Da bei 30 von 84 Lebensversicherern die im vergangenen Jahr erwirtschafteten Erträge aus der Kapitalanlage nicht ausreichen, um die Garantieverpflichtungen zu erfüllen und die gesetzlich vorgeschriebene Reserve zu bedienen, müssen sie dafür Erträge aus Risiko und Verwaltung in die Rechnung einbeziehen. Das zeigt die Policen-Direkt-Analyse der aktuell veröffentlichten Zahlen zur Mindestzuführungsverordnung.
Nur ein Versicherer schafft es auch mit Verwaltungs- und Risikogewinnen nicht, die Anforderungen zu erfüllen und zehrt damit von der Substanz. Im Jahr 2017 waren es noch fünf Versicherer. Die Reform der Zinszusatzreserve (ZZR) hat damit die erhoffte Wirkung gezeigt.
Henning Kühl, Chefaktuar von Policen Direkt und Versicherungsmathematiker (DAV), erklärt:
„Die Zinszusatzreserve zur Absicherung der Garantien ist nützlich und sinnvoll. Für viele Versicherer wäre sie aber in der alten Form existenzbedrohend geworden.“
Ohne eine Änderung der Berechnungsmethode hätte der zusätzliche Kundennutzen durch die weiteren Reservierungen in keinem Verhältnis mehr zur zusätzlichen Belastung für die Versicherer gestanden.
„Durch den nun langsameren Aufbau der Reserve haben die Lebensversicherer jetzt Luft, Strategien zur Verbesserung ihrer Zukunftsfähigkeit weiterzuentwickeln.“
Nach der Anpassung hat sich die Finanzstärke als Quote aus den Kapitalerträgen im Verhältnis zu den Rechnungszinsanforderungen auf durchschnittlich 114,03 Prozent verbessert. 2017 waren es 105,24 Prozent.
Nimmt man sämtliche Erträge in die Rechnung, dann ist die Steigerung noch deutlicher. Die Gesamt-Ertragsstärke verbessert sich so von 126,02 auf 141,75 Prozent. Ein Grund dafür: Lebensversicherer mussten statt 20 Milliarden Euro im Vorjahr lediglich 6 Milliarden Euro neu in die Reserve einzahlen.
Die Garantieanforderungen konnten so um rund 24 Prozent gesenkt werden auf den damit niedrigsten Stand seit 5 Jahren.
Mit Blick auf die Gesamt-Ertragsstärke wird klar, dass unter den 29 Gesellschaften, die über Risikogewinne und übrige Gewinne die Garantieanforderungen querfinanzieren, mittlerweile zahlreiche Biometriespezialisten sind. Diese erwirtschaften zwar tendenziell geringere Kapitalerträge, dafür aber vergleichsweise höhere Risikogewinne.
Spielräume bei Überschussbeteiligung
Die verbesserte Ertragslage spiegelt sich ebenfalls in der Überschussbeteiligung für 2019 wider. Hier konnte der Abwärtstrend zumindest kurzzeitig unterbrochen werden. Im Schnitt lag die laufende Verzinsung deutscher Versicherer dieses Jahr wie im Vorjahr bei 2,34 Prozent.
Einen starken Rückgang bei der Überschussbeteiligung erwartet Henning Kühl für 2020 nicht, auch wenn die Ertragslage sich erneut verschärfen sollte:
„Bei der Verzinsung sind die Gestaltungsmöglichkeiten weitgehend ausgeschöpft. Der Spielraum nach unten ist aufgrund der Garantieverzinsungen im Bestand bei den meisten Versicherern eng begrenzt. Für den Großteil der Versicherer geht es auch mit der geringeren zusätzlichen Belastung durch die Zinszusatzreserve weiterhin darum, die garantierten Leistungsversprechen langfristig erfüllen zu können.“
Wer es schafft mit dem aktuellen Geschäft starke Erträge zu erwirtschaften, kann seinen Kunden darüber hinaus überdurchschnittliche Überschussbeteiligungen bieten. Das gilt auch für Gesellschaften von besonders starker Substanz.
