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Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Hochwasser-Schäden erlitten haben, können ab sofort mit Hilfe des Finanzamts mehr Netto vom Bruttogehalt herausbekommen. Auch Immobilienbesitzer ohne vorhandene Elementarschadenversicherung profitieren von der Regelung. Möglich machen das die aktuellen Katastrophen-Erlässe der Länder Baden-Württemberg und Bayern.
Der Geldratgeber Finanztip rät: Wer jetzt aufgrund der Schäden mehr Geld braucht, kann einen Antrag auf sogenannte Lohnsteuerermäßigung stellen und erhält dadurch bereits ab dem nächsten Monat mehr Gehalt auf dem Konto. Das sind oft mehrere Hundert Euro im Monat, abhängig von Brutto-Gehalt und Höhe der Schäden.
Keller unter Wasser, Hausrat ruiniert, Hauswände eingerissen. Wenn das Wasser weicht, werden die Schäden sichtbar. Doch nicht alle Hochwasser-Schäden sind versichert, nicht für alles gibt es Soforthilfen. „Viele Geschädigte wissen nicht, dass sie jetzt sofort Gelder für schadensbedingte Mehrkosten bekommen können, die direkt mit der nächsten Lohnabrechnung überwiesen werden. Der dafür nötige Antrag auf Lohnsteuerermäßigung ist sowas wie eine persönliche steuerliche Soforthilfe“, erklärt Finanztip Steuerexperte Jörg Leine. Möglich sei das, wenn Betroffene beim Antrag auf Lohnsteuerermäßigung den Haken bei „außergewöhnlichen Belastungen“ setzen und einen realistischen Schätzwert der Schäden eintragen, die von Versicherern nicht übernommen werden. Dazu zählen unter anderem Krankheitskosten, aber auch die Wiederbeschaffungs- und Reparaturkosten für Wohnung, Möbel, Hausrat und Kleidung.
Steuerprogramme unterstützen beim Antrag auf Lohnsteuerermäßigung
Betroffenen, die steuerliche Soforthilfen beantragen möchten, rät Finanztip zu folgenden Schritten: Als erstes alle Schäden dokumentieren und lieber zu viele Fotos als zu wenige vom Schaden anfertigen. Dann prüfen, was die Versicherung übernimmt, sich einen Überblick über den Rest verschaffen und die verbleibende finanzielle Belastung schätzen. „Dazu gehören auch Kostenvoranschläge für Handwerker, die Einrichtung oder auch Kleidung. Wichtig hierbei ist, beim Antrag ans Finanzamt gilt als Schaden immer der Wiederbeschaffungswert“, so Leine.
Sind die Schäden und mögliche Kosten dokumentiert, gehen Betroffene folgendermaßen vor:
- Angestellte stellen einen Antrag auf Lohnsteuerermäßigung, viele Steuerprogramme unterstützen dabei. Dazu gehören die Finanztip-Empfehlungen „Wiso Steuer“, „Steuersparerklärung“ und „Tax“.
- Dort bei „außergewöhnlichen Belastungen“ den Schätzwert eintragen. Alternative: Über das Online-Finanzamt Elster.
Selbstständige hingegen zahlen im Gegensatz zu Personen im Angestelltenverhältnis keine monatliche Lohnsteuer, sondern Einkommenssteuervorauszahlungen. Finanztip rät ihnen, das zuständige Finanzamt über Schäden zu informieren und diese Vorauszahlungen zu senken oder auf Null setzen zu lassen. Auch Steuerstundungen sind für einen befristeten Zeitraum möglich.
Zusätzliches Notbudget ist abhängig von individuellen Faktoren
Wieviel Geld Antragssteller erhalten, ist immer abhängig vom Gehalt und den geschätzten Kosten.
Eine Beispielrechnung:
Bruttoeinkommen: 48.000 Euro. Geschätzte Kosten für die Wiederbeschaffung und Reparaturen: 9.000 Euro. Zusätzliches Nettogehalt ab Juli (bei Antragsstellung noch im Juni): monatlich rund 425 Euro bis Ende dieses Jahres (Quelle: BMF-Steuerrechner)
Wichtig für Antragsteller: Wer den Antrag stellt, muss im kommenden Jahr eine Steuererklärung abgeben, dort müssen dann die tatsächlichen Kosten angegeben werden. „Deshalb sollten alle Rechnungen oder Quittungen für das Finanzamt aufgehoben werden“, rät Finanztip-Experte Leine. Liegt die Schätzung nahe bei den tatsächlichen Kosten, dürften Antragssteller kaum zusätzlich Geld zurückbekommen. „Wir raten daher dazu, nicht zu großzügig zu schätzen, um Nachzahlungen zu vermeiden.“ Wer nicht sofort auf das Geld angewiesen sei, könne es sich auch mit der Steuererklärung im kommenden Jahr zurückholen.
„Zumutbare Belastung“ senkt die Steuererstattung
Das Finanzamt zieht bei der Steuererklärung allerdings eine gewisse Summe ab, die sogenannte „zumutbare Belastung“. Sie beträgt zwischen 1 und 7 Prozent des Einkommens – je nach Höhe des Einkommens, Familienstand und Kinderzahl. So hat ein Ehepaar mit zwei Kindern und einem Einkommen von 72.000 Euro eine zumutbare Belastung von 2.215 Euro. Wie hoch die individuelle Belastung ausfällt, können Betroffene mit dem Rechner der Bayerischen Finanzverwaltung selbst prüfen.
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