Ein halbes Jahr nach der ersten Umfrage wirft das German Sustainability Network erneut ein Blitzlicht auf die Nachhaltigkeitsaktivitäten der Versicherungsbranche. Die Befragungsreihe „Status quo: Nachhaltigkeit in der Versicherungsbranche“ – an der dieses Mal 39 Versicherungsunternehmen teilgenommen haben – gibt einen Überblick über den Stand der Nachhaltigkeitsbemühungen der Versicherer und identifiziert aktuelle Herausforderungen.
Nach der ersten Befragung im ersten Quartal 2022 zum Thema „Status quo: Nachhaltigkeit in der Versicherungsbranche“ wurden im August und September 2022 erneut Versicherungsunternehmen zu ihren Nachhaltigkeitsaktivitäten befragt. An der zweiten Umfrage beteiligten sich 39 Unternehmen, die sich sowohl aus Mitgliedsunternehmen als auch Nicht-Mitgliedern des Netzwerks zusammensetzten.
Als Grundlage der Befragungsreihe dient ein fester Fragenkatalog aus den Kategorien Nachhaltigkeit entlang der Wertschöpfungskette, Personelle Ressourcen, Ganzheitliche Transformation, Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktor sowie Regulatorische Anforderungen. Dadurch werden Veränderungen im Zeitverlauf sichtbar.
Produktentwicklung gewinnt an Bedeutung
Wie schon bei der ersten Umfrage spiegeln die Ergebnisse die hohe Bedeutung von Nachhaltigkeit für alle Bereiche und Abläufe entlang der Wertschöpfungskette wider. Die von den Unternehmen wahrgenommen Handlungserfordernisse sind sogar in allen Wertschöpfungsaktivitäten noch einmal gestiegen.
Während die meisten To-dos vor einem halben Jahr noch in der Kapitalanlage gesehen wurden, ist das Top-Thema nun die Produktentwicklung: Knapp 90 Prozent der befragten Unternehmen sehen hier einen mindestens großen Handlungsbedarf. Dicht gefolgt von der Kapitalanlage (rund 80 Prozent) sowie dem Vertrieb (89 Prozent). Die Bereiche Schadenmanagement, Compliance sowie IT sind in der Bewertung nach Betroffenheit bislang noch unterrepräsentiert. Mehr als 69 Prozent der Befragten schätzen den Handlungsbedarf in diesen drei Bereichen als nur mittel bis sehr gering ein.
Unterschiedliche Einschätzungen bei der ganzheitlichen Transformation
Der Transformationsfortschritt in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit wird in den einzelnen Häusern weiterhin unterschiedlich bewertet. Während in der ersten Umfrage noch die Mehrheit der Unternehmen angab, die ganzheitliche Transformation noch zu weniger als der Hälfte abgeschlossen zu haben sind es mittlerweile zwei Drittel der Befragten. Jedoch sehen rund 20 Prozent der teilnehmenden Häuser Nachhaltigkeit bereits zu 61-70 Prozent umgesetzt; ähnlich viele Befragte sehen den Fortschritt allerdings bei unter 20 Prozent.
Es zeigt sich also weiterhin, dass die Branche noch nicht auf einem einheitlichen Stand ist und die vielfältigen Bemühungen unterschiedlich weit vorangeschritten sind.
Personalknappheit ist weiterhin ausschlaggebend
Doch wo liegen die Hemmnisse? Weniger die finanziellen Ressourcen oder das Mindset im Unternehmen erschweren die ganzheitliche Transformation. Vielmehr ist der Mangel an personellen Ressourcen ausschlaggebend: Rund 70 Prozent der Befragten sehen diesen als sehr großen Engpass. Sieben der 39 teilnehmenden Versicherer haben keine einzige Person, die sich im Schwerpunkt mit Nachhaltigkeit auseinandersetz. Zwölf Häuser beschäftigen jeweils eine Person mit Fokus Nachhaltigkeit; der Durchschnitt über alle befragten Versicherer liegt bei 3,3 Personen.
Nachhaltigkeit als wichtiger Erfolgsfaktor
Die befragten Versicherungsunternehmen schreiben dem Thema Nachhaltigkeit für das kommende Geschäftsjahr im Durchschnitt einen mittleren bis großen Erfolgsbeitrag zu. Ferner erwarten 95 Prozent, dass ebendieser Erfolgsbeitrag in den nächsten fünf Jahren weiter zunehmen wird – eine nur geringe Veränderung zum ersten Quartal; hier waren es noch 97 Prozent.
Herausforderungen bestehen aufgrund regulatorischer Anforderungen
Insbesondere bei den neuen und oft noch unklaren Anforderungen der ESG-Regulatorik sehen die Unternehmen große Herausforderungen: Wie auch bei der ersten Befragung wird von mehr als der Hälfte der Befragten der inhaltliche Umfang der regulatorischen Anforderungen als zu hoch eingeschätzt. Lediglich zwei der Befragten empfinden die regulatorischen Anforderungen als eher zu wenig.
Ein ähnliches Bild zeigt sich in Bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung der Regulatorik: Die Mehrheit bewertet die inhaltliche Ausgestaltung als nur bedingt praxistauglich.
Atomkraft als nun taxonomiekonforme Investition wird nicht abgelehnt
Mit jeweils variierenden Zusatzfragen werden in der halbjährlichen Befragung zudem aktuelle Themen und Ereignisse einbezogen und berücksichtigt: Dieses Mal wurden die Versicherer gefragt, ob es im Unternehmen geplant sei, die nun taxonomiekonforme Investitionsmöglichkeit in Gas- und Atomkraft zu nutzen: Hier planen 50 Prozent Investitionen in Gas- und Atomkraft und nutzen somit die taxonomiekonforme Einstufung, die anderen 50 Prozent sind bislang unentschlossen.
Darüber hinaus wurde abgefragt, ob die Häuser bereits Messungen der im eigenen Geschäftsbetrieb entstehenden Emissionen erfassen. Hier gaben 38 Prozent an, bereits seit Längerem Emissionsmessungen durchzuführen, wohingegen jeweils ein Drittel nur teilweise oder gar keine Messungen vornimmt.
Weitere Informationen zum German Sustainability Network stehen auf der Webseite des GSN zur Verfügung.
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