Versicherungstag 2022: Bundesfinanzminister Christian Lindner nutzt den Versicherungstag in Berlin, um für mehr private Investitionen zu werben, auch zur Finanzierung der Transformation. Die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors will er stärken. Wie die von der Branche erhoffte Reform der privaten Altersvorsorge aussehen könnte, bleibt aber weiterhin unklar.
Ein Beitrag von Karsten Röbisch
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat die Versicherer zu mehr Investitionen in Deutschland aufgerufen. Etwas mehr privates Kapital am Standort Deutschland müsse möglich sein, sagte er am Donnerstag auf dem Versicherungstag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin.
Er wünsche sich zudem, dass nicht alles in „Stein und Anleihen“ gehe, sondern zugleich in „performantere“ Anlageklassen. Dazu zählten nicht nur Aktien, sondern auch andere Beteiligungen, die der Transformation der Wirtschaft dienten. Vor dem Hintergrund warb der FDP-Parteivorsitzende für den Zukunftsfonds der Bundesregierung, der die Finanzierungsbedingungen für hiesige Start-ups verbessern soll. „Machen Sie da mit!“, appellierte Lindner an die rund 150 versammelten Führungskräfte aus der Branche.
Gleichrangige Regulierungsziele
Als Finanzminister wolle er sich dafür einsetzen, die Wettbewerbsfähigkeit der Versicherungswirtschaft zu stärken. Lindner betonte:
Finanzstabilität, Verbraucherschutz und Wettbewerbsfähigkeit sind drei gleichrangige Regulierungsziele.
Die Rentabilität privater Unternehmen stünde in Deutschland stets unter einem gewissen Rechtfertigungsdruck, es sei jedoch im Interesse des Landes, dass auch die Versicherer profitabel wirtschaften. Das echte Asset am Finanzplatz Deutschland seien die Versicherer, betonte er mit Blick auf die Weltmarktstellung hiesiger Erst- und Rückversicherer.
Zu den Plänen der Bundesregierung für die geförderte private Altersvorsorge – eines der Kerngeschäftsfelder der Assekuranz – hielt er sich jedoch bedeckt: Lindner erwähnte zwar den Reformbedarf bei der Riester- und Rürup-Rente – etwa bei den Beitragsgarantien oder
den Kosten –, konkrete Aussagen dazu blieb er jedoch schuldig. Da sei man, so Lindner, noch am Anfang der politischen Gespräche. Er kündigte jedoch eine Vorsorgepflicht für Selbstständige an.
Gesprächsbereitschaft der Branche
Der neue GDV-Präsident Norbert Rollinger betonte unterdessen die Gesprächsbereitschaft des Sektors: Man reiche Politik und Verbraucherschützern die Hand in der kapitalgedeckten Altersvorsorge, unterstrich Rollinger, der am Vortag vom GDV-Präsidium als Nachfolger von Wolfgang Weiler an die Verbandsspitze gewählt wurde.
Es sei klar, dass die Altersvorsorge in Krisenzeiten hinter den kurzfristigen Notwendigkeiten zurücktrete. Rollinger sei aber davon überzeugt, dass das Drei-Säulen-Modell gerade in den ganzen Krisen und im demografischen Wandel wieder an Bedeutung gewinnen werde. Die Versicherer müssten sich aber auch hinterfragen und ihr Alleinstellungsmerkmal stärker hervorheben, um nicht von einer einfachen Fondslösung abgelöst zu werden, hob Rollinger hervor.
Auf eine Reform der privaten Altersvorsorge noch in dieser Legislaturperiode hofft der vzbv. Trotz der derzeitigen Krisensituation dürfen nicht die anderen Herausforderungen vergessen werden, wie etwa der demografischen Wandel, betonte Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv). Die Zeit werde immer knapper, die Babyboomer gingen demnächst in Rente.
Das bevorzugte Modell des vzbv ist ein öffentlich-rechtlich organisierter Fonds nach dem Vorbild Schwedens. Für Riester sieht Deutschlands oberste Verbraucherschützerin keine Zukunft mehr. Nach vielen Reformversuchen müsse es einen Neustart geben, so Pop. Nach ihrer Vorstellung sollte Riester in dem neuen öffentlich-rechtlichen Fonds aufgehen.
Vages CDU-Statement zu Riester
CDU-Generalsekretär Mario Czaja hielt sich zu den Vorstellungen seiner Partei zur geförderten Altersvorsorge ebenfalls relativ bedeckt: Die CDU wolle eine Weiterentwicklung von Riester, kommentierte er lediglich. Gleichzeitig äußerte er Sympathien für die Idee des Deutschlandfonds, den die CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union ins Spiel gebracht hatte.
Bei dem Modell sollen Neugeborene ein Startkapital von 20.000 Euro vom Staat erhalten, dass breit am Kapitalmarkt angelegt werden soll. Dies ermögliche eine gewisse Startgerechtigkeit für die Jüngeren,
befand Czaja. Er sprach gleichzeitig von Überlegungen innerhalb seiner Partei, Gewinne aus langfristigen Anlagen, die beispielsweise der Altersvorsorge dienten, steuerlich besserzustellen. Man müsse über Steuerfreiheit und Freibeträge nachdenken, erklärte Czaja. Beschlüsse dazu gebe es aber noch nicht.
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