Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Mittel- und Osteuropa ist 2022 um 39,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. In acht Ländern, darunter Bulgarien, Kroatien, Polen und Ungarn, stieg die Zahl der Insolvenzen, während sie in vier Ländern sank. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Kreditversicherers Coface. Auch für das Jahr 2023 zeigt der Trend bei den Insolvenzen in der Region nach oben.
Der Kreditversicherer Coface schätzt, dass die Gesamtzahl der Unternehmensinsolvenzverfahren in den MOE-Ländern von 25.917 im Jahr 2021 auf 36.090 im Jahr 2022 gestiegen ist, was einem Anstieg von 39,3 Prozent entspricht. In acht Ländern war die Zahl der Insolvenzen 2022 höher als im Vorjahr – dazu zählen Bulgarien, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Serbien und Ungarn. In Estland, der Slowakei, Slowenien und der Tschechischen Republik war die Zahl hingegen rückläufig.
Den stärksten Anstieg in puncto Insolvenzen verzeichneten Serbien und Ungarn mit +106 Prozent beziehungsweise +86 Prozent, während der stärkste Rückgang in Estland zu beobachten war (-17 Prozent). In sechs der zwölf Länder lag die Anzahl der Insolvenzen 2022 oberhalb des Vor-Pandemieniveaus von 2019 – im Gegensatz zu vielen Ländern in Westeuropa.
Viele Risikofaktoren führen zu mehr Pleiten
Nach einem Rückgang der Insolvenzen im Jahr 2020 nahm die Zahl der Firmenpleiten im Jahr 2021 zu und beschleunigte sich 2022. Dabei trugen die 2020 von den Regierungen eingeführten Unterstützungsmaßnahmen zunächst zu einem Rückgang der Firmenpleiten bei. Die Beendigung dieser Maßnahmen erfolgte schrittweise, wobei Unternehmen von den niedrigen Zinssätzen im Jahr 2021 immer noch profitierten.
„Im Jahr 2022 sahen wir jedoch einen deutlichen Anstieg der Insolvenzen, da die Unternehmen mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert waren. Etwa die hohen Preise für Energie und Vorleistungsgüter, eine Reihe schneller und großer Zinserhöhungen, die höchste Inflation seit Jahrzehnten und die Unsicherheit in Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine", erklärt Grzegorz Sielewicz, Chefvolkswirt für Mittel- und Osteuropa bei Coface.
Insolvenzen steigen nicht nur in energieintensiven Sektoren
Es überrascht nicht, dass die energieintensiven Sektoren am meisten unter den steigenden Rohstoffpreisen und den damit verbundenen höheren Betriebskosten zu leiden hatten, auch in puncto Zahlungsmoral.
In Polen beispielsweise hatten die Branchen Chemie, Metall, Papier und Holz sowie die Agrar- und Ernährungswirtschaft im Jahr 2022 mit überdurchschnittlich langen Zahlungsverzögerungen zu kämpfen. Dabei hatten die meisten dieser Branchen die Zahlungsfristen im Vergleich zum Vorjahr bereits verlängert. Die genannten Branchen waren auch in den regionalen MOE-Insolvenzstatistiken stark vertreten.
Ebenfalls stark betroffen ist die Baubranche. Die Insolvenzquoten, also der Anteil der Insolvenzen an der Gesamtzahl der aktiven Unternehmen in der Branche, sind in Kroatien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen und Polen besonders hoch, was auf die hohen dortigen Preise für Baumaterialien und Betriebsmittel zurückzuführen ist. Weitere Risikofaktoren sind der Fachkräftemangel sowie die rückläufige Nachfrage am Wohnungsmarkt aufgrund von Zinserhöhungen und steigender Inflation.
Weiterer Anstieg erwartet
Mit Blick auf das Jahr 2023 sagt Grzegorz Sielewicz: „Die wirtschaftliche Gemengelage bleibt unsicher. Wir rechnen für die kommenden Monate zwar mit einer Verlangsamung der Inflation, dennoch dürfte ein Großteil der Volkswirtschaften der MOE-Region 2023 ein schwächeres Wachstum verzeichnen. Auch weil die Inflation deutlich über den Zielvorgaben der Zentralbanken liegen wird. Daher werden die Zentralbanken die Zinsen weiter anheben, was sich wiederum negativ auf die Solvenz der Unternehmen auswirken wird. Wir gehen davon aus, dass die Zahl der insolventen Unternehmen 2023 weiter steigen wird."
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