Boom oder Blase? Online-Kunstmarkt trotz Wachstum mit immensen Herausforderungen
Die Covid-19-Pandemie brachte eine enorme Verschiebung in Richtung Online-Kunstkauf. Die Verkäufe aus den digitalen Auktionen von Christie’s, Sotheby’s und Phillips durchbrachen 2020 die 1-Milliarden-Dollar-Schallmauer. Der Wert von insgesamt 1,05 Milliarden Dollar (0,87 Mill. Euro) bedeutet einen Anstieg um 524 Prozent im Vergleich zu 2019.
Außerdem haben mehr als drei Viertel der befragten neuen Kunstsammler im letzten Jahr Kunst online ersteigert – 2019 lag der Wert bei etwas mehr als einem Drittel.
Der dritte und letzte Teil des Hiscox Online Art Trade Report 2020 beschäftigt sich mit den Hürden, welche der Online-Kunstmarkt überwinden muss, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein.
Denn obwohl 41 Prozent der Befragten angab, digital Kunstwerke ersteigern zu wollen, bleibt fast die Hälfte aller potentiellen Käufer zwischen 20 und 40 Jahren (46 Prozent) gegenüber dem Online-Kunstmarkt skeptisch.
Hiscox unterteilt die Customer Journey beim Online-Kunstkauf in fünf Hauptpunkte
- Vertrauen in den Verkäufer:
Wie kann ein Käufer entscheiden, ob eine Plattform und deren Verkäufer vertrauenswürdig sind? Mehr als ein Drittel (35 Prozent) der bereits existierenden Online-Kunstkäufer sehen Kundenbewertungen als wichtigen Teil des Entscheidungs-Prozesses an. Diese Form des Feedbacks muss sich jedoch auf den betrachteten Plattformen erst noch etablieren. - Das Kunstwerk:
Kann ein Käufer selbst Qualität, Zustand, Authentizität oder die Herkunft eines Kunstwerks feststellen? Drei Viertel (75 Prozent) der Skeptiker geben als größte Sorge an, nicht in der Lage zu sein, ein Kunstwerk physisch zu betrachten. Obwohl Verkäufer bereits daran arbeiten, dieses Problem zu beheben, ist die persönliche Erfahrung für viele immer noch am wichtigsten. - Wert und Preisangaben:
Der Wandel des Kunstmarkts Richtung Online hat viele Verkäufer dazu gebracht, Preise und Preisspannen der Kunstwerke anzugeben – ein klarer Fortschritt für den Kunden. Fast alle (93 Prozent) der untersuchten Plattformen geben genaue Preise an und die Hälfte der Online-Shops gibt Preise ähnlicher, bereits verkaufter, Kunstwerke an. Manche (54 Prozent) geben auch die Preise vergleichbarer Künstler an. - Transaktion:
Die Angaben des Verkäufers zu Zahlungsweise und Retouren haben großen Einfluss auf die Kaufentscheidung. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Kunstkäufer wurden schon einmal von den Retouren-Vorgaben eines Verkäufers vom Kauf abgeschreckt. Die Umfrage legt hier eine Auswahl verschiedener Methoden offen. - Auftragsabwicklung:
Der Versand wird weiterhin Streitpunkt zwischen den Online-Kunstplattformen bleiben. 41 Prozent der zögernden Online-Kunstkäufer gaben an, Bedenken rund um die Kosten und Dauer der Zustellung seien entscheidende Gründe dafür gewesen, einen digitalen Kunstkauf abzubrechen oder gar nicht online einzukaufen. 70 Prozent gaben dagegen an, eine kostenlose Lieferung würde einen Online-Kauf wahrscheinlicher machen. Trotzdem bietet nur eine von zehn befragten Online-Kunstplattformen aktuell kostenlose Zustellungen an.
Digitaler vs. analoger Kunstmarkt: Was ist das New Normal?
Robert Read, Head of Fine Art bei Hiscox, kommentiert die Ergebnisse: „Das Bedürfnis, Kunst online zu ersteigern, ist 2020 um ein Vielfaches gestiegen, aber es bleibt unklar, ob die ,Balance of Power‘ im Kunstmarkt stabil bleibt, wenn die analoge Kunstwelt wieder öffnet. In nur zwölf Monaten hat sich der digitale Kunstmarkt von einer Nische zur neuen Normalität entwickelt.
Allerdings wurde diese digitale Revolution von einer globalen Pandemie forciert und die aktuellen Herausforderungen bezüglich Vertrauen, Authentizität, Transparenz und Logistik gefährden einen nachhaltigen Erfolg. Zudem ist der Einfluss eines globalen Lockdowns nicht die einzige Herausforderung für die Kunstwelt.
Den digitalen Markt beschäftigt aktuell auch das Thema non-fungible Tokens, die weiter neues Geld anziehen. Keiner weiß, wie der Kunstmarkt aussehen wird, wenn die analoge Seite wieder voll am Start ist, wahrscheinlich ist nur, dass er anders aussehen wird als in den letzten Jahren.“
Bewusstsein für Risiken der digitalen Welt
Alina Sucker, Underwriting Manager Art & Private Clients bei Hiscox Deutschland, erklärt:
„Als Versicherer der digitalen Welt begrüßen wir sehr die digitale Entwicklungen, die Erleichterungen für die Nutzer bringen. Aber auch hier entstehen Risiken, die der Absicherung bedürfen. So nimmt laut aktuellem Online Art Trade Report auch im Bereich Kunst die Sorge vor Cyberrisiken zu.
Mit 57 Prozent fürchtet sich eine Mehrheit der Online-Käufer vor Kreditkarten-Hacking und etwa die Hälfte macht sich Sorgen über Datendiebstahl. Nur wenn diese und weitere Bedenken ausgeräumt und abgesichert werden können, kann der Online-Kunstmarkt seine starke Stellung festigen.“
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