Die Vergütung der Ausschließlichkeitsvermittler ist ein Dauerthema: Zusammenschlüsse von Vertriebsorganisationen, regulatorische Vorstöße des Gesetzgebers, neue Steuerungssysteme oder verändertes Kundenverhalten betreffen fast immer auch die Vergütungssysteme. Aber nur die wenigsten Versicherer trauen sich, dieses Thema konsequent anzugehen.
Tobias Schulz und Christian Küchler, beide Director bei EY Innovalue, kommentieren die Marktlage.
Mammutaufgabe: vier Perspektiven in einem System
Die Notwendigkeit und der Wille, die Vergütungsysteme zu modernisieren sind da. Aber zur Umsetzung kommt es meist nur, wenn harte gesetzliche Vorgaben dazu zwingen. Oft wird eine vermeintlich einfachere Teillösung gewählt: „Wir führen es nur für neue Vermittler ein.”
Dadurch koexistieren über die Zeit immer mehr Vergütungsmodelle, die teilweise schon Jahrzehnte alt sind und beispielsweise mit ihrer einseitigen Fokussierung auf Mehrumsatz moderne Steuerungsansätze erschweren. Denn die Rahmenbedingungen haben sich stark verändert:
- Kunden erwarten einen reibungslos funktionierenden Omnikanalvertrieb
- Der Gesetzgeber stellt den Verbraucherschutz an erste Stelle
- Ausschließlichkeitsvermittler erwarten eine motivierende und an ein verändertes Aufgabenspektrum angepasste Vergütung
- Der Versicherer möchte auch Kundenzufriedenheit, Qualität der Beratung und Betreuung oder dem Nutzungsgrad digitaler Beratungsinstrumente steuern
Die Crux: Wechsel-Bereitschaft und IT
In diesen veränderten Rahmenbedingungen führt das dauerhafte Festhalten an alten Vergütungslogiken zu Wettbewerbsnachteilen. Eine grundlegende Neugestaltung ist notwendig. Die größte Herausforderung dabei ist es, die Bereitschaft von möglichst vielen Vermittlern zu einem System-Wechsel zu gewinnen.
Die zweite große Herausforderung ist die Technik. Existierende Systeme basieren häufig auf jahrzehntealter Software und Infrastruktur und können viele potenziell vergütungsrelevante Daten und Kennzahlen gar nicht oder nur eingeschränkt bereitstellen.
Jede Anpassung ähnelt der sprichwörtlichen „Operation am offenen Herzen“ und birgt unkalkulierbare Risiken. Somit ist die Neugestaltung der Vergütungssystematik auch fast automatisch mit einer Modernisierung der Vergütungssysteme verbunden.
Was muss also getan werden, um ein modernes Vergütungsmodell zu konzipieren und wichtiger noch erfolgreich für einen möglichst großen Anteil der Ausschließlichkeitsvermittler umzusetzen?
- Vergütungssystematik abhängig von verschiedenen Steuerungsgrößen definieren
Die genauen Größen sind im Detail je nach Unternehmen unterschiedlich, sollten aber neben der Dimension Umsatz unbedingt auch die Dimensionen Rentabilität und Kundenzufriedenheit umfassen.
Damit ist dann auch die Basis für eine Vergütungssystematik geschaffen, die attraktiv für erfolgreiche Vermittler sein kann und gleichzeitig dem Versicherer eine Steuerung hin zu rentablerem Geschäft ermöglicht. Bausteine einer solchen Systematik können zum Beispiel Schaden- und Stornoquoten, Nutzungsquoten digitaler Prozesse, der Grad der Professionalität in der Kundebetreuung und natürlich auch die Zufriedenheit der Kunden mit ihrem Vermittler sein. - Taktisches und ökonomisches Kalkül verbinden
Um abzuschätzen, wie ein neues System wirkt, muss dass Provisionsaufkommen auf der Basis von Echtdaten simuliert werden. Im Abgleich mit den Werten der geltenden Vergütungssystematiken und den zu erwartenden Steuerungseffekten auf Unternehmensseite, wie beispielsweise die Entwicklung der Schadenquoten, wird hier bereits eine erste grobe Adjustierung der oben genannten neuen Stellschrauben vorgenommen.
Im nächsten Schritt werden Gewinner und Verlierer der neuen Vergütung auf Vermittlerebene analysiert. Auf dieser Faktenbasis werden dann Details der Vergütungssystematik angepasst.
- Spreu vom Weizen trennen
Die Gewinner im neuen Vergütungssystem haben einen klaren Anreiz, auf das neue Vergütungssystem umzustellen. Anders sieht es bei Vermittlersegmenten aus, die nicht beziehungsweise erst nach Anpassungen hin zu niedrigerer Storno-/Schadenquoten oder höherer Kundenzufriedenheit zu den Gewinnern des neuen Vergütungssystems zählen.
Für die Letzteren sollte, für einen klar definierten Zeitraum, der Übergang in das neue Vergütungssystem finanziell unterstützt und somit Anreize und Entwicklungsmöglichkeiten geschaffen werden, um in dieser Zeit beispielsweise Schadenquoten im Bestand oder die Kundenbetreuung zu verbessern.
Positive Steuerungseffekte nutzen
Die Summe der zuvor beschriebenen Maßnahmen kann durchaus dazu führen, dass das Provisionsaufkommen im neuen Modell gegenüber dem Status-Quo zunimmt.
Diese oft höheren Ausgaben führen bei einer gut ausgestalteten Vergütungssystematik aber trotzdem zu einer höheren Profitabilität, da positive Steuerungseffekte die höheren Provisionsaufwände mehr als ausgleichen. Dem steigenden Provisionsaufkommen stehen Mehrumsatz, Margensteigerung und geringerer Bestandsabrieb gegenüber.
Marktbehauptung nur durch Fortschritt
Fazit ist: Die Einführung eines neuen Vergütungsmodells kann sowohl für (erfolgreiche) Vermittler als auch den Versicherer wirtschaftlich attraktiv sein, wenn es gelingt, die Parameter des Modells gut auszutarieren und durch neue IT-Anwendungen den administrativen Aufwand und die Fehleranfälligkeit zu reduzieren.
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