Wie realistisch ist der Gesetzesvorschlag zum digitalen Euro?

Eine vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) beauftragte Studie des Unternehmens PaySys Consultancy "Der digitale Euro aus Sicht des Verbrauchers, des Handels und der Industrie" unterzieht die bislang vorliegenden Ideen der Europäischen Zentralbank (EZB) und den Regulierungsvorschlag der EU-Kommission zur Ausgestaltung eines digitalen Euro einem Realitätscheck.

modern background abstract designmodern background abstract designwetzkaz – stock.adobe.com

Kern der bisherigen politischen Vorschläge ist, den digitalen Euro nicht nur als Zahlungsmittel in Ergänzung zum Bargeld, sondern als zusätzliches Zahlverfahren neben dem bestehenden Zahlungsverkehr auszugestalten. Welche Konsequenzen hätte eine Umsetzung dieser Ideen für die verschiedenen Marktteilnehmer? Welchen Mehrwert würde ein digitaler Euro, wie die europäische Notenbank ihn aktuell vorschlägt, für Handel und Verbraucher stiften? Wie praxistauglich sind die Vorschläge? Gibt es Widersprüche oder bauen die Ideen konsistent aufeinander auf? Decken die Vorschläge alle für eine Umsetzung zu klärenden Fragen ab?

Die PaySys-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der digitale Euro, wenn er den aktuellen Vorschlägen folgend ausgestaltet würde, kaum Mehrwerte für Verbraucher und Handel liefert. Vielmehr bezweifeln die Studienautoren, dass Verbraucher und Handel das Produkt aufgrund der hohen Komplexität überhaupt verstehen, geschweige denn nutzen würden. Zum Beispiel würden sich die bislang am Zahlungsverkehr beteiligten Parteien von derzeit vier (Zahler, Zahlungsempfänger und deren jeweilige Payment Service Provider) auf dann bis zu acht Beteiligte erhöhen, was Abwicklungsprozesse verkomplizieren und verlangsamen würde.

Die Komplexität des digitalen Euro in dieser Ausprägung würde auch im Widerspruch zu niedrigeren Kosten und damit zur höheren Wettbewerbsfähigkeit Europas stehen. Ebenfalls gehen die Autoren davon aus, dass die technische Umstellung Handel und Marktpartner massiv fordern würde, da diese keinerlei Einflussnahme auf das Ob und Wann der Umstellung haben. Auch arbeiten die Autoren heraus, dass das angedachte Vergütungsmodell mit Obergrenzen unterhalb von Marktpreisen für eine Verdrängung effizienter europäischer Zahlungssysteme sorgen und damit die europäische Souveränität nachhaltig schwächen würde.

"Der digitale Euro in der bislang angedachten Ausgestaltung wäre eher ein Konkurrenzprodukt für existierende bargeldlose Zahlungsarten und weniger ein innovativer Ersatz für das herkömmliche Zentralbankprodukt Bargeld, dessen Nutzung derzeit rückläufig ist", so Professor Dr. Malte Krüger von der Technischen Hochschule Aschaffenburg, der zu den Autoren der Studie gehört. "Es sind derzeit noch viele Fragen offen und Widersprüche zwischen den einschlägigen Dokumenten des Eurosystems und dem Regulierungsvorschlag der EU-Kommission festzustellen. Offene Fragen gibt es insbesondere zur Ausgestaltung des Kompensationsmodells, der Regelung von Haftungsfragen, der Ausgestaltung des offline digitalen Euro, der Höhe der Haltelimits und der Gestaltung einer angedachten digitalen Euro-Karte. Kritisch zu sehen ist zudem die Fokussierung auf das Smartphone als Zahlungsmittel", erläutert Krüger weiter.

Mehrwerte bietender digitaler Euro als zielführender Weg

BVR-Vorstandsmitglied Tanja Müller-Ziegler betont: "Wir setzen uns für einen digitalen Euro ein, der Verbrauchern und Unternehmen erkennbare Mehrwerte bietet. Die PaySys-Studie legt aber offen, dass die bisherigen Vorschläge des Eurosystems und der EU-Kommission, eine staatlich betriebene Parallelwelt zum bestehenden und bewährten privatwirtschaftlichen Zahlungsverkehrssystem zu schaffen, der falsche Weg sind. Im Mittelpunkt aller Überlegungen sollte der Nutzen für die Anwender liegen, einschließlich der Punkte Anonymität, Stabilität und Datenschutz. Auch in dieser Hinsicht sind viele Fragen offen. Die Bankpraxis muss bei der Konzeption eines digitalen Euro deutlich stärker einbezogen werden; wir bieten hier weiterhin unsere intensive Mitarbeit an."

