Die Auswirkungen der Corona-Pandemie bekommt die gesamte deutsche Wirtschaft zu spüren – und damit auch die Versicherungsbranche. Dementsprechend erwarten die Managementberater von EY Innovalue deutliche Markteinbußen in der Versicherungswirtschaft.
Das betrifft sowohl die Kompositversicherung als auch die Lebens- und Krankenversicherung.
Die veränderten Marktbedingungen machen Druck auf ineffiziente Geschäfts- und Prozessmodelle. EY Innovalue hat in zwei Szenarien die Auswirkungen der Krise auf Bestand und Neugeschäft modelliert und Handlungsempfehlungen für Versicherer und Vertriebe abgeleitet. Basis ist die erwartete Branchen- und BIP-Entwicklung ohne Einfluss von Covid-19.
Julia Palte, Partner bei EY Innovalue, sagt:
Julia Palte, Partner bei EY Innovalue „Die nach wie vor relevanten Kontakt- und Mobilitätsbeschränkungen haben einen deutlichen Einfluss auf den Vertrieb. Darüber hinaus sorgt die Verunsicherung der Privat- aber auch der Firmenkunden für Zurückhaltung beim Neugeschäft und Abrieb im Bestand.
Jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen, wer in der Lage ist, sich schnell umzustellen und aus Herausforderungen Chancen zu machen.“
Bestandsrückgang im Komposit-Privatkundengeschäft
EY Innovalue erwartet im Komposit-Privatkundengeschäft einen Bestandsrückgang von zwei bis drei Prozent – insbesondere in den Sparten KFZ und Unfall. Insgesamt sehen die Managementberater aber den generellen Wachstumstrend nicht gebrochen, sondern zeitlich verschoben. Gründe sind verstärkte Preisvergleiche, gesunkene Kfz-Zulassungszahlen sowie ein Nachfragerückgang beziehungsweise Storni in „verzichtbaren“ Sparten.
Firmenkundengeschäft: Deutlicher Rückgang erwartet
Im Firmenkundengeschäft könnte der Rückgang mit vier bis sechs Prozent noch deutlicher ausfallen. Wenn es in 2021 nicht zu weiteren einschneidenden Shutdowns kommt, könnte ab 2025 das bisherige Geschäftsniveau wieder erreicht oder sogar überschritten werden.
Die Einflussfaktoren sind hier differenziert zu sehen. Neben einer Marktverkleinerung durch weniger Neugründungen und zunehmenden Insolvenzen dürften Branchen wie Gastronomie und Tourismus zusätzlich durch Prämienrückgänge bei umsatzabhängigen Policen betroffen sein. Generell sind Luftfahrt, Automotive und Tourismus nachhaltiger geschädigt als beispielsweise Medizintechnik, IT oder Telekommunikation. Mittelfristig erwarten die EY-Innovalue-Experten einen härter werdenden Markt, insbesondere in der Kredit- und Kautionsversicherung.
Signifikante Neugeschäftseinbrüche in Leben
In diesem Jahr rechnet EY Innovalue mit einem Rückgang des Neugeschäfts in der Lebensversicherung von 23 bis 27 Prozent. Hier ist insbesondere das Einmalbeitragsgeschäft betroffen.
Noch stärker könnten die Rückgänge in der betrieblichen Altersversorgung ausfallen: So ist gerade in der bAV aktuell das Neugeschäft teilweise komplett eingestellt. In der privaten Altersvorsorge drückt die anhaltende Unsicherheit auf die Abschlussbereitschaft. Hinzu kommen Beitragsfreistellungen und Storni.
In der Biometrie hingegen werden mittelfristig Zugewinne aufgrund eines höheren Risikobewusstseins erwartet.
PKV: reduzierte Wechselbereitschaft
Einen Einbruch von 22 bis 29 Prozent für das Neugeschäft in der privaten Krankenversicherung in diesem Jahr ist laut den Experten möglich. Dies betrifft vor allem die Vollversicherung. Das Vor-Krisen-Niveau dürfte auch bis 2025 nicht erreicht werden. Gründe sind eine geringere Wechselbereitschaft in die PKV sowie mehr Insolvenzen und weniger Eintritte in die Selbstständigkeit. Auch reduzierte Beratungsmöglichkeiten und ein beschleunigtes Ausscheiden abschlussorientierter Vermittler beeinflussen die Neugeschäftsentwicklung.
Konsolidierung im Vermittlermarkt erwartet
Eine wesentliche Veränderung des Vertriebswegemixes erwartet EY Innovalue nicht.
Julia Palte dazu:
„Der langfristige Trend des direkten Abschlusses wenig beratungsintensiver Produkte sowie der Bedeutungsgewinn von Maklern bleibt weiterhin intakt. Neben dem Einfluss von Covid führen zunehmende regulatorische Anforderungen und vor allem die Überalterung zu rückläufigen Zahlen der aktiven Makler.“
Dabei sind vor allem die Einzelkämpfer der Einzel- und kleineren Mittelstandsmakler unter Druck. Bei Pools und Vermittlerorganisationen setzt sich der Konsolidierungstrend fort. Insgesamt erwartet EY Innovalue einen Rückgang der registrierten Makler bis 2025 um 18 bis 23 Prozent.