Der Schnell-Check für Verbraucher
Um in Zeiten der Unsicherheit auf die gestiegene Nachfrage der Versicherten nach transparenten Informationen zu reagieren, bietet Policen Direkt auch 2019 den Online-Schnell-Check an.
Policen Direkt hat die Übersichtstabellen zur Mindestbeteiligung der Versicherten an den Erträgen zusammengestellt. Sämtliche Lebensversicherer müssen diese Pflichtangaben nach Mindestzuführungsverordnung (MindZV §15) bis spätestens Ende September des Folgejahres veröffentlichen. Bei Policen Direkt finden Kunden und Makler die Daten der vergangenen fünf Jahre und können damit mögliche Trends im zeitlichen Verlauf erkennen.
Die Tabellen stehen auf www.policendirekt.de/ertragslage zur Verfügung.
Themen:
LESEN SIE AUCH
M&M Marktblick: Trendwende bei den Überschussbeteiligungen?
Rund 20 Versicherer haben zum Jahreswechsel ihre Überschussbeteiligung angehoben. Aber ist es nicht noch zu früh für großzügige Erhöhungen? Wie können sich die Versicherer das leisten? MORGEN & MORGEN blickt hierfür hinter die Unternehmenskulissen der deutschen Lebensversicherer.
Assekurata: EKG-Check 2020 in der Lebensversicherung
Lebensversicherungsbranche kämpft weiter um Stabilität
LV: große Qualitätsunterschiede bei Standmitteilungen
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Lebensversicherung: ZZR-Rückflüsse bringen Spielraum
Zinsanstieg, ZZR-Rückflüsse und demografischer Wandel verändern das Geschäftsmodell der Lebensversicherer grundlegend. Die Branche steht finanziell stabil da – doch das Neugeschäft bleibt unter Druck.
Wiederanlage im Bestand: Versicherer verschenken Milliardenpotenzial
In Zeiten stagnierender Neugeschäftszahlen und hoher Leistungsabfüsse rückt der Versicherungsbestand zunehmend in den Fokus strategischer Überlegungen. Das gilt insbesondere für die Lebensversicherung: Dort schlummern ungenutzte Chancen, die Erträge stabilisieren und die Kundenbindung stärken könnten – wenn Versicherer systematisch auf Wiederanlage setzen würden. Der Text erschien zuerst im expertenReport 05/2025.
#GKVTag – Pflegeversicherung unter Reformdruck: Stabilität durch Solidarität
Drei Jahrzehnte Pflegeversicherung – eine sozialpolitische Erfolgsgeschichte mit strukturellen Rissen. Seit ihrer Einführung garantiert sie die Absicherung pflegebedürftiger Menschen und setzt dabei auf das Zusammenspiel von Solidarität und Eigenverantwortung. Doch mit wachsender Zahl Anspruchsberechtigter, einem Ausgabenvolumen von inzwischen 65 Milliarden Euro und einem Beitragssatz von 3,6 Prozent (zuzüglich Kinderlosenzuschlag) gerät das System an seine finanziellen Grenzen.
„Fünf Tierseuchen gleichzeitig – Tierhalter geraten weiter unter Druck“
Mit einem neuen Höchstwert von 96 Millionen Euro Schadenaufwand blickt die Vereinigte Tierversicherung (VTV) auf das bislang teuerste Jahr ihrer Geschichte zurück. Der Großteil der Schäden entstand durch Tierseuchen – allen voran durch die Blauzungenkrankheit, die allein 30 Millionen Euro kostete. Diese betraf 2024 vor allem Wiederkäuer-Bestände in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Hessen. Die VTV ist Marktführer in der landwirtschaftlichen Tierversicherung und Teil der R+V Gruppe.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.