Zur PaySys-Studie

Autoren der vom BVR bei PaySys Consultancy beauftragten wissenschaftlichen Studie "Der digitale Euro aus Sicht des Verbrauchers, des Handels und der Industrie" sind die auf Zahlungsverkehr, Finanzmärkte und Geldpolitik spezialisierten Experten und Wissenschaftler Dr. Hugo Godschalk, Geschäftsführer PaySys Consultancy, Professor Dr. Malte Krüger von der Technischen Hochschule Aschaffenburg und Professor Dr. Franz Seitz von der Ostbayerischen Technisches Hochschule Amberg-Weiden. Methodisch wurden über systematischen Desk Research die bis Juni 2024 veröffentlichten Dokumente und Regulierungsvorschläge des Eurosystems und der EU-Kommission ausgewertet und auf Konsistenz sowie Umsetzbarkeit im europäischen Finanzmarkt, insbesondere aus Sicht des Handels und der Verbraucher, analysiert.

Die PaySys-Studie "Der digitale Euro aus Sicht des Verbrauchers, des Handels und der Industrie" ist im Internet unter www.bvr.de verfügbar.

LESEN SIE AUCH

Real estate agent showing new office space to clientsReal estate agent showing new office space to clientsJacob Lund – stock.adobe.comReal estate agent showing new office space to clientsJacob Lund – stock.adobe.com
Produkte

Immobilienpreise gehen in Seitwärtsbewegung über

Die knapp zweijährige Abwärtsentwicklung der Immobilienpreise in Deutschland wurde im zweiten Quartal dieses Jahres aufgehalten: Der Immobilienpreisindex des Verbands deutscher Pfandbriefbanken erreichte einen Wert von 175,5 Punkten und lag 0,5 Prozent üb er dem Werts im ersten Quartal 2024.

Schirm-Kreditkarte-117196537-AS-lucid-dreamSchirm-Kreditkarte-117196537-AS-lucid-dreamSchirm-Kreditkarte-117196537-AS-lucid-dream
Finanzen

Zufriedenheit mit Restkreditversicherung wächst

Verbraucher, die zur Anschaffung eines Konsumguts eine Finanzierung nutzen, können die Rückzahlung ihrer Raten bei Arbeitslosigkeit oder im Todesfall mit einer Restkreditversicherung (RKV) absichern.
Finanzen

Entbürokratisierung bei Wertpapierordern war überfällig

Heute hat die EU-Kommission Vorschläge für kurzfristige Erleichterungen im Wertpapierhandel präsentiert, um die wirtschaftliche Erholung Europas zu unterstützen. Der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) wertet die vorgeschlagenen Veränderungen als "überfälligen Schritt zur Entbürokratisierung im Wertpapiergeschäft". M
Business young man explaining terms of contract to his client inBusiness young man explaining terms of contract to his client innenetus – stock.adobe.comBusiness young man explaining terms of contract to his client innenetus – stock.adobe.com
Finanzen

Trendstudie von Simon-Kucher: Kundenbindung wird im Privatkundengeschäft für alle Institute immer wichtiger

Die vergangenen zwei Jahre seit Beginn der Zinswende waren nachweislich von einer hohen Dynamik geprägt. Die rund 40 Millionen privaten Haushalte in Deutschland dürften in den vergangenen zwei Jahren überdurchschnittlich viele Finanzentscheidungen getroffen haben. Die Beziehung zwischen Kunde und Bank wird also immer wichtiger - doch wie intensiv ist sie nach zwei Jahren Zinswende?

