EuGH: Steuerberatung von Inländern durch ausländische Berater*

Durch das Urteil vom 17.12.2015 (Az. C-342/14) entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass ausländische Steuerberatungsgesellschaften im Inland zur Steuerberatung befugt sind. Voraussetzung ist dafür nach den Worten im Schlussantrag des Generalanwaltes beim EuGH „die Anerkennung der Gesellschaft und die Bestellung ihrer Leitungsorgane als Steuerberater“ (StB) – und zwar nur im EU-Ausland. Es ist nicht entscheidend, ob es im Ausland möglicherweise keine Reglementierung gibt, also etwa keine besondere Steuerberaterprüfung nebst Zulassungsverfahren.

(PDF)
hammer-recht-geldscheine-94624654-FO-weyohammer-recht-geldscheine-94624654-FO-weyo
cms.lnxkv.x *von Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala

Im vorliegenden Fall hatte eine Person, welche für die britische StB-Gesellschaft handelte, in Deutschland die StB-Zulassung verloren. Ohne Prüfung und Zulassung kann man etwa auch in der Schweiz ein Büro als Wirtschaftstreuhänder, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer eröffnen. Der Normalbürger in der Schweiz bekommt steuerliche Beratung kostenlos im Amt – in den Niederlanden erfolgt beim Zuzug als Bürgerservice der Hausbesuch eines Finanzbeamten.

Kein konsequenter Verbraucherschutz durch deutsches Steuerberatungsgesetz (StBerG)

Der Generalanwalt verweist auf die zahlreichen Personen, die nach § 4 StBerG steuerlich beratend und vertretend tätig sein dürfen – ohne StB-Prüfung. Beispielsweise darf der Vermittler von Verträgen nach dem Wohnungsbau-Prämiengesetz beim Ausfüllen des Prämienantrags helfen, § 4 Nr.12 StBerG. Im Verfahren vor dem EuGH handelte es sich um eine britische Kapitalgesellschaft als StB, mit Niederlassungen in Belgien und Holland, die ohne Grenzübertritt steuerlich für deutsche Auftraggeber tätig ist.

Die StB-Gesellschaft rügte mit Erfolg einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV). Der Bundesfinanzhof legte § 3a StBerG bis dahin so aus, dass ausländische StB zur vorübergehenden Dienstleistung nur befugt sind, wenn sie dazu einreisen. Dann bedarf es jedoch der Registrierung im Inland, und dafür wiederum u.a. des Nachweises einer Haftpflichtversicherung.

Inländerdiskriminierung durch EU-Recht

cms.aozfb.x *und Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik

Früher hatte der Bundesgerichtshof (BGH, Versäumnisurteil vom 26. Januar 2006, Az. IX ZR 225/04) festgestellt, dass die Sozietät eines ausländischen StB mit einem inländischen StB keine Befugnis des Ausländers zur steuerlichen Beratung im Inland erzeugt. Ist nur ein StB der Sozietät ohne Zulassung im Inland, ist der Vertrag mit einer solchen Kanzlei null und nichtig, § 5 StBerG, § 134 BGB. Der BGH hatte offen gelassen, wie der Fall zu entscheiden wäre, wenn es eine überörtliche Sozietät wäre – bestehend aus Kanzleien in verschiedenen Ländern.

Bereits durch Urteil vom 11.12.2003 (Az. C-215/01) gestattete der EuGH längere und häufigere Tätigkeiten von Handwerkern ohne Meistertitel mit Rücksicht auf die EU-Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit. Einen Mindestlohn müssen die Ausländer auch nicht bezahlen. Sogar die Ausschreibung öffentlicher Aufträge mit Mindestlohnvorgabe verstößt gegen EU-Recht (Urteil vom 18.09.2004, Az. C-549/13).

Auch der Schuldenbereinigung aus dem Ausland hatte der BGH eine Absage erteilt (BGH, Urteil vom 05.10.2006, Az. I ZR 7/04): Ein Holländer hatte keine Zulassung gemäß §§ 305 ff. InsO besessen. Dies liegt auf der Linie des EuGH, der durch Urteil vom 12.12.1996 (Az. C-3/95) das deutsche Verbot gerichtlicher Einziehung von Forderungen nach dem Rechtsberatungsgesetz - auch bei ausländischen Unternehmen - für EU-Konform hält.

Finanzdienstleistungen einschließlich steuerlicher Beratung aus einer Hand?

