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Das InsurTech-Unternehmen wefox sieht sich aktuellen Recherchen der procontra-Redaktion zufolge, mit Vorwürfen konfrontiert, seine Google-Bewertungen durch unzulässige Maßnahmen manipuliert zu haben. Dokumente, die procontra und dem manager magazin vorliegen, deuten darauf hin, dass über einen Zeitraum von rund 1,5 Jahren die Google-Bewertungen unter dem Eintrag "wefox Group Headquarters" auf ein Niveau angehoben wurden, das von den tatsächlichen Kundenerfahrungen abwich.
Ausgangspunkt war Ende 2021, als knapp über 100 öffentliche Rezensionen für einen Google-Score von 2,5 standen. Liest man die Rezensionen, äußerten Kunden und Vermittler häufig „schlechten Service“, „keine Erreichbarkeit“ oder einen „unbefriedigenden Regulierungsprozess“ – wefox hatte und hat laut Insidern und Maklern, die sich zuletzt verstärkt an procontra wandten, ein gewaltiges Kundenservice-Problem. Ausgerechnet beim „digitalen Revoluzzer“, der laut eigenen Aussagen „Versicherungen für alle 10x besser machen wollte als der Status“. Das gelang bislang nicht.
Die schlechte Google-Bewertung war natürlich Gift für das ambitionierte InsurTech, das im Juni 2021 in der Serie-C-Finanzierungsrunde gerade die Rekordsumme von 650 Millionen US-Dollar eingesammelt hatte. Investoren, aber auch Berater, Kunden und Vertriebe schauten nun noch intensiver auf das Unternehmen. Intern schlug man daher Alarm, das Thema „Bewertungen“ aktiver managen zu müssen. Laut interner Mails wurden dafür die Dienste der beratungswerk24 AG, einer 100-prozentigen Tochter der wefox-Gruppe, in Anspruch genommen. Die beratungswerk24 AG zählt zu den größten Leadproduzenten im Versicherungsbereich und wurde im November 2020 von der wefox-Gruppe übernommen.
Offenbar in Absprache mit der damaligen Geschäftsführung der wefox Germany GmbH startete im Herbst 2021, die in einigen Dokumenten als Marketingaktion „Kundenzufriedenheit wefox“ genannte Kampagne. Wefox räumt ein, dass es eine Initiative zur Verbesserung von Google-Bewertungen gab. Distanziert sich jedoch zugleich und meint, dass dies „allein von der beratungswerk24 AG in eigener Verantwortung“ veranlasst worden sei.
„Die Unternehmensführung von wefox hatte keine Kenntnis, wie diese Initiative im Detail umgesetzt wurde“, so die Stellungnahme. Vertrauliche Unterlagen zeigen jedoch, dass sehr wohl Kenntnis darüber bestanden haben muss, wie der Plan zur Verbesserung der Google-Bewertungen aussah und wie die anschließende Entwicklung voranschritt.
Dafür sollen auch Kunden der 123versichert.de GmbH – ebenfalls eine 100-prozentige wefox-Tochter – angerufen worden sein, um sie zu einer positiven Google-Bewertung zu bewegen. Jedoch nicht für die genannte Tochter, sondern für den Google-Eintrag, der unter „wefox Group Headquarters“ auf den Mutterkonzern einzahlte. Auch hier distanziert sich wefox: „Sofern Dritte auf unlautere Weise zu positiven Google-Bewertungen von wefox-Produkten angeregt wurden, distanziert sich wefox von möglichen derartigen Aktivitäten.“
Gutscheine als Anreiz
Über die beratungswerk24 AG wurden dafür sowohl ein Callcenter aus Wedel als auch die Social Media Chain GmbH aus München engagiert. Laut vorliegender Unterlagen sollen sie dafür zuständig gewesen sein, die Kunden zu aktivieren, falls nötig Google-Konten zu erstellen und mitunter eine geeignete Rezension den kontaktierten Leads vorzuformulieren. Die hätten diese dann nur noch übernehmen müssen.
Als Motivation wurden zusätzlich Amazon-Gutscheine in Aussicht gestellt. Diesen Vorgang und den Empfang entsprechender Gutscheine (meist zwischen 10 und 30 Euro) bestätigten mehrere kontaktierte Kunden gegenüber procontra.
Der Plan ging auf. Nicht nur die Anzahl der Bewertungen, sondern auch der Google-Score stiegen in die gewünschte Richtung. Auch dank legitimer anwaltschaftlicher Bemühungen, negative Bewertungen auf Angreifbarkeit hin zu prüfen und gegebenenfalls eine Löschung zu erwirken. Laut interner Dokumente sollen so zwischen 2021 und Anfang 2023 über 1.000 Bewertungen für den Eintrag „wefox Group Headquarters“ organisiert worden sein.
Interne Untersuchungen laufen
Indes scheint es nur die Spitze des Eisberges zu sein, was das Verhältnis zwischen wefox und seiner Tochter, der beratungswerk24 AG, angeht. Laut wefox wurde Strafanzeige gestellt und es laufen interne Untersuchungen, in denen unter anderen dem Verdacht der Veruntreuung von Geldern in Millionenhöhe nachgegangen würde. procontra fragte die ehemaligen Vorstände der beratungswerk24 AG an, weiteres Licht in den Sachverhalt zu bringen. Sie standen für eine Stellungnahme jedoch nicht zur Verfügung.
Pikant ist ebenfalls, dass der Google-Maps-Eintrag der „wefox Group Headquarters“ im Dezember 2023 gelöscht wurde und damit auch die bis dahin 2.103 Rezensionen. Auf Nachfrage gab wefox an, dass man „derzeit keine Informationen darüber hätte, durch wen und aus welchen Gründen die Löschung oder Suspendierung des Google-Accounts veranlasst wurde“. Auch hier sei man um Aufklärung und eine Wiederherstellung des Zugriffs für wefox bemüht.
Gerne teilen wir an dieser Stelle den Bericht zur exklusiven Recherche der Kollegen: https://www.procontra-online.de/maklerburo/artikel/geschoente-google-bewertungen-bei-wefox
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