Sind Versicherte, deren Lebensversicherungsvertrag vom bisherigen Versicherer an eine Run-off-Plattform verkauft worden ist, anschließend besser oder schlechter gestellt? Die Antwort auf diese Frage liefert nun das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) nach einer umfassenden Analyse des Versicherungsmarktes.
Die Studie „Run-offs bei Bestandsverträgen zur Altersvorsorge“ wurde von der V.E.R.S. Leipzig GmbH unter Mitwirkung von Prof. Dr. Fred Wagner vom Institut für Versicherungswissenschaften an der Universität Leipzig im Auftrag des Deutschen Instituts für Altersvorsorge erstellt.
Die Studie enthält eine Bestandsaufnahme zur aktuellen Run-off-Diskussion, eine umfassende ökonomische Würdigung sowohl aus Kunden- als auch aus Unternehmenssicht sowie eine empirische Analyse des Run-offs in der deutschen Lebensversicherung. Für Letzteres wurde zum einen der Run-off-Markt dem restlichen Markt der Nicht-Run-off-Versicherer gegenübergestellt. Zum anderen erfolgte eine detaillierte Betrachtung der einzelnen Run-off-Versicherer und ein Vergleich der Jahresabschlussverhältnisse mit Versicherern der jeweiligen Peergroups.
Der Studie zufolge lassen sowohl die niedrigere Stornoquote als auch die absolute Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Erträgen der Versicherer, die nach einem Verkauf festzustellen sind, keine Benachteiligung der Kunden erkennen.
Effizienzvorteile noch nicht zu erkennen
Die von den Plattformen versprochenen Effizienzvorteile bei der Verwaltung großer LV-Bestände und die daraus resultierende höhere Verzinsung sind derzeit allerdings noch nicht in größerem Maßstab eingetreten.
Das ist zum Teil dem Umstand geschuldet, dass der Run-off-Markt in Deutschland aktuell noch sehr klein ist.
Keine sichtbaren Einsparungen aus Skaleneffekten
Die Kostenanalyse zeigt, dass die von den Run-off-Versicherern angestrebten Einsparungen aus Skaleneffekten noch nicht erreicht werden. So entfallen zwar die Abschlusskosten, da kein Neugeschäft mehr gezeichnet wird, aber eine effizientere Bestandsverwaltung beziehungsweise IT-Infrastruktur spiegelt sich in den Verwaltungskosten noch nicht wider. Die Studienautoren stellen fest:
„Hintergrund könnten jedoch die zunächst anfallenden Migrations- beziehungsweise Umstellungsaufwendungen sein, die erst in den Folgejahren Effizienzvorteile bringen.“
Erste positive Effekte, die diese Theorie stützen, zeigen sich in der Untersuchung einzelner Unternehmen allerdings bereits.
Überlegenheit in der Kapitalanlage nicht erkennbar
Die These, dass größere Versicherungsgruppen, die auf einer Plattform viele Verträge bündeln können, in der Kapitalanlage grundsätzlich überlegen sind, konnte mit den Analysen nicht bestätigt werden.
Bei der laufenden Verzinsung gibt es kaum Unterschiede zwischen Run-off-Versicherern und Nicht-Run-off-Versicherern. Erstere weisen aber eine höhere Nettoverzinsung auf, die sich vorrangig aus der stärkeren Auflösung von Bewertungsreserven ergibt.
Bei der Verwendung der erzielten Überschüsse, die wesentlich darüber entscheidet, was für die Versicherten unter dem Strich bei ihrem Vertrag herauskommt, fallen die Run-off-Versicherer zum einen durch eine höhere Zuführung zu den Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen (RfB) auf. Diese sind ein guter Indikator für die Partizipation an den Überschüssen der Versicherer.
Zum anderen werden bei den Run-off-Versicherern allerdings mehr realisierte Gewinne an die Anteilseigner ausgeschüttet. Die durchschnittliche Gewinnabführungsquote beträgt bei ihnen rund 57 Prozent. Bei den Nicht-Run-off-Versicherern sind es dagegen nur 33 Prozent. Letztere nutzen stattdessen in größerem Umfang Gewinne zum Aufbau von Sicherheitspuffern, belassen also mehr Gewinne im Unternehmen.
Unterschiedliche Beteiligung der Kunden an den Überschüssen
Der Gesetzgeber gibt für die Verteilung der Überschüsse Mindestgrößen vor. So müssen mindestens 90 Prozent des Kapitalanlage- und Risikoergebnisses und 50 Prozent des sonstigen Ergebnisses den Kunden gutgeschrieben werden.