Seit jeher dürfen Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber steuerlich und rechtlich beraten. Lässt sich ein Versicherungsmakler oder sonstiger Finanzdienstleister vorübergebend oder kurzfristig beschäftigen, darf er in diesem Rahmen beispielsweise Versorgungsordnungen in der bAV gestalten oder das Unternehmertestament vorbereiten – ganz ohne StB-Prüfung oder Staatsexamen. Lohnarbeiter im Weinberg wurden auch vor 2000 Jahren schon manchmal erst am späten Nachmittag angestellt – ihnen den vollen Tageslohn zu zahlen war eher ungewöhnlich.

Der EuGH weist dem Finanzdienstleister den Weg der Sitzverlegung ins liberalere Ausland, um von dort aus dann zulässigerweise verschiedene gebündelte Dienstleistungen aus einer Hand anzubieten. Dann könnten - die verbotene Schadensregulierung (BGH, Urteil vom 14.01.2016, Az. I ZR 107/14), die untersagte Tätigkeit als Tarifwechselmakler (LG Saarbrücken, Urteil vom 17.05.2016, Az. 14 O 152/15) sowie das nicht gestattete Inkasso von Prämien und –Erstattungen (§§ 4, 5, 10 RDG, § 134 BGB), einschließlich der bei uns verbotenen steuerlichen Beratung - im Ausland legal sein, weil nicht reguliert, also Jedermann gestattet.

Dann wäre es eine Option ergänzend zu einem Online-Portal zur Vermittlung durch einen Roboter, auch noch eine Beratung aus dem Ausland heraus anzubieten.

Der Inländerdiskriminierung entgehen

Eine Einschränkung der Berufstätigkeit in Deutschland für EU-Ausländer im freien Dienstleistungsverkehr ist nur zulässig, wenn sie durch Erwägungen des Allgemeininteresses begründet werden kann. Dies ist zum Beispiel weder bei der Spartentrennung von Kranken- und sonstiger Schadenversicherung der Fall, noch bei der Begrenzung des Höchstrechnungszinses in der Lebensversicherung. Daher dürfen ausländische Krankenversicherer in Deutschland auch sonstige Schadenversicherungen anbieten und Lebensversicherer aus der EU mehr als den Höchstrechnungszins laut Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG).

Auch die staatliche Regulierung des Glücksspiels und von Sportwetten gilt nicht für Anbieter, die bereits im EU-Ausland tätig sein dürfen. Denn die Begründung, dies sei zur Bekämpfung von Spielsucht aus Gründen des Allgemeininteresses erforderlich, überzeugt in der EU nicht, weil dieses Ziel in Deutschland gar nicht effizient verfolgt wird. Eine Inländerdiskriminierung wird sehr oft sogar von den Betroffenen verteidigt oder gar verlangt – so beim Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung durch den Gesamtverband der Versicherungswirtschaft und die Aktuarvereinigung, ebenso bei Provisionsbegrenzungen in der Krankenversicherung und dem Provisionsabgabeverbot.

Wäre dies von Erwägungen des Allgemeininteresses getragen, so würde der Gesetzgeber dies doch statt im VAG nur für Versicherer mit Sitz in Deutschland im Versicherungsvertragsgesetz regeln und damit für alle in Deutschland abgeschlossenen Versicherungsverträge verbindlich machen. Das darf er aber EU-rechtlich nicht, weil gar kein Allgemeininteresse dargelegt werden kann – somit zeigt der Gesetzgeber seine Absicht der Inländerdiskriminierung. Das gleiche gilt für die Begrenzung von Höchstzillmersatz und von Abschlusskosten, die für grenzüberschreitend tätige Versicherer aus der EU in Deutschland ebenso wenig gelten.

Insofern liegt aus EU-Sicht in allen diesen Fällen lediglich eine in der EU nicht anzuerkennende Inländerdiskriminierung vor. Es besteht daher aller Grund, solche Diskriminierung als das zu sehen, was es ist – und ihr wo möglich durch Verlagerung des Sitzes ins EU-Ausland zu entgehen.

*von Dr. Johannes Fiala, RA (München), RB, VB, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de)

und

Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).

