Provisionsdeckel verfassungswidrig – SPD und die Bayerische auch dagegen

Gutachten ergeben: Provisionsdeckel ist verfassungswidrig
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Zwei Gutachten der Rechtsexperten Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier und Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski kommen zu dem Ergebnis, dass ein Provisionsdeckel im Bereich der Lebensversicherung sowohl verfassungsrechtlich als auch europarechtlich unzulässig ist.

Auch das Wirtschaftsforum der SPD e.V. lehnt den von der Bundesregierung geplanten gesetzlichen Provisionsdeckel in der Lebensversicherung ab, auch aus Sorge, dass die Anzahl der Versicherungsvermittler weiter abnimmt.

Harald Christ, Schatzmeister des Wirtschaftsforums der SPD e.V., dazu:

„Die […] veröffentlichten Gutachten des Bundesverbands Finanzdienstleistung, des Verbands Unabhängiger Finanzdienstleistungsunternehmen in Europa (VOTUM) und der Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler sind eindeutig: Ein Provisionsdeckel würde gegen das Grundrecht auf Gewerbefreiheit verstoßen und zu Wettbewerbs- und Marktverzerrungen in Europa führen.“

Auch die Versicherungsgruppe die Bayerische lehnt eine mögliche Einführung eines Provisionsdeckels. Deshalb hat die Bayerische aktiv im Vorfeld die aktuellen Rechtsgutachten zu dem Thema von den Rechtsexperten Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier und Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski unterstützt.

Martin Gräfer, Vorstand der Versicherungsgruppe die Bayerische, sagt:

„Wir teilen die Analyse der beiden Rechtsexperten ausdrücklich. Ein Provisionsdeckel führt in die falsche Richtung. Er hilft weder Verbrauchern noch Versicherungsvermittlern – aber auch nicht den Versicherungsunternehmen. Eine politische Regulierung ist schlicht nicht notwendig, der Vorschlag führt zu einem unnötigen weiteren staatlichen Eingriff in die private Wirtschaft und in die verfassungsrechtlich garantierte Gewerbefreiheit.“

Im Evaluierungsbericht des Bundesfinanzministeriums zum Lebensversicherungsreformgesetz ist die Schaffung eines gesetzlichen Provisionsdeckels im Bereich der Lebensversicherung vorgesehen. Seitdem wird über die Folgen, Zulässigkeit und Ausgestaltung eines LV-Provisionsdeckels spekuliert.

Keine gravierenden Missstände

Vor allem wurde die verfassungsrechtliche Zulässigkeit angezweifelt, da weder das BMF noch die BaFin gravierende Missstände aufzeigten, die einen so schwerwiegenden Eingriff in die gesetzlich garantierte Gewerbefreiheit der Versicherungsvermittler und die Privatautonomie der Unternehmen rechtfertigen.

Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier und Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski untermauern diese Kritik nun: Die beabsichtigte Einführung eines gesetzlichen Provisionsdeckels wird als Eingriff in Grundrechte und Europarecht gewertet, der Provisionsdeckel verstoße gegen die Berufsausübungs- und Dienstleistungsfreiheit.

Keine Rechtfertigung für Eingriff

Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, Staatsrechtswissenschaftler und ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, beantwortet mit einem klaren ‚Nein’ in seinem aktuell vorgelegten „Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit eines gesetzlichen Provisionsdeckels für die Vermittlung von Lebensversicherungen“ die Frage der verfassungsrechtlichen Legitimation.

Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts

Er konstatiert, dass „die gesetzliche Einführung eines Provisionsdeckels bei der Vermittlung von Lebensversicherungsverträgen einen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung der Versicherungsunternehmer und der Versicherungsvermittler aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz darstellen“ würde. Jedoch „wäre ein solcher Eingriff nicht durch verfassungslegitime Gründe des gemeinen Wohls gerechtfertigt. Das Vorliegen solcher Gründe ist empirisch nicht belegbar.“

Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier folgert im Gutachten:

„Der Gesetzgeber überschritte seinen von der Verfassung eingeräumten Einschätzungs-, Bewertungs- und Prognosespielraum, wenn er solche Gründe und deren Voraussetzungen ohne jede tatsächliche Fundierung unterstellte.“

Er berücksichtigt auch die ungleichen Beratungs- und Vertriebswege wie Vertreter und Versicherungsmakler. Unter einen Provisionsdeckel, der „undifferenziert für alle Versicherungsvermittler im Bereich der Lebensversicherungen gelten würde, fielen sehr unterschiedliche Berufsgruppen und Berufsbilder mit sehr unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern, Aufgaben und Pflichten“.

Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier berücksichtigt in seinem Gutachten auch die diversen Stellungnahmen der Bundesregierung zur Finanzstabilität der Lebensversicherungsgesellschaften.

Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier folgert:

„Bei dieser Sachlage erscheint ein gesetzlich eingeführter Provisionsdeckel unabhängig von der letztlich gewählten Höhe als willkürlicher gesetzgeberischer Aktionismus. Das gesetzgeberische Ziel einer weiteren Senkung der Vertriebskosten kann somit einen normativen Provisionsdeckel und den damit verbundenen Eingriff in die berufsspezifische Vertragsfreiheit der Vermittler nicht legitimieren.“

Verstoß gegen garantierte Dienstleistungsfreiheit

Der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski begründet in einem weiteren Rechtsgutachten über die „Europarechtliche Zulässigkeit eines Provisionsdeckels in der Deutschen Lebensversicherung“, warum „der geplante Preisdeckel gegen die in Artikel 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union garantierte Dienstleistungsfreiheit verstoßen“ würde.

Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski

Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, „dass ein solcher Preisdeckel im zwingenden Allgemeininteresse notwendig sein sollte“, so der Lehrstuhlinhaber für Bürgerliches Recht, Handelsrecht, Wirtschaftsrecht sowie Europarecht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zudem würde der Provisionsdeckel „gegen zwingende Allgemeininteressen verstoßen, da er in die Produktgestaltungsfreiheit der Versicherer ohne Sachgrund eingreifen würde und zugleich eine Qualitätsabwärtsspirale sowohl bei den Versicherern als auch bei den Vermittlern auslösen würde“.

Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski berücksichtigt im Gutachten auch die jüngste Regulierung durch die EU-Vermittlerrichtlinie IDD und kommt zu dem Ergebnis:

„Die IDD enthält keinerlei Regelungen, die es rechtfertigen würden, die Vertriebsentgelte für alle Vermittlertypen bei Lebensversicherungen jeder Art der Höhe nach zu deckeln.“

Provisionsdeckel nicht im Sinne des Verbraucherschutzes

Norman Wirth, AfW-Vorstand, ist sich sicher:

„Es wird keinen Provisionsdeckel geben! Weiter an den Plänen festzuhalten, hieße spätestens jetzt sehenden Auges den Versuch eines Verfassungsbruchs zu starten und gegen europarechtliche Vorgaben zu verstoßen.“

Die Spitzenfunktionäre vom Bundesverband Finanzdienstleistung AfW e. V., VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e. V. sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler BFV  warnen neben den juristischen Bedenken auch vor den negativen Folgen für den Risikoschutz der Bürger, deren Altersvorsorge und die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland. Der vom BMF angedachte Provisionsdeckel gefährde den wichtigen Berufsstand der Versicherungsvermittler, führe zu geringerer Beratung und erschwere Verbrauchern den Zugang zur notwendigen Versicherungs- und Finanzberatung, so Wirth, Klein und Hausen in einer gemeinsamen Erklärung.

Erwin Hausen, BFV-Koordinator, dazu:

„Ein Provisionsdeckel würde in besonderem Maße die im Lager des Kunden stehenden Versicherungsmakler betreffen und gefährden. Das wäre nicht im Sinne des Verbraucherschutzes.“

 

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