Über die vorgeschriebenen Mindestgrößen hinaus können die Versicherer ihre Kunden stärker beteiligen. Von dieser Möglichkeit machen Nicht-Run-off-Versicherer und Run-off- Versicherer unterschiedlich Gebrauch. So beteiligen die Nicht-Run-off-Versicherer ihre Kunden mit 96 Prozent aller Überschüsse, die Run-off-Versicherer hingegen nur mit 89 Prozent.
Das scheint zunächst, so die Autoren, die vermeintliche Kritik, dass die Kunden nach einem Run-off weniger an den Ergebnissen partizipieren, zu bestätigen. Im Zusammenspiel mit der höheren RfB-Quote ergibt sich jedoch eine Kompensation:
„Die geringere Beteiligungsquote führt daher nicht zwangsläufig zu einer geringeren absoluten Beteiligung der Kunden von Run-off-Versicherern. Durch die höheren erwirtschafteten Rohüberschüsse gleichen sich hier Effekte auch nach Beteiligung des Unternehmens zugunsten der Versicherungsnehmer aus.“
Unbegründete Befürchtungen der Versicherten
Der Verkauf von Lebensversicherungsbeständen an einen spezialisierten Dritten, der in der öffentlichen Kritik häufig als Vertrauensbruch des Versprechens interpretiert wird, sich um die Altersvorsorge der einst gewonnenen Kunden zu kümmern, begründet nach den derzeitigen Geschäftszahlen der Run-off-Plattformen demnach keine Befürchtungen aus Kundensicht.
Gleichwohl bleibt die ökonomische Situation für die Run-off-Versicherer zunächst noch herausfordernd. Sie werden, auch um den Zukauf weiterer Bestände abzusichern, Effizienzvorteile nachweisen müssen.
Themen:
LESEN SIE AUCH
M&M-PKV Rating zeigt Stabilität der Privaten Krankenversicherer
Bilanzielle Einordnung der steigenden Überschüsse
Bislang erhöhten 37 Lebensversicherer zum Jahreswechsel ihre Überschussbeteiligung, weitere 13 halten diese konstant. MORGEN & MORGEN blickt hinter die Kulissen von 50 Gesellschaften und ordnet die Überschussbeteiligungen im Gesamtkontext der bilanziellen Lage ein.
ASCORE mit neuem PKV-Unternehmensscoring
Von insgesamt 32 bewerteten Krankenversicherungsunternehmen erhielten vier Versicherer die höchste Bewertung. Auffällig im Scoring: Die Entwicklung der Erfolgs-Kennzahlen war insgesamt rückläufig, obwohl die Anzahl der versicherten Personen wieder gesteigert werden konnte.
Start der Bewerbungsphase: Deutscher bAV-Preis
Vom 6. Oktober bis 14. Dezember können sich mittlere und große Unternehmen mit zukunftsweisenden Modellen der bAV in den Bereichen Plangestaltung, Finanz- und Risikomanagement, Administration und Kommunikation um den Deutschen bAV-Preis bewerben.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Versicherungstarifrunde: 1.400 Beschäftigte in Baden-Württemberg im Warnstreik
Im Tarifkonflikt der privaten Versicherungswirtschaft erhöhen die Beschäftigten den Druck: Rund 1.400 Angestellte legen in Baden-Württemberg die Arbeit nieder – mit klarer Botschaft an die Arbeitgeber vor der entscheidenden Verhandlungsrunde am 4. Juli.
Lebensversicherung: ZZR-Rückflüsse bringen Spielraum
Zinsanstieg, ZZR-Rückflüsse und demografischer Wandel verändern das Geschäftsmodell der Lebensversicherer grundlegend. Die Branche steht finanziell stabil da – doch das Neugeschäft bleibt unter Druck.
Wiederanlage im Bestand: Versicherer verschenken Milliardenpotenzial
In Zeiten stagnierender Neugeschäftszahlen und hoher Leistungsabfüsse rückt der Versicherungsbestand zunehmend in den Fokus strategischer Überlegungen. Das gilt insbesondere für die Lebensversicherung: Dort schlummern ungenutzte Chancen, die Erträge stabilisieren und die Kundenbindung stärken könnten – wenn Versicherer systematisch auf Wiederanlage setzen würden. Der Text erschien zuerst im expertenReport 05/2025.
#GKVTag – Pflegeversicherung unter Reformdruck: Stabilität durch Solidarität
Drei Jahrzehnte Pflegeversicherung – eine sozialpolitische Erfolgsgeschichte mit strukturellen Rissen. Seit ihrer Einführung garantiert sie die Absicherung pflegebedürftiger Menschen und setzt dabei auf das Zusammenspiel von Solidarität und Eigenverantwortung. Doch mit wachsender Zahl Anspruchsberechtigter, einem Ausgabenvolumen von inzwischen 65 Milliarden Euro und einem Beitragssatz von 3,6 Prozent (zuzüglich Kinderlosenzuschlag) gerät das System an seine finanziellen Grenzen.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.