Altersarmut: Sorgen der Ostdeutschen nehmen weiter zu

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Besonders in den ostdeutschen Bundesländern wenden sich derzeit leider viele Menschen von den etablierten Parteien ab. Eine mögliche Ursache hierfür liegt in der Rentenpolitik der Bundesregierung und den Sorgen der Menschen um ihre Altersvorsorge: So erzielt der deutsche Altersvorsorge-Index (DIVAX-AV) in den neuen Bundesländern einen deutlich schlechteren Wert als in den alten.

Norman Wirth, Vorstand, AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e.V. © AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e.V.

Dies ergibt eine Auswertung des Deutschen Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) – zu dessen Trägern der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW gehört – im Rahmen der halbjährlichen Index-Erhebung. Zugrunde liegen repräsentative Befragungen im Frühjahr 2023 sowie im Herbst 2020 unter jeweils 2.000 Bürgerinnen und Bürgern (davon 1.600 in den westlichen und 400 in den östlichen Bundesländern).

Erhebliche Unterschiede bei Grundstimmung zur Altersvorsorge

Der deutsche Altersvorsorge-Index offenbart signifikante regionale Unterschiede innerhalb Deutschlands: Während er in den westlichen Bundesländern aktuell bei +3,5 liegt, ist die Stimmung zur Altersvorsorge in den östlichen Ländern mit einem Indexwert von -9,4 deutlich schlechter, wobei der Index Werte zwischen +100 und -100 annehmen kann.  Im Vergleich zur Erhebung im Herbst 2020 hat sich die Stimmung insgesamt verschlechtert, jedoch ist der Abfall in den östlichen Bundesländern von -5,7 auf -9,4 (= -3,7 Punkte) noch stärker als in den westlichen (-2,3 Punkte). Die Stimmungslagen Ost und West driften also auseinander.

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Dazu Prof. Dr. Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direktor des DIVA: „Die Einkommen in den östlichen Bundesländern hinken immer noch deutlich hinterher. Das führt entsprechend zu niedrigeren gesetzlichen Rentenanwartschaften, was die DIVA-Ergebnisse reflektieren. Hinzu kommt: Wer weniger verdient, hat weniger Mittel für ergänzende private Altersvorsorge zur Verfügung. Kein Wunder also, dass sich die Menschen im Osten mehr Sorge um ihr Auskommen im Alter machen.“

Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung, ergänzt: „Die Mitglieder unseres Verbandes im Osten beraten jeden Tag tausende von Bürgerinnen und Bürgern zur privaten Altersvorsorge. Sie bestätigen uns deren große Sorgen. Und das betrifft nicht allein die Rente. Im Vergleich zum Westen sind das Geldvermögen und die Aussicht auf eine Erbschaft geringer. Hinzu kommt, dass viele junge Menschen abgewandert sind. Es schürt Ängste fürs Alter, wenn keine Aussicht auf Unterstützung durch die Kinder vor Ort besteht.“

Aufschlussreich ist auch der Blick auf die nach Geschlecht und Alter differenzierten Indizes. Bei den Älteren im Osten (50 bis 65 Jahre) ist die Stimmung zur Rente mit einem Indexwert von -26,0 Punkten besonders schlecht. Und bei den Frauen im Osten liegt der Wert mit -11,8 deutlich unter dem der Männer im Osten (-6,4) und dem der Frauen im Westen (-0,6).

Für Heuser ist dies plausibel: „Bei den Älteren ist der Renteneintritt in Sichtweite oder steht sogar unmittelbar bevor. Sie wissen, wenn das Geld nicht oder nur knapp reichen wird. Deshalb sorgen sie sich am meisten. Und dass Frauen größere Sorgen haben, liegt auf der Hand. Die im Osten ohnehin schon niedrigeren Einkommen sind bei ihnen im Schnitt noch geringer.“

Kein Spielraum für Anpassung des Rentenniveaus

Die Ergebnisse werfen die Frage danach auf, ob die Politik gegensteuern und Ängste nehmen kann. Gegenüber einseitigen Verbesserungen des Rentenniveaus in den östlichen Bundesländern zeigt sich Heuser skeptisch:

Wer soll das bezahlen? Blickt man auf die demografische Entwicklung mit dem anstehenden Rentenbeginn der Babyboomer, sind Erhöhungen des Rentenniveaus sehr problematisch.

Wenn der Steuerzuschuss nicht ins Uferlose wachsen soll, müsse man eher über eine Absenkung diskutieren. Auch die aktuelle Regierung sehe keinen Spielraum für eine Erhöhung: Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung friere das Rentenniveau bis zum Ende der Legislatur ein, weiß der wissenschaftlicher Direktor des DIVA

Königsweg Riester

Eine Alternative läge in einer anderen Form von Transferzahlungen, so Wirth, der vor diesem Hintergrund das Ausbleiben einer Riester-Reform bedauert: „Riester war das beste Altersvorsorgeprodukt für Menschen mit niedrigem Einkommen und deshalb gerade im Osten so wichtig. Die Menschen dort könnten mit wenig Eigenanteil hohe Zulagen erhalten.“

Weil die Regierung eine Reform nicht anpacke, gebe es fast keine Tarife und keine Neuabschlüsse mehr. Das müsse sich die Regierung ankreiden lassen, wenn es um die Sorgen der Menschen im Osten geht. Den Mitgliedern des AfW fehle dafür das Verständnis, betont Wirth abschließend.

Zur Umfrage

Für die Berechnung des Index wurden 2.000 Personen in Deutschland von INSA-CONSULERE im Auftrag des DIVA befragt. Alle Ergebnisse des aktuellen Deutschen Altersvorsorge-Index (DIVAX-AV) sind auf der Website des DIVA zu finden.

Bilder (2): © AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e.V. (3): © Deutsches Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung GmbH