Honorar statt Provision: Tatsächlich der „bessere Verbraucherschutz“?

In ihren Wahlprogrammen haben die Grünen und die Linken beim Thema Finanzberatung eine klare Agenda: Die Abschaffung der Provisionsberatung. Für die Kunden würden daraus deutliche Nachteile entstehen – auch mit Blick auf die schwierige Lage der Altersvorsorge.

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Im Folgenden kommentiert Prof. Dr. Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direkter des DIVA, die Wahlprogramme 2021.

Geht es nach Grünen und Linken, soll es Finanzberatung, die über Provision vergütet wird, künftig nicht mehr geben. Beide Parteien wollen diese über Jahrzehnte etablierte Vergütungsmethode zugunsten einer Beratung ausschließlich auf Honorarbasis umstellen.

Bürger, die Finanzberatung in Anspruch nehmen, hätten damit weniger Wahlfreiheit bei der gewünschten Beratung. Sie müssten dann entweder nach Beratungsaufwand oder pauschal den Berater direkt bezahlen – ähnlich wie bei Rechtsanwälten oder Steuerberatern. Geplant ist die Entwicklung einer gesetzlichen Honorar-Ordnung in Zusammenarbeit mit den Verbraucherzentralen und der Branche.

Die Linke will die Verantwortung der Verbraucherzentralen in Beratungsfragen stärken.

Verbraucherschutz oder „Hidden Agenda“?

Kernargument bei den Befürwortern der Honorarberatung ist der Verbraucherschutz. Tatsächlich ist das Provisionsgebaren bei der Restschuldversicherung von Banken und Sparkassen zweifelhaft und wurde zurecht stark eingeschränkt. Doch soll man freie Vermittler mitverantwortlich machen? Diese fallen nachweislich nicht durch Missstände in der Beratung auf.

Geht es bei der Umstellung der Vergütungssysteme wirklich um Verbraucherschutz oder letztlich darum, private Vorsorge abzuschaffen? Grüne und Linke befürworten ein staatliches Monopol auf Altersvorsorge, Pflege und Gesundheit. Für Beratung und eigenverantwortliche Vorsorge wäre in diesem System kein Platz. Das könnte das Ende für einen ganzen Berufsstand bedeuten, denn für rund 250.000 Vermittler stünde die Einkommensbasis auf dem Spiel.

Und sollte am Ende keine „Hidden Agenda“, sondern tatsächlich Verbraucherschutz das Ziel sein, ist die Umstellung auf Honorarberatung der falsche Weg. Denn sie ist für die meisten – insbesondere für die einkommensschwächeren Bürger – teurer: Anders als die Provisionsberatung belastet das sofort und in einer Summe fällige Honorar die Liquidität des Kunden.

Bei Stundensätzen von 150 und mehr Euro (Rechtsanwälte liegen bei circa 250 Euro) ist die Provision gerade bei kleinvolumigen Verträgen von Geringverdienern kostengünstiger.

Hinzu kommt, dass auf Honorare 19 Prozent Umsatzsteuer zu zahlen sind, Provisionen hingegen sind steuerfrei. Und nicht zuletzt bedeutet Honorarberatung einen erheblichen Mehraufwand: Rechnungs- und Mahnwesen erledigen sich nicht von allein. All' das würde sich auf die Kosten für den Kunden niederschlagen.

Am Ende nur Verdrossenheit bei den Bürgern?

Der starke Rückgang der Bankfilialen lässt bereits jetzt das Beratungsangebot schrumpfen. Die Umstellung von Provisions- auf Honorarberatung würde dazu führen, dass es kaum noch bezahlbares Beratungsangebot gibt. Gerade Geringverdiener dürften besonders darunter leiden, denn sie sind am stärksten auf Beratung angewiesen. Beratung, die es auch online nicht gibt.

Denn dort findet sich der Verbraucher in einem wahren Dschungel aus Angeboten, Werbung und Vergleichsportalen wieder.

Und selbst wer die digitalen Mechanismen durchschaut, bekommt wenig Unterstützung bei der Priorisierung und individuell richtigen Dimensionierung von Finanzprodukten. Am Ende könnte das bei vielen Bürgern zu Verdrossenheit führen, sodass existentielle Risiken nicht mehr abgesichert werden.

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