GPT-4.5: Inkrementelle Optimierung statt bahnbrechender Fortschritt

Mit der Veröffentlichung von GPT-4.5 am 27. Februar 2025 setzt OpenAI den Weg der schrittweisen Modellverbesserung fort. Die neue Version bringt eine effizientere Rechenleistung, reduziert Fehler und verarbeitet längere Kontexte zuverlässiger. Doch aus technologischer Sicht handelt es sich nicht um eine bahnbrechende Neuerung, sondern vielmehr um eine inkrementelle Optimierung innerhalb der bestehenden Architektur.

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Die fundamentale Grenze bleibt bestehen. GPT-4.5 ist kein autonomes wissenschaftliches System.Die fundamentale Grenze bleibt bestehen. GPT-4.5 ist kein autonomes wissenschaftliches System.Foto: Adobestock

Wer aus der Mathematik kommt, kennt dieses Prinzip: Ein numerisches Verfahren, das in jeder Iteration eine bessere Näherung an die exakte Lösung liefert, bleibt dennoch dem zugrundeliegenden Algorithmus treu. Die Fortschritte sind messbar, aber die grundlegenden Prinzipien ändern sich nicht. Ähnlich verhält es sich mit GPT-4.5 – es ist ein verfeinertes Werkzeug, aber kein grundlegend neues Paradigma der Künstlichen Intelligenz.

OpenAI-CEO Sam Altman bringt es pragmatisch auf den Punkt:
"GPT-4.5 ist ein riesiges, teures Modell." Gleichzeitig soll es sich so anfühlen, „als würde man mit einem aufmerksamen Menschen sprechen.“

Technische Verbesserungen ohne fundamentale Innovation

GPT-4.5 nutzt weiterhin die Transformer-Architektur, erweitert jedoch das Kontextfenster, um größere Mengen an Text kohärent zu verarbeiten. Optimierungen in der Parallelisierung von Berechnungen reduzieren Latenzen, während verbesserte Fehlererkennungsmechanismen die Wahrscheinlichkeit von Widersprüchen und Halluzinationen verringern.

In wirtschaftswissenschaftlicher Analogie gesprochen: Man könnte GPT-4.5 mit einer weiterentwickelten, aber nicht disruptiven Produktlinie vergleichen. Ein Automobilhersteller, der ein bewährtes Modell mit effizienteren Motoren, besserem Fahrassistenzsystem und optimierter Aerodynamik ausstattet, liefert einen echten Mehrwert – aber es bleibt dennoch ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Der Sprung zum vollelektrischen oder autonomen Fahren ist eine andere Dimension technologischer Veränderung.

Das bedeutet für die Nutzer: Wer mit früheren Modellen bereits produktiv gearbeitet hat, wird mit GPT-4.5 effizienter und komfortabler arbeiten können. Wer jedoch auf eine grundlegende Transformation in der KI-Entwicklung gehofft hat, wird feststellen, dass die gleichen strukturellen Einschränkungen weiterhin bestehen.

GPT-4.5 aus mathematischer Sicht

Ein Mathematiker, der GPT-4.5 für wissenschaftliche Texte oder Modellanalysen nutzt, wird feststellen, dass die Formulierungen präziser und die Argumentationslinien stringenter sind. Waren in älteren Versionen Korrekturen nötig, weil das Modell gelegentlich unklare oder unnötig komplexe Formulierungen wählte, so sind solche Fälle nun seltener.

Aber: Die fundamentale Grenze bleibt bestehen. GPT-4.5 ist kein autonomes wissenschaftliches System. Es kann keine neuen mathematischen Theorien aufstellen, keine originellen Forschungsergebnisse generieren und keine kreativen Lösungen für ungelöste Probleme finden. Vielmehr bleibt es ein hochentwickeltes Werkzeug, das bestehendes Wissen verarbeitet und strukturiert darstellt.

In wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive wäre dies vergleichbar mit der Effizienzsteigerung durch eine bessere Prozessautomatisierung: Höhere Produktivität bei gleichbleibendem Prinzip.

Ökonomische und strategische Einordnung

Nach der Einführung für ChatGPT Pro-Nutzer wird GPT-4.5 schrittweise für Plus- und Team-Abonnenten ausgerollt, während parallel Tests über die API laufen. Doch aus ökonomischer Sicht bleibt die Frage, ob GPT-4.5 ein eigenständiges Produkt bleibt oder mittelfristig von reasoning-stärkeren Modellen wie O1 oder O3-mini ersetzt wird.

Strategisch bleibt OpenAI seiner skalierungsbasierten KI-Entwicklung treu. Durch größere Datenmengen, verbesserte Trainingsmethoden und effizientere Rechenprozesse wird versucht, eine evolutionäre Verbesserung der KI-Modelle zu erreichen. Doch genau hier zeigt sich eine strukturelle Herausforderung: Die Fortschritte nehmen mit steigendem Modellumfang abnehmenden Grenznutzen an.

GPT-4.5 macht klar, dass die Transformer-Architektur zwar weiter optimiert werden kann, aber für den nächsten echten Innovationssprung – insbesondere in Richtung Allgemeine Künstliche Intelligenz (AGI) – wahrscheinlich neue Modellansätze erforderlich sein werden.

Bis dahin bleibt GPT-4.5 das, was es ist: Eine verbesserte Iteration innerhalb eines bewährten Paradigmas – kein Paradigmenwechsel selbst.

Dirk Pappelbaum

Dirk Pappelbaum, Jahrgang 1971, studierte in Leipzig Mathematik. Heute ist er CEO der Inveda.net, einer Firma in Leipzig, die sich auf Software für Versicherungsmakler spezialisiert hat.

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