Gespräche ausreichend hoch ist, funktioniert das System.

 

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