Versicherer müssen Blockchain als Chance begreifen

In immer mehr Wirtschaftszweigen kommen Blockchain-Anwendungen zum Einsatz, um den Waren- und Datenaustausch effizienter, fälschungssicher und transparenter zu gestalten. Auch für den Versicherungssektor bietet die Blockchain einen hohen Mehrwert für Kunden und Anbieter – mit langfristigen Folgen für das Geschäftsmodell der Versicherer. Denn die Tech-Konkurrenz schläft nicht.

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Frank-Gehrig-2021-Simon-Kucher-und-PartnersFrank-Gehrig-2021-Simon-Kucher-und-Partners Frank Gehrig, Partner und Insurance Specialist, Simon-Kucher & Partners Die Blockchain gehört zu den am meisten diskutierten Zukunftstechnologien. Auch in der Versicherungswirtschaft sind eine Vielzahl von Blockchain-Anwendungen denkbar, die enormes Transformationspotenzial für die Branche bergen – und langfristig das Geschäftsmodell der Versicherer auf den Kopf stellen dürften. Zu dieser Einschätzung kommen Frank Gehrig, Partner und Insurance Specialist, sowie Kersten Schütze, Berater und Insurance Specialist, bei Simon-Kucher & Partners. So können Blockchain-Anwendungen die Customer Journey für die Verbraucher verbessern und für Effizienzgewinne bei den Versicherern sorgen. Die Versicherer sollten sich daher schnell mit den Potenzialen dieser Zukunftstechnologie beschäftigen – denn der Wettbewerb, allen voran um die großen Datenkonzerne, schläft nicht..

Einfacher, schneller, günstiger: Der Charme der Blockchain

„Der Charme der dezentralen Datenmanagement-Technologie liegt darin, Transaktionen unmittelbar und zwischen den Teilnehmern eines Netzwerks zu ermöglichen. Das macht einen Mittelsmann überflüssig“, so Gehrig. In der Versicherungswirtschaft sei das bislang in der Regel der Kunde gewesen, der zumeist Versicherungsprozesse selbst initiieren musste – beispielsweise im Forderungsmanagement. In einer Blockchain-basierten Versicherungslandschaft wird der Kunde dagegen nicht mehr für die Abwicklung einer Versicherungsdienstleistung behelligt und kommt nur in den Genuss der Dienstleistung“, erläutert Schütze. Denkbar seien bereits jetzt eine Vielzahl von Blockchain-Anwendungsmöglichkeiten.

Kersten-Schuetze-2021-Simon-Kucher-und-PartnersKersten-Schuetze-2021-Simon-Kucher-und-Partners Kersten Schütze, Berater und Insurance Specialist, Simon-Kucher & Partners, Schütze verweist auf ein Beispiel in der Reiseversicherung: Werde ein Flug annulliert, validiere eine Versicherungspolice, die mit einem Blockchain-basierten Smart Contract verknüpft ist, den Flugausfall und initiiere dann sofort eine Entschädigungszahlung an den Kunden. Im Automobilbereich wäre es beispielsweise möglich, die Blockchain mit dem Bordcomputer des Autos zu koppeln. Registriere dieser einen Schaden am Auto, sende er die Information an die Kfz-Versicherung, die die Schadenforderung validiere. Sofern die Blockchain-basierte Police den Schadenfall abdeckt, würde gleichzeitig eine Zahlung autorisiert, ohne dass der Kunde aktiv werden muss.  „Auf Kundenseite braucht es dann keine langwierigen Nachweisketten und Prüfungen mehr, der Informationsaustausch mit dem Versicherer entfällt – und der ganze Prozess dauert nur wenige Minuten“, hebt Schütze hervor. „Blockchain-basierte Prozesse ermöglichen es Versicherern so, Versicherungsprodukte für den Kunden einfacher, schneller und günstiger zu gestalten“, ergänzt Gehrig. „Dadurch können Versicherungsunternehmen das Leistungsversprechen für den Kunden deutlich verbessern.“

Datensicherheit und Transparenz für Kunden

Nach Ansicht beider Experten sei die Technologie nicht nur für transaktionale Versicherungsprodukte attraktiv, sondern auch für solche mit verschiedenen Validierungsebenen, die gleichzeitig ein hohes Maß an Datensicherheit erfordern. Etwa in der Krankenversicherung, in der sensible Kundendaten verarbeitet und gespeichert werden. „In einer Blockchain werden die bei einer Transaktion erzeugten Daten – der ‚Block‘ – und damit die Informationen zu den Versicherten, nicht nur wie in einem digitalen Logbuch hinterlegt, sondern auch gleichzeitig kryptografisch verschlüsselt. Einsehbar sind sie nur mit der Genehmigung des Datenbesitzers und dem entsprechenden Zugangsschlüssel“, so Schütze. Hinzu komme, dass die Blockchain jeden Zugriff auf den Datensatz und seine Nutzung in der Historie abspeichere. „Der Kunde kann jederzeit einsehen, wer auf seine Daten zugreift und wie sie verwendet werden“, betont Gehrig.

Kundenberatung als Trumpfkarte gegen Big Tech im Blockchain-Ökosystem

„Vieles klingt bei Blockchain-Anwendungen noch nach ferner Zukunftsmusik. Aber die Technologie hat das Tor zu einer vollautomatisierten, Peer-To-Peer-Versicherungszukunft längst aufgestoßen“, sagt Gehrig. In einem solchen Blockchain-Ökosystem, in dem das Versicherungsprodukt und die Risikobewertung schnell, automatisiert und sicher validiert werde, kippe das aktuelle Geschäftsmonopol der Versicherer. „Die großen Tech-Konzerne stehen schon jetzt mit einem Bein im Versicherungsmarkt. Mit Blockchain-basierten Produkten werden sie in der Lage sein, Versicherungsservices einfacher, schneller und günstiger anzubieten“, meint Schütze. # Er verweist auf Microsoft, die gemeinsam mit führenden Reedereien und Krypto-Tech-Unternehmen eine Schifftransportversicherung auf Blockchain-Basis entwickelt hat. Die Versicherer sollten sich daher beeilen und den Ausbau von digitalen, Blockchain-basierten Ökosystemen sowie -Produkten vorantreiben. „Dazu müssen die Versicherer identifizieren, welche Pilotprodukte die Kunden am besten erreichen und wie sie gewinnbringend an den Markt gebracht werden können. Sie müssen zudem evaluieren, welche Eigenschaften der Blockchain für welche Kundensegmente besonders wertvoll sind und in welchen Bereichen sich ein langfristiges Investment lohnt. Denn klar ist: Der Weg in ein Blockchain-Ökosystem ist ein Marathonlauf und kein Sprint“, unterstreicht Schütze. Dabei sollten sie sich auch auf ihre Kernkompetenz besinnen: die Kundenberatung. „Das Versicherungsunternehmen von Morgen wird sich als ‚Enabler‘ für die Versicherten verstehen müssen, und das erfordert nicht zuletzt Beratungskompetenz, Service- und Kundenorientierung. Hier haben die Versicherer noch die Nase vorn“, schließt Gehrig. Bilder: (1) © Production Perig – stock.adobe.com (2–3) © Simon-Kucher & Partners

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