Seit der Neufassung des Provisionsabgabeverbots beschäftigen sich die Marktteilnehmer mit der neuen Ausnahme: Vermittlern ist es dann erlaubt, Provisionen an den Kunden weiterzugeben, soweit sie ausschließlich zur dauerhaften Leistungserhöhung oder Prämienreduzierung des vermittelten Vertrages verwendet werden und der Versicherer die entsprechende Verrechnung vornimmt.
Man könnte nun meinen, das gilt so auch für Lebens- und Rentenversicherungsverträge, denn tatsächlich enthalten die gesetzlichen Bestimmungen zum Provisionsabgabeverbot beziehungsweise die dort formulierte Ausnahme keine Einschränkung für die Lebensversicherung.
Provisionsabgabe in der Lebensversicherung würde gegen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen
Doch im Besonderen für Lebensversicherungsverträge sieht der Gesetzgeber den strengen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 138 VAG) vor. Danach müssen bei gleichen Voraussetzungen Beiträge und Leistungen nur nach gleichen Grundsätzen bemessen werden. Besonders streng ist der Gesetzgeber mit Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (VVaG). Für Versicherer dieser Rechtsform gilt zusätzlich das sogenannte Personalitätsprinzip (§ 177 VAG). Für VVaG müssen bei der Tarifgestaltung alle Mitglieder als Versicherungsnehmer ausnahmslos gleichbehandelt werden.
Wenn nun der Versicherer die in einen Lebensversicherungsvertrag eingerechneten Abschlusskosten um den Teil der Provision reduziert, den der Vermittler bereit ist, an den Kunden abzugeben, entsteht im Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer eine entsprechende Ungleichbehandlung und damit eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und gegebenenfalls zusätzlich des Personalitätsprinzips.
So kommt die BaFin zu der Auffassung, dass es nicht möglich ist, dass der Versicherer nur eine Provision verrechnet und in diesem Zusammenhang nicht gleichzeitig auch einen Nachlass gibt mit der Folge der Ungleichbehandlung der Versicherungsnehmer.
Versicherer und Vermittler würden gegen IDD verstoßen
Darüber hinaus sind auch die Vorgaben der IDD zu beachten. Der Versicherer ist bekanntlich gesetzlich verpflichtet, bei seiner Vertriebstätigkeit stets ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse des Kunden zu handeln. Und die von ihm an seine Vermittler gezahlte Vertriebsvergütung darf damit nicht kollidieren (§ 48a VAG). Es dürfen also keine Vorkehrungen durch die Vergütung oder in anderer Weise gesetzt werden, durch die Anreize für den Versicherungsvermittler entstehen, einem Kunden ein bestimmtes Versicherungsprodukt zu empfehlen, obwohl ein anderes, den Bedürfnissen des Kunden besser entsprechendes Versicherungsprodukt angeboten werden könnte. Insbesondere Versicherungsmakler stehen bei der Vermittlung für den betreffenden Versicherer in der gleichen (delegieren) Verpflichtung. Der Vermittler darf einem Kunden also nicht etwa ein Produkt, das hinsichtlich des Beratungs- und Informationsaufwands beziehungsweise der Produktkomplexität und sonstigen Eigenschaften gleich ist, nur aufgrund einer höheren Provision oder aufgrund anderer „sachfremder“ Erwägungen empfehlen.
Wird also einmal beziehungsweise für einen Kunden ein Vertrag mit Beitragsvergünstigung oder Leistungserhöhung durch Courtage-Verrechnung vermittelt, besteht für den Vermittler und den Versicherer die Verpflichtung, allen wirtschaftlich gleich oder ähnlich zu betrachtenden Kunden, einen Vertrag zu gleichen Konditionen anzubieten. Die Einhaltung dieser Verpflichtung hat der betreffende Versicherer auch beim Vermittler zu kontrollieren. Unterschiedliche Preise für ähnliche oder gleiche Produkte beziehungsweise Leistungen sind daher höchst problematisch!
