Taxonomie beeinflusst Nachhaltigkeit kaum

Fonds, die marktübliche ESG-Anlagestrategien und Mindestausschlüsse anwenden, erreichen selbst dann bessere Nachhaltigkeitswerte als nicht nachhaltige Vergleichsportfolios, wenn der Anteil der taxonomiekonformen Aktivitäten im Fondsportfolio gering ist. Der Taxonomie-Anteil ist deshalb kein alleiniger Maßstab für die Nachhaltigkeit eines Fonds.

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Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des deutschen Fondsverbands BVI auf Basis einer Portfolio-Simulation. Demnach wird die Taxonomie-Quote selbst in nachhaltigen Fonds im Sinne der EU-Offenlegungsverordnung vorerst nur im einstelligen Prozentbereich liegen, sofern das Portfolio ausreichend diversifiziert sein soll. Grund dafür ist, dass die Taxonomie noch am Anfang steht.

Bisher sind erst für zwei der insgesamt sechs Umweltziele der Taxonomie entsprechende nachhaltige Aktivitäten und technische Kriterien definiert. Auch die geplanten sozialen Nachhaltigkeitsziele fehlen noch.

Voraussetzung für höhere Taxonomie-Anteile in den nachhaltigen Fondsportfolien ist daher die Weiterentwicklung der technischen Kriterien der Taxonomie.

Datenlücken von Unternehmen erschweren Taxonomie-Anteile

Eine weitere Ursache für geringe Taxonomie-Anteile im Musterportfolio könnte laut der Analyse die eingeschränkte Verfügbarkeit von ESG-Daten der Unternehmen sein. Um die Übereinstimmung der Aktivitäten von Portfoliounternehmen mit der Taxonomie prüfen und veröffentlichen zu können, brauchen Fondsmanager detaillierte Daten zu anteiligen Umsätzen, Investitionsausgaben („Capex“) und Betriebsausgaben („Opex“). Während sich der Markt bei den Umsätzen mit Schätzungen behelfen kann, sind zu Capex und Opex selbst dafür zu wenige Daten verfügbar.

Darüber hinaus gibt es noch erhebliche Datenlücken zu Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU, beispielsweise aus den USA und China. Diese Lücken sollen zumindest teilweise durch die neue EU-Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung (CSRD) geschlossen werden.

Im weltweiten Maßstab bleibt die Beschaffung vergleichbarer und belastbarer ESG-Daten aber ein Problem. Der BVI setzt sich schon seit längerem für eine verbesserte Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen ein und fordert einen einheitlichen EU-Datenzugang (European Single Access Point, ESAP).

Die Ergebnisse unserer Analyse machen deutlich, dass die Nachhaltigkeit von Fondsportfolios nicht nur anhand der EU-Taxonomie zu bewerten ist. Vertrieb und Anleger brauchen einen alltagstauglichen Standard für die Auswahl nachhaltiger Fonds.

verdeutlicht BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter. Deshalb arbeite der BVI gemeinsam mit seinen Vertriebspartnern an einem Zielmarktkonzept für nachhaltige Finanzanlagen, das sich an den MiFID II-Kriterien für Nachhaltigkeitspräferenzen und weiteren EU-Vorgaben orientieren wird.

Im Gegensatz zu den kürzlich von der BaFin vorgeschlagenen Leitlinien für nachhaltige Investmentvermögen könne man damit dem Grünwaschen vorbeugen, ohne den Standort Deutschland durch realitätsferne Vorgaben für nachhaltige Fonds unattraktiv zu machen, so Richter.

ESG-Strategien berücksichtigen mehr als fundamentale Kriterien

Für die BVI-Analyse wurde das Anlageuniversum des FTSE World Index in einer Portfolio-Simulation mithilfe von Sustainalytics-Daten mehrfach gefiltert: Zunächst wurden Mindestausschlusskriterien angewendet, die verbleibenden Titel dann nach dem sogenannten Best-in-Class Ansatz bewertet.

Diese ESG-Strategie entspricht den Anforderungen der EU-Offenlegungsverordnung an ein ESG-Strategieprodukt („Artikel-8-Produkt“) und schließt die Anwendung der Standards für verantwortliches Investieren der Vereinten Nationen (UN Principles for Responsible Investment; PRI) ein.

ESG-Strategien berücksichtigen über die üblichen fundamentalen Kriterien hinaus weitere Nachhaltigkeitsaspekte, sowohl in der Anlageallokation als auch in der Titelselektion. Alle diese Schritte entsprechen den Kriterien des Zielmarktkonzepts, das der BVI derzeit gemeinsam mit den Vertriebspartnern der Fondswirtschaft entwickelt.

Als weitere Filter folgten die Anlagestrategie nach Value-Kriterien und schließlich die Sektorallokation und abschließende Titelauswahl. Von den ursprünglich 2568 Titeln im Index blieben damit letztlich 450 Titel im Portfolio. Diese Auswahl zeigte im Vergleich zum Gesamtindex deutlich niedrigere Nachhaltigkeitsrisiken (ESG-Risk Score).

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