Bild: (1) © weyo / fotolia.com (2) © Fiala (3) © Schramm

(PDF)

LESEN SIE AUCH

Anzugtraeger-Mugshot-199134155-FO-adzicnatasaAnzugtraeger-Mugshot-199134155-FO-adzicnatasa
International

Sanktionen und ihre Auswirkungen, Teil 2

Im zweiten Teil über Sanktionen und ihre Auswirkungen zeigen Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala und Dipl.-Math. Peter A. Schramm weitere Fälle auf – von den Russland-Sanktionen über Kuba und die Türkei bis zum Immobilienerwerb durch Terroristen.
Mann-lange-Nase-109330019-FO-ollyMann-lange-Nase-109330019-FO-ollyolly – fotolia.com (2) © Rechtsanwaltskanzlei Dr. Johannes Fiala (3) © Aktuariat Schramm

Warum auch im PKV-Vertrieb Schulungs- und Vertriebsleiter persönlich haften

Landauf, landab beklagen Versicherungsmakler, freie Finanzdienstleister und Bankberater, dass sie auf Vertriebsveranstaltungen von Schulungsleitern eigentlich nur positiv erscheinende Produkteigenschaften durch bunte Bilder, hübsche Flyer und nette Worte erfahren. Negative Produkteigenschaften, vor allem Risiken und Nebenwirkungen, erfährt man dort kaum. So ist es nicht verwunderlich, dass es Vertriebsleitern und  -vorständen nur allzu gelegen kommt, wenn primär unkritische Finanzvermittler ...
Anzugtraeger-Anzugtraegerin-Laptop-Richterhammer-284557160-AS-amnajAnzugtraeger-Anzugtraegerin-Laptop-Richterhammer-284557160-AS-amnajntinai – stock.adobe.com

Gesetzliche Beschränkung auf den Rückkaufswert bei Widerruf von LV ist EU-rechtswidrig

Der EuGH entschied (Urteil vom 19. Dezember 2019, Az. C355/18, C-357/18, C-479/18), dass eine Regelung im Versicherungsvertragsrecht, wonach der Versicherungsnehmer (VN) beim Widerruf oder Rücktritt lediglich auch nur den Rückkaufswert genau wie bei einer Kündigung erhält, gegen höherrangiges EU-Recht verstößt.
Laptop-Schloss-273092069-AS-Blue-Planet-StudioLaptop-Schloss-273092069-AS-Blue-Planet-StudioBlue Planet Studio – stock.adobe.com (2) © Wirth–Rechtsanwälte Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB
Management

Versicherungsmakler: Online rechtssicher unterwegs!

Die Art und Weise, wie Versicherungen vermittelt werden, hat sich in den letzten Jahren sehr gewandelt. Während früher Versicherungsfragen in persönlichen Gesprächen geklärt und Versicherungsanträge auf Papier aufgenommen wurden, haben Vermittler heute oftmals kaum noch persönlichen Kontakt zu ihren Kunden.

Unsere Themen im Überblick

Informieren Sie sich über aktuelle Entwicklungen und Hintergründe aus zentralen Bereichen der Branche.

Themenwelt

Praxisnahe Beiträge zu zentralen Themen rund um Vorsorge, Sicherheit und Alltag.

Wirtschaft

Analysen, Meldungen und Hintergründe zu nationalen und internationalen Wirtschaftsthemen.

Management

Strategien, Tools und Trends für erfolgreiche Unternehmensführung.

Recht

Wichtige Urteile, Gesetzesänderungen und rechtliche Hintergründe im Überblick.

Finanzen

Neuigkeiten zu Märkten, Unternehmen und Produkten aus der Finanzwelt.

Assekuranz

Aktuelle Entwicklungen, Produkte und Unternehmensnews aus der Versicherungsbranche.

Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk

Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.

"Viele Eltern unterschätzen die finanziellen Folgen, wenn ihr Kind berufsunfähig wird."
Ausgabe 10/25

"Viele Eltern unterschätzen die finanziellen Folgen, wenn ihr Kind berufsunfähig wird."

Jens Göhner, Leiter Produktmanagement der Stuttgarter
"Unabhängigkeit hat viele Gesichter"
Ausgabe 07/25

"Unabhängigkeit hat viele Gesichter"

Was bedeutet Unabhängigkeit im Versicherungsvertrieb wirklich?
"Das Gesamtpaket muss stimmen"
Ausgabe 05/25

"Das Gesamtpaket muss stimmen"

Bernd Einmold & Sascha Bassir
Kostenlos

Alle Ausgaben entdecken

Blättern Sie durch unser digitales Archiv im Kiosk und lesen Sie alle bisherigen Ausgaben des ExpertenReports. Zur Kiosk-Übersicht