„Digitalisierung gehört nicht auf Wahlplakate, sondern an den Kabinettstisch​“

Wahlkampfzeit ist Digitalisierungszeit – zumindest in den Wahlprogrammen. Prof. Dr. Volker Gruhn, Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender des IT-Dienstleisters adesso, fordert ein echtes Digitalministerium, das nicht nur Symbolpolitik betreibt, sondern mit klaren Kompetenzen, Budget und Rückendeckung des Kanzlers ausgestattet wird. Denn digitale Verwaltung, Cybersicherheit und föderale IT-Standards brauchen endlich eine zentrale Steuerung – und keinen Flickenteppich aus Einzelmaßnahmen.

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Prof. Dr. Volker Gruhn ist Gründer und Vorsitzender des Aufsichtsrates der adesso SE.Fotoagentur Roth

Ob „Digitalchecks“, die „Deutschland-App“ oder gleich die „Re-Industrialisierung des Landes durch Digitalisierung“: Es ist Wahlkampf, und die Parteien entdecken ihre Leidenschaft für Digitalthemen. Wunschzettel heißen in dieser Zeit Wahlprogramme und da träumen Politikerinnen und Politiker direkt von der digitalen Weltspitze. Gleichzeitig bestellen Behörden den Toner fürs Faxgerät noch von Hand.

Wenn sich jetzt alle etwas wünschen dürfen, dann mache ich doch gerne mit. Meine Wunschliste ist realistisch und kurz. Auf ihr steht lediglich: „ein echtes Digitalministerium“. Und mit „echt“ meine ich, dass dieses Ministerium nicht nur eine symbolische PR-Abteilung sein darf, sondern mit Budget, Personal sowie klaren Zuständigkeiten und Kompetenzen ausgestattet wird und die Unterstützung des Kanzlers hat. Dass es Konflikte geben wird, liegt in der Natur der Sache und dann braucht’s im Kabinett Rückendeckung von ganz oben.

Ein solches Digitalministerium könnte dann endlich die digitale Infrastruktur der Verwaltung modernisieren. Die Behörden brauchen eine IT-Ausstattung, die nicht aus den 90ern stammt. Es sollte außerdem Verwaltungsdienstleistungen schaffen, die wirklich online nutzbar sind und keine Formulare mehr enthalten, die sich nur durch einen Umweg über den Drucker ausfüllen lassen. Das wäre ein E-Government, das seinen Namen auch verdient.

Cybersicherheit muss das Digitalministerium zur Chefsache machen. Sie darf kein Flickenteppich aus Einzelmaßahmen mehr sein, sondern sollte auf einem durchdachten und durchgängigen Sicherheitskonzept basieren. Digitalisierung muss das Ministerium außerdem mit Nachhaltigkeit zusammendenken: Digitale Infrastrukturen sind Energiefresser, aber KI, Smart Grids und datenbasierte Lösungen helfen, Emissionen zu reduzieren.

Eine dringende Baustelle ist auch die Digitalisierung der föderalen Zusammenarbeit. Statt 16 verschiedenen Lösungen für dasselbe Problem sollte das Digitalministerium einheitliche Standards für Länder und Kommunen schaffen – und zwar verbindlich und nicht nur als Empfehlung. Nicht zuletzt muss das Ministerium digitale Verantwortlichkeiten zentralisieren. IT-Einheiten und Gremien wie das BSI, die IT der Bundesdruckerei, das ITZBund und die föderale IT-Kooperation gehören unter ein Dach.

Statt Kompetenzwirrwarr hätten wir dann eine zentrale Steuerung der digitalen Transformation. Und dabei geht es gar nicht darum, mit einem Sprung zur digitalen Weltspitze aufzuschließen, sondern Zug um Zug die Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Beispiel Register: Derzeit verwaltet Deutschland seine Daten in unzähligen Insellösungen, vom Flensburger Kfz-Register über das Melderegister bis hin zum Fischereiregister. Alle diese Register ließen sich auf einer Architektur betreiben, mit gleichen Berechtigungssystemen und einer interoperablen Struktur. Dann hätten wir zwar nicht sofort Verhältnisse wie in Estland, einem der digitalen Musterländer Europas. Aber wir könnten auf einen Schlag viele Prozesse vereinfachen. Und es gibt Dutzende solcher Beispiele.

Digitale Wettbewerbsfähigkeit ist kein Thema für die Monate vor der Wahl. Es ist ein Thema für die Jahre der Regierungsarbeit. Die Regierung muss es nur wollen. Ein echtes Digitalministerium wäre dafür ein starkes Zeichen.

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