Vermittler bemühen sich auf breiter Front, die Vorgaben zur nachhaltigen Beratung zu erfüllen, nicht immer aber sind die Kunden auch daran interessiert.
Nur rund jeder zweite Kunde (53 Prozent) ist an Beratung zu nachhaltigen Finanz- und Versicherungsprodukten interessiert und ist bereit über seine Nachhaltigkeitspräferenzen zu sprechen. 22 Prozent wollen hingegen nicht darüber sprechen und jedem vierten Kunden (25 Prozent) ist das ESG-Thema egal. Dieses Stimmungsbild ist ein Ergebnis des 15. AfW-Vermittlerbarometers, für das 1.305 Vermittlerinnen und Vermittler Auskunft im Rahmen einer umfassenden Online-Umfrage erteilten.
Die seit dem 2. August 2022 gesetzlich erforderliche Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen nehmen 40 Prozent der befragten Vermittelnden genauso vor, wie es der Gesetzgeber verlangt. 17 Prozent klären ihre Kunden auch noch darüber hinaus auf. Bei 19 Prozent findet die Beratung zu ESG-Themen erst statt, nachdem die Kunden zunächst die Frage nach Aufklärung verneint hatten.
Immerhin jeder achte (12 Prozent) Befragte bekannte, keine Abfrage zu tätigen, weitere 12 Prozent beantworteten die Frage nicht. „Da die Umfrage zu einer Zeit erfolgte, zu der für die Gewerbetreibenden mit Zulassung nach § 34 f Gewerbeordnung, also die unabhängigen Finanzanlagenvermittlerinnen und -vermittler, noch keine Pflicht zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen bestand, ist hier die hauptsächliche Erklärung für die beiden letztgenannten Gruppen zu finden.“ sagt Rechtsanwalt Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung e.V.
„Wir sehen, dass viele Vermittler sich mittlerweile in die Thematik eingearbeitet haben und die Abfrage nach Nachhaltigkeitspräfenzen in ihren Beratungsprozess integriert haben Schließlich gibt es mittlerweile auch sehr viele Beratungshilfen zu diesem Thema wie zum Beispiel vom Arbeitskreis Beratungsprozesse, dem FNG oder integriert in die DIN für private Haushalte, wo sich der AfW jeweils aktiv mit eingebracht haben“, so Wirth weiter.
Schriftliche Fragehilfen werden von 30,6 Prozent der Vermittelnden aktiv in der Beratung genutzt. Noch häufiger werden Software-Tools (41,9 Prozent) und allgemeines Informationsmaterial (34,1 Prozent) verwendet. Mehrfachnennungen waren bei dieser Frage zu Anwendungshilfen zugelassen. Ohne technische Hilfe ist eine rasche Zuordnung der Produkte zu den passenden Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden kaum möglich. Hier sind aktuell noch in erster Linie die Produktgeber gefragt.
Einige weitere Ergebnisse aus dem ESG-Teil des AfW-Vermittlerbarometers:
- Nur die Hälfte der Vermittelnden (52 Prozent) sieht sich bereits ausreichend zum Thema ESG informiert. Jeder dritte (33 Prozent) antwortet hier mit nein.
- Immerhin 54 Prozent können ihren Kunden alle drei Fachbegriffe ESG, Taxonomie und Greenwashing erläutern. 32 Prozent haben bei mindestens einem der Begriffe Mühe.
„Die Verankerung der Nachhaltigkeit in der Beratung ist ein Prozess, der Zeit braucht. Die überstürzte und inkonsistente Einführung seitens der Regulierung hat den Start unnötig erschwert. Wir erwarten aber, dass sich in einem Jahr der Kenntnisstand und die Umsetzung in der Praxis bei den Beraterinnen und Beratern deutlich verbessert haben wird“, so AfW-Vorstand Norman Wirth abschließend
Zur Studie
Das jährliche AfW-Vermittlerbarometer wurde in Kooperation mit den Fördermitgliedern des Verbandes bereits zum 15. Mal mittels Online-Umfrage im Oktober und November 2022 durchgeführt. Mehr als 1.300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer beantworteten rund 50 Fragen zu ihrer Tätigkeit, ihrem Einkommen, der Regulierung und anderen aktuellen Fragen.