Vermittler müsste für eine nicht an den Kunden abgegebene Provision haften
Man stelle sich nur vor, zwei Kunden des gleichen Vermittlers treffen sich und tauschen sich über ihre Vertragsabschlüsse aus. Beide Kunden sind ähnlich alt, in einer ähnlichen beruflichen Tätigkeit und sind doch ansonsten aus versicherungstechnischer Sicht gleich zu betrachten. Dem einen Kunden hat der Vermittler allerdings durch teilweisen Courtageverzicht eine Beitragsvergünstigung beziehungsweise Leistungsverbesserung verschafft, dem anderen Kunden jedoch nicht – vielleicht schlicht deswegen, weil erstere Kunde hartnäckiger verhandelt hat. Der Vermittler hat keine Chance, eine Haftung zu entgehen. Er muss dem Kunden, dem er keinen Nachlass gewährt hat, diesen Nachteil ausgleichen.
Möglicherweise keine „Qualitäts-Zusatzprovision“ nach dem Provisionsdeckel
Besonders fraglich wären unterschiedliche Preise für ähnliche oder gleiche Produkte auch mit Blick auf den möglicherweise bevorstehenden Provisionsdeckel. Die Standardvergütung soll bei 25 Promille liegen. Eine Vergütung bis zu 40 Promille wäre nur zulässig, wenn sich dies durch besondere Qualitätsmerkmale rechtfertigt. Erfahrungsgemäß wird jedoch insbesondere im Bereich der betrieblichen Altersversorgung besonders hart um die Konditionen, zum Beispiel eines Gruppenversicherungs- oder Kollektivvertrags verhandelt. Andererseits ist unstreitig, dass gerade in diesem Bereich besonders viel Beratungs- und Informationsaufwand entsteht. Es würde also vor diesem Hintergrund besonders schwer, wie seitens des Versicherers dann noch höhere Vergütungen in anderen Bereichen (insbesondere einfache private Altersversorgung) gerechtfertigt werden können. Man wäre fast gezwungen, dann nur noch niedrigere Vergütungen zuzulassen.
Deswegen sind nicht nur Versicherer, sondern auch Vermittler sehr gut beraten, auch weiterhin in der Lebensversicherung keine Provisionsweitergabe beziehungsweise -verrechnung zuzulassen.
Kollektivrahmenverträge (mit Vereinen und Verbänden) sind eine rechtssichere Alternative
Dennoch müssen Vermittler beim Abschluss von einzelnen Versicherungsverträgen nicht gänzlich auf die Möglichkeit der Beitragsvergünstigung oder Leistungserhöhung durch Abschlusskostenreduzierung verzichten: Bei Einbezug der Versicherung in einen Kollektivrahmenvertrag mit einem Verein (IPV e.V., VFHI e.V., VMA e.V. und ähnliche Arbeitgeber- und Unternehmervereinigungen) bestehen die beschriebenen Verpflichtungen hingegen nicht. Hier kommt es für die Gewährung einer Beitragsvergünstigung oder Leistungserhöhung ausschließlich darauf an, ob eine Vereinsmitgliedschaft und damit Mitgliedschaft im entsprechenden Kollektivrahmenvertrag besteht.
Ganz wenige könnten jetzt noch auf die Idee kommen, dass ein Vermittler möglicherweise verpflichtet ist, auf die Möglichkeit der Mitgliedschaft in einem Verein, mit dem der betreffende Versicherer einen Kollektivrahmenvertrag unterhält (und der in einem Angebotssystem genannt ist), hinzuweisen. Das ist ausdrücklich nicht der Fall. Es bleibt also dem Vermittler stets frei überlassen, ob er auf die Möglichkeit zum Beispiel einer IPV-Mitgliedschaft hinweist oder nicht. Hier gibt es keinerlei Hinweis- oder Beratungspflichten.
Autor: Reiner Ludewig, VFHI e. V.
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