Im Reigen der Konjunkturdaten aus den USA gibt es nach wie vor etliche positive Meldungen: Die Einzelhandelsumsätze stiegen im April, die Stimmung im Dienstleistungssektor ist sehr positiv und vor allem herrscht angesichts einer Arbeitslosenquote von 3,4 Prozent weiterhin praktisch Vollbeschäftigung. Doch zeigen sich zugleich auch einige dunkle Wolken am Konjunkturhimmel.
Ein Beitrag von Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe
Die Industrie leidet unter einem insgesamt schwachen weltwirtschaftlichen Umfeld. Die gestiegenen Zinsen setzen den Immobilienmarkt weiter unter Druck, und vor allem ist die Lage am Arbeitsmarkt nicht ganz so rosig, wie die geringe Arbeitslosenquote es suggeriert. Die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe sind von weniger als 200.000 am Jahresende 2022 auf aktuell etwa 240.000 gestiegen, und im Gegenzug ist die Zahl offener Stellen deutlich zurückgegangen, auch wenn sie immer noch um den Faktor 1,6 höher ist als die Zahl der Arbeitslosen.
Die Konjunktur hängt am Arbeitsmarkt
Tatsächlich ist der Arbeitsmarkt entscheidend für die Frage, ob es das von vielen erwartete „Soft Landing“ gibt, mit einer zwar schwachen Wachstumsdynamik, aber ohne einen kritischen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Wahrscheinlicher aus unserer Sicht ist allerdings das Szenario einer „echten“ Rezession, die auch einen deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit einschließt.
Die scharfe geldpolitische Straffung der Fed zur Eindämmung der hohen Inflation hinterlässt nämlich immer deutlichere Spuren in der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Sichtbar wird dies beispielsweise in den nun schon seit zwei Quartalen sinkenden Ausrüstungsinvestitionen.
Geht die Nachfrage weiter zurück, könnte der Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit an einen Punkt gelangen, an dem Beschäftigte, die von ihrer Firma entlassen werden, nicht mehr ohne weiteres einen neuen Job finden. Dann werden die Menschen, die sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen, in verstärktem Maße Vorsorge treiben und mehr sparen. Das würde wiederum einen Kreislauf in Gang setzen, bei dem die gesamtwirtschaftliche Nachfrage weiter sinkt, woraufhin noch mehr Entlassungen drohen.
Fed wird nicht vorschnell die Zinsen senken
Dass die Fed diese Abwärtsspirale mit frühzeitigen Zinssenkungen verhindert, ist unwahrscheinlich: Die Inflation wird nicht so bald den Zielwert von 2 Prozent erreichen, und eine durch niedrigere Zinsen neu angefachte Konjunkturdynamik könnte die Inflation womöglich wieder nach oben treiben. Für die Fed bedeutete das eine Blamage und ein offensichtliches Scheitern, weswegen Fed-Chef Powell gut beraten wäre, dieses Risiko zu vermeiden. Auf die Fed sollten die Verfechter eines „Soft Landings“ also nicht setzen.
So sehr die Einigung im Streit um die Schuldenobergrenze der USA zu begrüßen ist: Möglicherweise sind es gerade die damit verbundenen Ausgabenkürzungen des Staates, die den entscheidenden Anstoß für das hier skizzierte Szenario geben. Die Sommermonate dürften also mit Blick auf die US-Wirtschaft und damit auch auf die Weltwirtschaft als Ganzes spannend werden.
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