Neun von zehn Befragten haben eine Erlaubnis für die Versicherungsvermittlung (§34d GewO), davon beraten rund 87 Prozent im Maklerstatus. Zwei Drittel der Befragten verfügen über die Erlaubnis als Finanzanlagenvermittler/-in nach §34f GewO. Das durch das AfW-Vermittlerbarometer eruierte Stimmungsbild weist weit über den Verband hinaus, denn zwei Drittel der Befragten waren keine Mitglieder des AfW.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Sonntagsfrage: Vermittler wählen konservativ
Die regierende Ampelkoalition hat bei Vermittlerinnen und Vermittlern keine Mehrheit. Wenn Vermittler allein entscheiden könnten, wäre Deutschland seit Jahren wohl christlich-liberal regiert. Welche Partei derzeit besonders viele Stimmen gewinnt.
Bundesrat beschließt ESG-Abfragepflicht für 34f-Vermittler
Der BVK begrüßt den Beschluss, wonach künftig auch Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden abfragen müssen. Er sorge für eine rechtliche Gleichstellung bei der Abfragepflicht zwischen Versicherungs- und Finanzanlagenvermittlern.
ESG-Abfrage in der Finanzberatung startet verspätet
Nach Informationen des AfW wird der Bundesrat sich wohl erst am 31.03.2023 mit dem Verordnungsentwurf befassen. Damit müssen Finanzanlagenvermittler nach § 34f GewO voraussichtlich erst ab April 2023 die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden erfragen.
Nachhaltigkeit in der Versicherungs- und Finanzberatung
Der 2. August sollte die nachhaltige Zeitenwende für die Versicherungs- und Finanzvermittlung einläuten. Den regulatorischen Startschuss setzte dafür die EU-Transparenzverordnung. Wo stehen wir jetzt in Bezug auf die Vermittlerschaft? Eine Positionsbestimmung von Norman Wirth.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Recyclingbranche unter Feuer: Warum Entsorger kaum noch Versicherungsschutz finden
Brände in Recyclinganlagen nehmen wieder zu – und mit ihnen die Prämien. Für Vermittler stellt sich die Frage: Wer bietet überhaupt noch tragfähigen Versicherungsschutz für diese Hochrisiko-Branche? Die Hübener Versicherung bleibt eine der letzten Adressen mit Branchenspezialisierung.
Insolvenzverfahren bei ELEMENT Insurance AG: Wie über 300.000 Verträgen abgewickelt werden sollen
Die ELEMENT Insurance AG muss nach Überschuldung und Rückversicherer-Aus abgewickelt werden. Über 300.000 Verträge wurden bereits beendet, die Schadenbearbeitung läuft weiter. Insolvenzverwalter Friedemann Schade setzt auf digitale Tools und konstruktive Lösungen – auch im Streit mit einem ehemaligen Dienstleister.
PKV bleibt 2025 stabil – doch Prävention bleibt politische Baustelle
Die private Krankenversicherung (PKV) zeigt sich zum Wahljahr 2025 widerstandsfähig und finanziell solide. Das geht aus der aktuellen SFCR-Studie von Zielke Research hervor: Die durchschnittliche Solvency-II-Quote liegt bei beachtlichen 515,55 Prozent. Kein einziges der untersuchten Unternehmen unterschreitet die gesetzlichen Kapitalanforderungen – ein Signal für Stabilität und Verlässlichkeit in unsicheren Zeiten.
Wüstenrot & Württembergische trotzt Krisenjahr – starker Auftakt 2025 nährt Gewinnhoffnungen
Trotz massiver Unwetterschäden und steigender Kfz-Kosten hat die W&W-Gruppe 2024 mit einem Gewinn abgeschlossen – und startet 2025 mit starkem Neugeschäft optimistisch ins neue Jahr. Vorstandschef Junker sieht die Gruppe auf stabilem Kurs.