Rückstauschaden bei angestautem Wasser infolge Starkregens

Das Berliner Kammergericht (KG) hatte sich jüngst damit zu befassen, ob ein versicherter Rückstauschaden bei angestautem Wasser infolge Starkregens vorliegt. Nicht alles, was zunächst wie ein witterungsbedingter Rückstau aussieht, ist ein Schadenereignis im Sinne der Versicherungsbedingungen. Das zeigt die Entscheidung des KG Berlin vom 18.05.2018, Az: 6 U 162/17.

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Was ist Rückstau?

Bei Rückstau handelt es sich um Wasser, das über die Kanalisation aufgrund von Überschwemmung oder starken Regenfällen nicht mehr abgeführt werden kann und über die Straßenoberkante steigt. Das aufgestaute Wasser sucht durch den Druck Wege zu offenen Abwasserstellen, wie Toiletten und Waschbecken. Ein Rückstau gehört bei Versicherungen, genauso wie Schäden durch Sturm oder Überschwemmungen, zu den sogenannten „Elementarschäden“ (Schäden, die durch Naturereignisse hervorgerufen werden). Für Rückstauschäden ist die sogenannte Elementarschadenversicherung erforderlich. Sie wird in Kombination mit einer Gebäude- sowie Hausratversicherung oder durch Erweiterung dieser Verträge abgeschlossen. Nur wenn der Rückstau als Elementarschaden vom Versicherungsschutz umfasst ist, trägt die Versicherung die Schadensbeseitigungskosten.

Schadensersatzansprüche aus der Wohngebäudeversicherung

Vorliegend verlangte die Versicherungsnehmerin von ihrem Wohngebäudeversicherer Schadenersatz für einen Wasserschaden infolge Unwetters mit Starkregen.

In dem zu entscheidenden Fall vor dem KG Berlin erlitt die Versicherungsnehmerin einen Schaden, weil Regenwasser von ihrem Balkon im 4. Obergeschoss in ihre Wohnung drang. Von dort aus lief das Wasser in die darunterliegenden Wohnungen. Das Abflussrohr des Balkons war aufgrund anhaltenden Starkregens „randvoll“ und konnte die auf dem Balkon niedergehenden Regenmengen nicht mehr aufnehmen. Deshalb staute sich Wasser auf dem Balkon, bis es die Balkontürschwelle überstieg.

Die Versicherungsnehmerin ging davon aus, dass es sich um ein versichertes Ereignis handelte. Sie berief sich auf einen Rückstau. Im Rahmen der Wohngebäudeversicherung waren unter anderem auch Schäden versichert, die durch den Rückstau von Wasser entstehen. Der Versicherer lehnte jedoch eine Leistung ab und wies darauf hin, dass kein Schadensereignis im Sinne der Elementarschadenversicherung vorliegt.

KG Berlin verneint Vorliegen eines versicherten Rückstauschadens bei angestautem Wasser infolge Starkregens

Das KG Berlin hatte diesen Sachverhalt weder als Leitungswasserschaden (vgl. OLG Hamm v. 18.11.2016, Az. 20 U 148/16) noch als Rückstauschaden im Sinne der Wohngebäude-Versicherungsbedingungen bewertet. Ein Rückstau i. S. d. § 4 VGB setzt voraus, dass Wasser aus dem Rohrsystem des versicherten Gebäudes austritt. Bei angestautem Wasser infolge außergewöhnlichen Starkregens auf dem obersten Balkon eines Gebäudes kommt es eben nicht zum Austritt von Niederschlagswasser aus dem Balkonentwässerungssystem.

Wasser kann nur dann aus einem Rohrsystem austreten, wenn es zuvor in dieses eingetreten ist, so das Kammergericht. Vorliegend konnte das Niederschlagswasser nicht mehr von dem Regenfallrohr aufgenommen werden und somit auch gar nicht erst in dieses eintreten. Das Gericht bewertete dies als einen bestimmungswidrigen Nichteintritt von Wasser, wobei es aber gerade auf einen bestimmungswidrigen Austritt ankommt (vgl. OLG Hamm v. 26. 4. 2017, Az: 20 U 23/17).

Elementarschadenversicherung schützt nicht vor allen Gebäudeschäden, die durch Witterungsniederschläge verursacht werden

Das Kammergericht ist der Auffassung, dass auch Sinn und Zweck des § 4 VGB keine andere Auslegung gebieten. Es macht in seiner Entscheidung vom 18.05.2018 deutlich, dass die Elementarschadenversicherung zwar dem Schutz vor Schäden dient, die durch die „Elemente“ wie etwa Witterungsniederschläge verursacht werden.

Dies bedeutet nach Worten des Kammergerichts aber nicht, dass damit alle Gebäudeschäden, die durch Witterungsniederschläge verursacht werden, automatisch versichert sein müssten (vgl. OLG Hamm v. 26. 4. 2017, Az: 20 U 23/17). Der Versicherungsnehmer kann lediglich erwarten, dass bestimmte in den Versicherungsbedingungen definierte Schäden, die durch Starkregen ausgelöst werden, gedeckt sind, wie insbesondere Überschwemmung und Rückstau.

Fazit zum dem Fall vor dem KG Berlin

Damit liegt kein versicherter Rückstauschaden im Sinne der Wohngebäudeversicherung bei angestautem Wasser infolge Starkregens vor. Das Ereignis war nicht versichert. Konsequenterweise musste der Wohngebäudeversicherer für die Schadenersatzkosten nicht aufkommen. Damit bestätigt das Kammergericht die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm aus dem Jahr 2017 (Az: 20 U 23/17).

Die Frage, ob es sich in einem konkreten Fall tatsächlich um ein versichertes Ereignis handelt, ist bisweilen also nicht einfach zu beantworten. Die Elementarversicherung bietet jedenfalls keinen Schutz gegen alle Schäden durch Starkregen.

Aus diesem Grunde sollten frühzeitig versierte Fachanwälte für Versicherungsrecht hinzugezogen werden, damit der Versicherte frühzeitig über die Risiken derartiger Verfahren aufgeklärt wird und entsprechende anwaltliche Hinweise bekommt. Versicherungsprozesse sich äußerst kostspielig. Wir auch dieser Fall zeigt, enden Versicherungsprozesse meist erst in der zweiten Instanz. Damit werden de facto zwei Prozesse geführt, die von demjenigen bezahlt werden müssen, wer den Anspruch auf Leistungen geltend macht. Das ist meist der Versicherungsnehmer/Versicherte.

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Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

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