Business problemBusiness problemstokkete – stock.adobe.comBusiness problemstokkete – stock.adobe.com

Großinsolvenzen steigen um mehr als ein Drittel, Schäden sind nahezu verdoppelt

Die Insolvenzen in Deutschland steigen an und der Trend dürfte sich durch die Rezession im Jahresverlauf fortsetzen. Bis Ende 2024 rechnet Allianz Trade für die Bundesrepublik mit einer Zunahme der Pleiten um 21 Prozent. Damit dürften die Fallzahlen Ende des Jahres etwa 15 Prozent über dem Niveau von 2019 und damit vor der Pandemie liegen. Erst in 2025 wird ein Abflachen der Zahlen erwartet.

Frau-Laptop-skeptisch-730471580-DP-GaudiLabFrau-Laptop-skeptisch-730471580-DP-GaudiLabFrau-Laptop-skeptisch-730471580-DP-GaudiLab
Finanzen

Geldanlagen im Internet - Verbraucher sind skeptisch

Das Deutsche Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) wollte im Rahmen seiner halbjährlichen Befragung wissen, wie die Menschen zu Angeboten im Internet stehen und welche Erfahrungen sie damit gemacht haben.

Mehr zum Thema

Matt Benkendorf, Chief Investment Officer, Vontobel Quality GrowthVontobelMatt Benkendorf, Chief Investment Officer, Vontobel Quality GrowthVontobel
Finanzen

Vier Schlüsselthemen für die globalen Aktienmärkte im Jahr 2025

Von den Auswirkungen der KI-Welle bis hin zu geopolitischen Verschiebungen: Matt Benkendorf, Chief Investment Officer bei Vontobel Quality Growth, beleuchtet in einem Marktkommentar die vier zentralen Themen, die die globalen Aktienmärkte im Jahr 2025 prägen könnten.

Sind die Deutschen zu 'zinsverliebt'? Man sollte sich nicht allein durch die trügerische Sicherheit der Nominalzinsen leiten lassen, so Thomas Meier, Portfoliomanager bei MainFirst.DALL-ESind die Deutschen zu 'zinsverliebt'? Man sollte sich nicht allein durch die trügerische Sicherheit der Nominalzinsen leiten lassen, so Thomas Meier, Portfoliomanager bei MainFirst.DALL-E
Finanzen

Die Nominalzins-Illusion: Warum die Deutschen zu zinsverliebt sind

Trotz der geopolitischen Unsicherheiten gebe es kein Vorbeikommen an den Aktienmärkten, meint Thomas Meier, Portfoliomanager bei MainFirst.

Rick de los Reyes, Sector Portfolio Manager und Head of Commodities bei T. Rowe PriceT. Rowe PriceRick de los Reyes, Sector Portfolio Manager und Head of Commodities bei T. Rowe PriceT. Rowe Price
Finanzen

„Fast alle Währungen verlieren an Wert – Gold bleibt stabil“

Gold erweist sich als stabiler Wertaufbewahrer, insbesondere in Zeiten von Inflation und Währungsabwertung. Im Interview erläutert Rick de los Reyes, Sector Portfolio Manager und Head of Commodities bei T. Rowe Price, wie Vermittler den langfristigen Wert von Gold erklären können.

Dr. Eduard Baitinger ist seit 2015 Leiter Asset Allocation der FERI AG.FERI AGDr. Eduard Baitinger ist seit 2015 Leiter Asset Allocation der FERI AG.FERI AG
Finanzen

Aufwärtstrend an den Aktienmärkten hält trotz Risiken an

Trotz geopolitischer Spannungen und wirtschaftlicher Herausforderungen setzen die globalen Börsen ihren Höhenflug fort, getragen von den starken US-Märkten und dem KI-Hype. Dr. Eduard Baitinger (FERI AG) beleuchtet die wichtigsten Trends und Risiken.

WorldSpectrum / pixabayWorldSpectrum / pixabay
Finanzen

Volatilitätsindikatoren auf den Kryptomärkten: Ein umfassender Leitfaden

Die Märkte für Kryptowährungen sind sehr volatil. Mit sogenannten Volatilitätsindikatoren lässt sich der Schwankungsgrad messen. Welche dieser Indikatoren es gibt und welche Bedeutung sie haben.

Raten-Kauf / pixabayRaten-Kauf / pixabay
Finanzen

Zinsen für Festgeld und Tagesgeld sinken

Viele Banken und Sparkassen haben nach der letzten Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank ihre Zinsen für Festgeld und Tagesgeld reduziert.