Dabei scheiden abschlussorientierte Vermittler mit Branchenfokus in Leben und Kranken eher aus dem Markt als Vermittler mit Sachfokus und höheren laufenden Einnahmen.
Bei den gebundenen Vermittlern rechnen die EY-Experten sogar mit Rückgängen von 30 bis 34 Prozent.
Tobias Schulz, Director bei EY Innovalue, sagt:
„Ausschließlichkeitsagenten sind zwar kurzfristig durch die Unterstützung der Versicherer gut gewappnet, gleichwohl bleibt der Trend zum Ausscheiden älterer Vermittler oder von Vermittlern mit hohem Leben-/Kranken-Fokus bestehen. Dies gilt insbesondere, wenn die Vermittler die digitalen Möglichkeiten der Kundeninteraktion nicht nutzen.“
Julia Palte ergänzt:
„Die Versicherer sollten sich Transparenz über die Marktentwicklung verschaffen und Szenarien erstellen, die auf dem eigenen Portfolio basieren. Ziel ist es, die Auswirkungen auf die Vermittler zu verstehen und Maßnahmen zur Neugeschäfts- und Bestandssicherung abzuleiten. Außerdem muss überprüft werden, welche Risiken die Unternehmen bereit sind, in ihr Portfolio zu nehmen.“
Zudem müssen die Versicherer ihre mittel- bis langfristigen Strategien überarbeiten.
„Das betrifft die Portfolio-Zusammensetzung ebenso wie die Digitalisierungsstrategie. Auch die Risikoprofile der Kunden-Zielgruppen müssen neu bewertet werden und gegebenenfalls neue Produkte und Services entwickelt werden.“
Themen:
LESEN SIE AUCH
R+V setzt auf Comeback der Altersvorsorge
Nach einem schwierigen Jahr 2022 zeigt sich die R+V Versicherung für das laufende Jahr vorsichtig optimistisch. Denn der Bedarf an Absicherung ist trotz des schwierigen Umfelds ungebrochen hoch, insbesondere durch Versorgungslücken in der Altersversorgung.
MORGEN & MORGEN kürt die innovativsten Produkte
Unter den 12 Bewerbern des Innovationspreises der Assekuranz dürfen sich drei über Mehrfach-Gold freuen. Allen voran sicherte sich die Bayerische mit dem Wassersicherheitssystem „GROHE Sense“, das hilft, Wasserschäden präventiv zu vermeiden, Gold in allen Kategorien.
Versicherungsbranche erwartet 2025 stabiles Wachstum – GDV fordert Reformen
Die Versicherungswirtschaft prognostiziert für 2025 ein branchenweites Beitragswachstum von fünf Prozent. Besonders die Schaden- und Unfallversicherung sowie die PKV legen zu. Gleichzeitig fordert der GDV Reformen in der Altersvorsorge, Cybersicherheit und dem Steuerrecht.
Continentale Versicherungsverbund mit Wachstum im Geschäftsjahr 2023
Der Continentale Versicherungsverbund auf Gegenseitigkeit verzeichnete 2023 ein marktüberdurchschnittliches Wachstum. Die Beitragseinnahmen im selbst abgeschlossenen Geschäft erhöhten sich auf 4,57 Mrd. Euro. Getragen wurde die positive Entwicklung von der Schaden- und Unfallversicherung.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Allianz-Konsortium vor Abschluss des Viridium-Deals – WTW sieht Belebung des Run-Off-Marktes
Die Übernahme von Viridium durch ein Allianz-geführtes Konsortium steht offenbar kurz vor dem Abschluss. WTW erwartet, dass der Deal den deutschen Run-Off-Markt nachhaltig beleben wird.
Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen warnt: Fahrradversicherung oft unverzichtbar
Fahrräder sind in Deutschland ein beliebtes Fortbewegungsmittel – sowohl im Alltag als auch in der Freizeit. Doch mit der steigenden Zahl an hochwertigen Modellen, insbesondere E-Bikes, wächst auch das Risiko von Diebstählen. Laut der polizeilichen Kriminalstatistik wurden allein 2023 über 260.000 Fahrräder als gestohlen gemeldet, die tatsächliche Zahl dürfte jedoch weit höher liegen.
Insolvenzverfahren über ELEMENT eröffnet: Versicherungsschutz läuft aus
Das Insolvenzverfahren über die ELEMENT Insurance AG ist eröffnet. Die bestehenden Versicherungsverträge enden größtenteils zum 1. April 2025. Versicherten wird dringend geraten, schnell eine neue Absicherung zu suchen.
Aon-Marktprognose 2025: „Bürokratie bremst den Fortschritt aus“
Das Beratungsunternehmen Aon hat seine Marktprognose für den deutschen Versicherungsmarkt 2025 veröffentlicht. Der Bericht zeigt: Unternehmen müssen sich zunehmend mit komplexen und global vernetzten Risiken auseinandersetzen. Politische Unsicherheiten, hohe Kosten und der Klimawandel setzen Unternehmen unter Druck.