Die Deutschen sind unzufrieden mit ihren Zusatzversicherungen: Sie fühlen sich unterversichert. Viele von ihnen suchen mittlerweile online nach neuen Policen. Versicherer, die dieses Potenzial ausschöpfen wollen, sollten digitale und physische Kanäle ganzheitlich und nicht voneinander getrennt nutzen.
Fast zwei Drittel der Deutschen (61 Prozent) bewerten ihre aktuelle Versicherungssituation mit Blick auf ihre Krankenhaus-, private Pflegezusatz-, Zahnzusatz- als auch Auslandskrankenzusatz-Versicherungen als teilweise lückenhaft oder sogar als schlecht. Das ist eines der Ergebnisse einer Umfrage von Simon-Kucher & Partners unter mehr als 1.000 deutschen Staatsbürgern.
Seit der Corona-Pandemie machen sich zudem mehr Deutsche Gedanken um die Versorgung im Krankheits- oder Pflegefall: 39 Prozent der Befragten gab an, dass sie sich mehr oder sogar deutlich mehr mit diesen Themen auseinandersetzen als noch vor Corona. Frank Gehrig, Partner und Insurance Specialist bei Simon-Kucher & Partners, sieht darin eine Chance für Versicherer:
Das Potenzial ist immens: Unsere Umfrage ergab, dass mehr als 30 Prozent der Bundesbürger, die sich schon mit einer Zusatzversicherung im Bereich Gesundheit auseinandergesetzt haben, zwar einen Kauf anstreben, diesen aber noch nicht abgeschlossen haben.
Versicherer sollten laut dem Experten daher ihre digitalen und physischen Kanäle stärker miteinander verzahnen.
Relevanz der Onlinekanals verpflichtet zur Omnichannelstrategie
Denn deutsche Kunden informieren sich zunehmend online. 82 Prozent der Befragten gaben an, bei Vergleichsportalen nach Zusatzversicherungen zu suchen. 46 Prozent nutzen die Homepages der Versicherer. Der klassische Makler wird hingegen von 36 Prozent konsultiert.
Auch beim Abschluss zeigt sich ein ähnliches Bild: Digitale Kanäle wie Vergleichsportale (55 Prozent) und Hompages (42 Prozent) liegen vor physischen Alternativen wie Maklern (34 Prozent) und Versicherungsvertretern (21 Prozent). Gehrig erklärt:
Unsere Umfrage zeigt: Insbesondere in der Vorkaufsphase informieren sich die Bundesbürger online. Hier braucht es wirkungsvolle Anreize und einfache, gezielt geführte Verkaufspfade. Da ist bei vielen Versicherern noch Luft nach oben.
Häufig scheitere es daran, dass Kundenberater den Wert der Produkte nicht transportierten. Eine zu große Auswahl wirke sich negativ auf die Kaufrate aus, wenn die Führung zum passenden Produkt nicht stimme. Gehrig sieht gewinnbringende Ansätze etwa in der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit der Produkte, dem Preis der Policen oder der Möglichkeit, Verträge direkt online abzuschließen.
Jeweils rund die Hälfte der Befragten erachten diese Punkte als wichtig, weiß Gehrig. Dabei gelte es zu beachten, dass die Informationssuche und Produktvorselektion zwar immer stärker online erfolgen, viele Verbraucher aber insbesondere beim Versicherungsabschluss auch häufig noch Offline-Kanäle nutzen. Für Gehrig ist klar, dass ein Multikanalansatz daher immer bedeutsamer werde.
Versicherer sollten Lebenssituation des Kunden kennen und darauf eingehen
Eine solche Strategie ist deshalb so wichtig, weil die befragten Kunden keine sonderlich hohe Unternehmensbindung zeigen: Rund drei Viertel der Befragten geben an, bei ihrer Entscheidungsfindung auch Versicherer in Betracht zu ziehen, bei denen sie bisher noch kein Kunde sind. Jeder Touchpoint, jeder einzelne Kundenkontakt seien somit relevant, so Gehrig. Er erklärt weiter:
Digitale Verkaufskanäle sollten deshalb konsequent optimiert werden. Eine gute Voraussetzung dafür ist, die Lebenswirklichkeit des Kunden zu verstehen.
Eine Familie etwa habe einen anderen Versicherungsbedarf als ein alleinlebender Single. Ein Hauskäufer suche nach anderen Produkten als ein Vielreisender. Auf diese Bedürfnisse sollte sich beispielsweise die Landing Page dynamisch an den jeweiligen Verbraucher anpassen und entsprechende Produkte und Verkaufsargumente zeigen.
Dabei gelte es, den Kunden nicht zu langweilen: Verkaufsargumente sollten sich nicht immer wieder wiederholen.
Schließlich sollte der Traffic auf den eigenen Kanälen gesteigert werden – was bei den meisten Versicherern bisher noch ohne System erfolge, meint Gehrig. Er sieht in einer systematischen Mischung aus Marketing, Datenanalysen und Automatisierung, auch „Growth Hacking“ genannt, einen kostengünstigen Weg, um schnell erhöhten Traffic zu generieren.
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